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  • AutorenbildWalter Gasperi

Filmbuch: Hollywood Blackout – Film Noir (1941 - 1961)


Der klassische Film noir ist nicht nur einer der düstersten, sondern auch einer der spannendsten und reichsten Filmstile des US- Kinos. Christian Keßler stellt auf 360 Seiten 275 Filme, Klassiker ebenso wie weitgehend vergessene Perlen, kurz vor.


Kein klar definiertes Genre ist der Film noir, sondern zeichnet sich vielmehr durch einen bestimmten Stil und eine fatalistische Atmosphäre aus. Vorwiegend schwarzweiß sind diese Filme, Verlierer und schwache Männer, die vielfach von einer starken, aber skrupellosen Frau ins Unglück gestürzt werden, stehen im Zentrum. Prägende Einflüsse hinsichtlich Stimmung und visueller Gestaltung waren der französische Poetische Realismus der Zwischenkriegszeit ebenso wie der deutsche Expressionismus.


In der konkreten Handlung offenbart sich dabei immer wieder eine pessimistische Bestandsaufnahme der US-Gesellschaft. Krimis und Gangsterfilme machen zwar den Großteil des Film noir aus, aber auch Melodramen wie Lewis Milestones "The Strange Love of Martha Ivers" oder Michael Curtiz´ "Mildred Pierce" sind dieser einflussreichen filmischen Richtung zuzuordnen.


Wenn sich der Autor Christian Keßler im Vorwort launig im Stil eines Film noir als Privatdetektiv und unterbeschäftigter Filmjournalist vorstellt, der in seinem Büro Besuch von einer attraktiven Frau bekommt, die ihn beauftragt ein Buch über den Film noir zu schreiben, wird man schon auf den Stil von "Hollywood Blackout" eingestimmt. Keine trockene wissenschaftliche Analyse wird geboten, sondern salopp ist die Sprache, subjektiv sind die Wertungen.


Auf einen kurzen Abriss des US-Kinos der 1930er Jahre mit Heldenverehrung von Gangstern über Hays-Code bis hin zu den düsteren Kriminaldramen mit Durchschnittsmenschen als Protagonisten und Blick auf die Kennzeichen des Film noir, folgt die chronologische Vorstellung von 275 zwischen 1941 und 1961 entstandenen Filmen.


Jede Filmvorstellung ist ein bis zwei Seiten lang, ein originales Filmplakat gehört als Bebilderung jeweils dazu. Auf kurze Inhaltsangaben folgen jeweils Anmerkungen zu Regisseur und den Schauspieler*innen. Nicht nur bei Stars - wie beispielsweise bei Lana Turner (S. 18). -, sondern auch bei weitgehend vergessenen Filmemachern und Schauspieler*innen folgt dabei teilweise auch ein kurzer Blick auf ihre gesamte Karriere und ihr Privatleben. Besonderheiten wie Andeutungen zu Homosexualität oder die Thematisierung von Antisemitismus im jeweiligen Film werden kurz gestreift, aber auch die Position der Filmemacher während der Kommunistenjagd McCarthys und deren Einfluss auf ihre Karriere werden angeschnitten.


Tiefschürfende Analysen darf man angesichts der Knappheit der Filmvorstellungen nicht erwarten, doch die Fülle begeistert. Denn da werden eben nicht nur Klassiker wie John Hustons "The Maltese Falcon", Billy Wilders "Double Indemnity", Otto Premingers "Laura", Jacques Tourneurs "Out of the Past" bis hin zu Orson Welles´ "Touch of Evil" vorgestellt, sondern auch weitgehend vergessene und unbekannte Filme wie – um nur drei zu nennen - John Brahms "Hangover Square", Arthur Ripleys "Voice in the Wind" oder John Farrows "Where Danger Lives".


Ob es sich dabei wirklich um "verschüttete Meisterwerke" (S. 33 über "Voice in the Wind") handelt, müsste man überprüfen, aber Lust auf diese Filme macht Keßlers Buch auf jeden Fall. Streiten kann man sich freilich darüber, ob wirklich alle vorgestellten Filme dem Film noir zugerechnet werden können, denn da sich "noir" vor allem auf die Stimmung des jeweiligen Films bezieht, sind die Grenzen fließend.


Unbestritten liegt mit "Hollywood Blackout. Sternstunden des amerikanischen Film noir (1941- 1961)", dessen Einband passend zum Thema tiefschwarz gehalten ist, aber ein Kompendium vor, das eine echte Fundgrube ist und in Zukunft bei jeder Kuratierung einer Filmreihe zum Film noir herangezogen werden sollte.



Christian Keßler, Hollywood Blackout. Sternstunden des amerikanischen Noir-Kinos (1941 – 1961), Martin Schmitz Verlag, Berlin 2021. 378 S., € 35, ISBN 978-3-927795-90-7

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