top of page

Filmbuch: Der Mann, der das Kino liebte – François Truffaut und seine Filme

  • Autorenbild: Walter Gasperi
    Walter Gasperi
  • vor 4 Stunden
  • 3 Min. Lesezeit
"Der Mann, der das Kino liebte – François Truffaut und seine Filme": Empathischer Blick auf Persönlichkeit und Filme des Mitbegründers der Nouvelle Vague
"Der Mann, der das Kino liebte – François Truffaut und seine Filme": Empathischer Blick auf Persönlichkeit und Filme des Mitbegründers der Nouvelle Vague

Josef Schnelle bietet in seinem im Schüren Verlag erschienenen Buch in empathischer Darstellung und Gesprächen mit Filmemacher:innen und Filmjournalist:innen Einblick in Leben und Schaffen des früh verstorbenen Mitbegründers der Nouvelle Vague.


Grundlage für "Der Mann, der das Kino liebte - François Truffaut und seine Filme" bildete ein am 4. Mai 2024 im Deutschlandfunk in der Reihe "Lange Nacht" ausgestrahltes Radiofeature. Mit Interviews mit Hans Christoph Blumenberg, der wie Truffaut nach einer Karriere als Filmkritiker zur Filmregie wechselte, dem Filmpublizisten und Filmhistoriker Robert Fischer, der Truffaut bei den Pressereisen zu seinen Filmen in Deutschland begleitete und Truffauts Schriften in Deutschland herausgab, dem Filmregisseur Michael Klier, der bei den Dreharbeiten von "La peau douce" ("Die süße Haut", 1963) hospitierte, und der Filmwissenschaftlerin Gertrud Koch, die einen feministischen Blick auf Truffauts Filme wirft, sowie Filmausschnitten näherte sich Schnelle darin der Persönlichkeit und dem Schaffen des am 21. Oktober 1984 im Alter von nur 52 Jahren an einem Gehirntumor verstorbenen Franzosen.


Für die Veröffentlichung als Buch überarbeitete Schnelle diese Radiosendung, behielt aber die Form weitgehend bei. Ausgehend vom Bild François Truffauts als einem sympathischen Mann, der sympathische Filme drehte, zeichnet der Autor in einer Mischung aus eigener Darstellung und Interviews ein vielschichtiges, aber immer empathisches Bild.


Die Großzügigkeit und die Zugewandtheit, von der die Gesprächspartner in Bezug auf Truffaut immer wieder sprechen, zeichnet auch Schnelles Blick aus. Statt chronologisch mit wissenschaftlicher Analyse die 21 Spielfilme vorzustellen, interessiert den Filmhistoriker und Kurator vielmehr die Verbindung von Persönlichkeit und Œuvre.


Als zentrale Filme ziehen sich so durch das Buch der Oscar-Sieger "La nuit americaine" ("Die amerikanische Nacht", 1973), bei dem Truffaut nicht nur Regie führte, sondern selbst auch einen schüchternen Filmregisseur spielt, der mit Problemen beim Dreh seines neuen Films zu kämpfen hat, sowie die Antoine Doinel-Filme, in denen Jean-Pierre Leaud Truffauts Alter-Ego spielt.


Textausschnitte und Bildstrecken aus diesen Filmen, die mit dem Filmemachen einerseits und der Beziehung zu Frauen andererseits, zentrale Themen in Truffauts Leben behandeln, lockern dabei immer wieder die Darstellung auf.


Ausgehend von dem ersten Antoine Doinel-Film "Les quatre cents coups" ("Sie küssten und sie schlugen ihn", 1959) kann Schnelle so Truffauts Kindheit und Jugend, seine filmische Sozialisation und die Förderung durch André Bazin ebenso wie die Anfänge der Nouvelle Vague skizzieren. Hans Christoph Blumenberg wiederum kann als Vergleich nicht nur Einblick in seinen Weg vom Filmkritiker zum Regisseur bieten, sondern stellt auch sein freundschaftliches Verhältnis zu seinen Hauptdarsteller:innen Truffauts häufigen Liebesbeziehungen gegenüber.


Intensiv wird auch die Cinephilie der Regisseur:innen der Nouvelle Vague herausgearbeitet. Vermutlich als erste Filmemacher arbeiteten diese Enthusiasten nicht intuitiv, besuchten auch keine Filmschulen, die es damals noch kaum gab, sondern drehten ihre Filme auf Basis analytischer Auseinandersetzung mit Klassikern der Filmgeschichte und getrieben von leidenschaftlicher Liebe zum Kino.


Einblick wird dabei nicht nur in die wachsende Feindschaft geboten, die sich im Lauf der Jahre zwischen den einstigen Weggefährten Truffaut und Jean-Luc Godard entwickelte, sondern auch in die gegensätzlichen Strömungen des Kinos, für die sie stehen.


Breiten Raum muss aber auch Truffauts Verhältnis zu den Frauen einnehmen. Ausgehend von seinem Bonmot zu Otto Premingers "Bonjour Tristesse" "Die Arbeit des Regisseurs besteht darin, schöne Frauen schöne Dinge machen zu lassen" wird nicht nur, unterstützt von Aussagen Robert Fischers und Hans Christoph Blumenbergs, die Bedeutung von Frauenfiguren in Truffauts Filmen aufgezeigt, sondern auch auf seine zahlreichen Affären mit seinen Schauspielerinnen hingewiesen. Während Fischer dabei auch daran erinnert, dass Truffaut im Grunde ein sehr schüchterner Mensch war, der in dem Protagonisten von "Tirez sur le pianiste" ("Schießen Sie auf den Pianisten", 1960) quasi ein Selbstporträt zeichnete, zeigt Gertrud Koch auf, dass Truffaut durchaus komplexe Frauenfiguren schuf.


Die Bedeutung von Kindern, denen Truffaut ihre Eigenständigkeit und Kreativität ließ, wird mit Blick auf "Les quatre cents coups", "L´enfant sauvage" ("Der Wolfsjunge", 1970) und "L´argent de poche" ("Taschengeld", 1976) ebenso beleuchtet wie die Arbeit mit gleichbleibenden Teams wie dem Filmmusikkomponisten Georges Delerue, den Kameramännern Raoul Coutard und Nestor Almendros, den Drehbuchautor:innen Suzanne Schiffman und Jean Gruault und natürlich dem Schauspieler Jean-Pierre Leaud.


Abgerundet wird der flott geschriebene und flüssig zu lesende Band, der durch die reiche Bebilderung aufgelockert wird, durch Biographien der Gesprächspartner, denen Schnelle auch für ihre Mitarbeit dankt, einem tabellarischen Lebenslauf Truffauts, Miniaturporträts seiner wichtigsten Mitarbeiter, einer Filmographie mit den wichtigsten Credits und knappen Kommentaren zu jedem Film sowie einem Literaturverzeichnis.

 


Josef Schnelle, Der Mann der das Kino liebte. François Truffaut und seine Filme, Schüren Verlag, Marburg 2025, 156 S., € 26,50, ISBN 978-3-7410-0497-1

 

 

Kommentare


bottom of page