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Filmbuch: Der dänische Film

  • Autorenbild: Walter Gasperi
    Walter Gasperi
  • vor 1 Tag
  • 3 Min. Lesezeit
"Der dänische Film": Kompakter, aber dennoch gut lesbarer Überblick über die dänische Filmgeschichte
"Der dänische Film": Kompakter, aber dennoch gut lesbarer Überblick über die dänische Filmgeschichte

Niels Penke bietet in dem im Münchner Verlag edition text + kritik erschienenen Band der Reihe "Filmgeschichte kompakt" auf 100 Seiten einen Überblick über die dänische Filmgeschichte von der Stummfilmzeit bis zu neuesten Entwicklungen.


Schon die Aufteilung der Seitenanzahl auf einzelne Jahrzehnte sagt bei diesem Band Einiges über die dänische Filmgeschichte aus: Während die Entwicklungen in der Stummfilmzeit, inklusive des Gesamtwerks von Carl Theodor Dreyer, rund 40 Seiten einnehmen und auch die Zeit seit Dogma 95 auf rund 25 Zeiten dargestellt wird, benötigt der Autor für die 60 Jahre zwischen 1930 und 1990 gerade einmal 25 Seiten.


Diese Aufteilung kennzeichnet auch die Liste der wichtigen dänischen Filme am Ende des Buches, wenn bei den 20 Titeln vier Stummfilmen und 14 Filmen ab 1987 gerade einmal zwei Filme aus der Zeit zwischen 1930 und den 1980er Jahren gegenüberstehen. Dies ist freilich kein Vorwurf an den Autor, sondern führt plastisch vor Augen, zu welchen Zeiten der dänische Filme eine Blütezeit erlebte und zu welchen er kaum internationale Beachtung fand.


Auch für Filmkenner dürfte es dabei vor allem im Abschnitt zur Stummfilmzeit viel zu entdecken geben. Penke blickt hier nicht nur auf den großen Star Asta Nielsen und die Vielfalt ihrer Rollen sowie auf das herausragende Werk von Carl Theodor Dreyer, sondern er bietet auch Einblick in die Anfänge mit der Schilderung von Straßenszenen und Staatsbesuchen sowie umstrittenen Tierjagdfilmen.


Während die Slapstickfilme mit "Pat und Patachon" sich zu internationalen Erfolgen entwickelten und im deutschsprachigen Raum in den späten 1960er Jahren durch die Ausstrahlung im ZDF weiterlebten, dürfte wenig bekannt sein, dass in der Stummfilmzeit in Dänemark neben einem Schiffskatastrophenfilm auch mehrere aufwändige Science-Fiction-Filme sowie turbulente Salonstücke in exotischen Milieus, die auch pädagogisch Frauen vor den Gefahren des Fremden warnen sollten, produziert wurden.


Ausführlich gewürdigt wird auch das Werk von Benjamin Christensen, dessen Name weitgehend nur mit dem Horrorfilm "Häxan" (1922) verbunden wird, der aber davor und danach weitere beachtenswerte Filme drehte.


Leichthändig verbindet Penke knappe Inhaltsbeschreibungen mit Analyse und Hintergrundinformationen. Dicht gedrängt ist so die Darstellung, bleibt aber immer übersichtlich und gut lesbar, auch wenn angesichts der Fülle bei weitem nicht alle Informationen haften bleiben werden.


Während die 1930er Jahre nahezu völlig ausgespart werden, wird bei den späten 1940er Jahren aufgezeigt, wie die Kriegszeit teilweise in Thrillern und Krimis aufgearbeitet wurde. Der Schwerpunkt in den folgenden Jahren lag dagegen auf Familien- und Kinderfilmen, die sich – wie beispielsweise "Vater von Vieren" (1953 - 1961) oder "Die Olsen-Bande" (1968 - 1981 - zu langlebigen Serien entwickelten.


Bei den 1960er und 1970er Jahren richtet Penke vor allem den Blick auf Professionalisierung und Institutionalisierung durch die Gründung der dänischen Filmhochschule (1965) und des dänischen Filminstituts (1972). Aufgezeigt wird aber auch, dass durch die Liberalisierung in Dänemark, das 1969 als erstes Land Pornografie legalisierte, eine Sexwelle einsetzte, die zum Exportschlager wurde.


Für die 1980er Jahre erkennt der Autor Adoleszenz und Coming-of-Age als dominante Themen, beleuchtet aber auch ausführlich die Welterfolge und Oscar-Sieger "Babettes Fest" (1987) und "Pelle der Eroberer" (1988) sowie die Anfänge Lars von Triers.


Dem folgenden Jahrzehnt sowie den frühen 2000er Jahren drückt dann Dogma 95 den Stempel auf. Penke bietet zunächst Einblick in die Entstehung und die zentralen Forderungen dieses Manifests, um dann zentrale Werke dieser Bewegung von Thomas Vinterbergs "Festen" (1998) über Lars von Triers "Idioten" (1998) und "Antichrist" (2008) bis zu Lone Scherfigs "Italienisch für Anfänger" (2000) und die Filme Susanne Biers vorzustellen. Aber auch Non-Dogma-Filme wie Ole Bornedals "Nightwatch - Nachtwache" (1994) oder Bille Augusts "Fräulein Smillas Gespür für Schnee" (1997) werden hier berücksichtigt.


Im letzten Kapitel wird schließlich nicht nur die Karriere von Nicolas Winding Refn skizziert, sondern auch Einblick in die grotesken Tragikomödien von Anders Thomas Jensen geboten. Doch auch die Erfolge internationaler Literaturverfilmungen wie Bille Augusts "Nachtzug nach Lissabon" (2013) und die Beliebtheit des Nordic Noir beispielsweise mit der Verfilmung von Stieg Larssons "Millennium"-Trilogie oder den Jussi-Adler-Olsen-Krimis (ab 2013) bis hin zum Thriller "Speak No Evil" (2022) wird aufgezeigt.


So bietet der schmale und spärlich bebilderte Band eine ebenso kompakte wie faktenreiche Lektüre, die einen spannenden Einblick in die umfangreiche Filmproduktion eines meist auf Carl Theodor Dreyer, die Dogma-Bewegung und Nicolas Winding Refn reduzierten Landes. Dazu kommt ein Verzeichnis weiterführender Literatur, das zur tieferen Auseinandersetzung mit dem Thema einlädt, sowie ein Personenregister.

 

Niels Penke, Der dänische Film. Filmgeschichte kompakt, Edition text + kritik, München 2024. 109 S., € 22, ISBN 978-3-689-30006-7

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