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  • AutorenbildWalter Gasperi

Filmbuch: Roger Corman – Die Rebellion des Unmittelbaren


Robert Zion stellt auf 256 Seiten Leben und Werk Roger Cormans dar, der zwischen den 1950er und 1980er Jahren mit seinen Low-Budget-Exploitation-Filmen nicht nur das US-Kino, sondern auch die Vertriebsmöglichkeiten veränderte und zahlreiche junge Talente des späteren New Hollywood förderte. – Eine ebenso fundierte wie gut lesbare Monographie.


Als „King of the B´s“ wurde und wird Roger Corman immer wieder bezeichnet, doch er selbst lehnte diese Zuordnung ab, da B-Filme ein Terminus für die kleinen zweiten Filme der Doppelvorführungen in den 1930er und 1940er Jahren waren. Vielmehr sah er seine Produktionen als Low Budget-Exploitation-Filme, die in wenigen Tagen billig gedreht wurden, auf Sex und Gewalt setzten, sozialkritische Töne aber nicht zu kurz kommen ließen und durch die geringen Kosten große Gewinne machen konnten.


Angesichts des Umfangs von Cormans Werk als Produzent und Regisseur, das der Anhang mit einer ausführlichen Filmographie deutlich macht, verzichtet der Filmjournalist Robert Zion in der ersten deutschsprachigen Monographie über den 1926 geborenen Amerikaner alle 55 Regiearbeiten und 271 Produktionen vorzustellen. Er beschränkt sich vielmehr darauf in neun Kapiteln 16 zentrale Werke präzise zu beschreiben und zu analysieren.


Der Gliederung des Belgiers Paul Willemen folgend teilt Zion Cormans Werk in vier Blöcke, die alle die Thematik der Zeitenwende mit dem Untergang einer Welt und der Geburt einer neuen verbindet. Kurz skizziert der Autor die Kindheit des aus Michigan stammenden Filmemachers und seine Ausbildung zum Ingenieur, in dem Zion schon die Verbindung des berechnenden Kapitalisten in der billigen Produktion mit kleinem Team, kurzen Drehzeiten und billigen Kulissen und des Rebellen, der sich immer als Liberaler sah, vorgezeichnet sieht.


Neben den neuen Vertriebsmöglichkeiten, die Corman abseits des Hollywoodsystems speziell in den Autokinos fand, und der revolutionären Produktion, die ihm ein fixes Team und der wiederholte Dreh in den gleichen Kulissen ermöglichte, arbeitet Zion vor allem die für die damaligen Zeit revolutionären Inhalte heraus.


Mit seinen Frauenwestern und Frauen-Gangsterfilmen zielte er schon in den 1950er Jahren auf ein Female Empowerment und Zion zeichnet auch schöne Kurzporträts dieser vergessenen Schauspielerinnen, denen er auch sein Buch gewidmet hat.


Andererseits thematisierte Corman in den Science-Fiction- und Weltuntergangsfilmen die Rebellion und den Untergang der alten Welt und der Eltern seines Publikums, aber auch der Hollywoods und das Aufblühen einer neuen Welt mit der Generation der Baby Boomer, die seine Filme in den Autokinos genoss. Vor allem „Day the World Ended“ (1955) und „Last Woman on Earth“ nimmt Zion hier genauer unter die Lupe.


Anschaulich kann diese Thematik vom Untergang freilich auch an der Poe-Verfilmung „House of Usher“ (1960) dargestellt werden und die Verbindung von Untergang und ständiger Wiedergeburt an „The Tomb of Lygeia“ (1964). Bei diesen Filmen findet Zion in der formalen Gestaltung auch schon Vorverweise auf das psychedelische Kino der späten 1960er Jahre.


Immer wieder fokussierte Corman dabei auf Außenseiter von der bissigen Satire auf den Rassismus mit „The Intruder“ (1962) über den Rockerfilm „The Wild Angels“ (1966), bei der sich Corman die Unterstützung der Hells Angels holte, bis zum Drogenfilm „The Trip“ (1967), der erst den Klassiker „Easy Rider“ ermöglichte.


Zion spart aber auch den autoritären Charakter Cormans nicht aus, der mehrfach radikal in Drehbücher und Filme seiner Regisseure und Regisseurinnen eingriff und sie massiv veränderte, andererseits mit Blaxploitation-Filmen in den 1970er Jahren aber auch das Empowerment der Afroamerikaner förderte und als Verleiher mit New World Pictures auch zentrale europäische Filme von Bergman, Fellini, Truffaut und Schlöndorff in die amerikanischen Kinos brachte.


Am Beispiel der Oscar-Verleihung von 1975 zeigt Zion die Auswirkungen von Cormans Förderung junger Talente auf das New Hollywood, stellt aber auch dessen Niedergang mit dem Verschwinden der Autokinos zugunsten von Multiplexx in Shopping Malls und dem Aufkommen des Home-Video-Markts dar.


Gleichzeitig verloren Cormans Filme aber auch an Bedeutung, da zunehmend Sex und Action ins Zentrum rückten, der gesellschaftskritische Impetus in den 1980er Jahren immer mehr verlorenging.


Anschaulich, gut lesbar und gut bebildert stellt Zion diese Entwicklung und das Werk Cormans dar und hat so zweifelsohne ein Basiswerk zu diesem bedeutenden amerikanischen Regisseur und Produzenten, der 2013 mit einem Oscar für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde, vorgelegt.


Qualitativ hochwertige Schwarzweißbilder und zehn Seiten mit Farbfotos aus den Filmen sowie eine ausführliche Bibliographie runden das Buch ab. Störend wirken an der auch durch Zitate aus der Autobiographie Cormans und der wissenschaftlichen Literatur gestützten Monographie einzig mehrere orthographische Fehler, die man bei einer zweiten Auflage durch ein sorgfältiges Lektorat vielleicht doch vermeiden könnte.


Robert Zion, Roger Corman. Die Rebellion des Unmittelbaren, Books on Demand, 2018, 320 Seiten, € 34,99, ISBN 978-3748101017

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