Eine Polizistenwitwe möchte einem durch die Schuld ihres Mannes unschuldig Verurteilten nach dessen Entlassung helfen und das Unrecht wieder gutmachen. – Ausgangspunkt einer turbulenten und vor Einfallsreichtum und Situationskomik sprühenden Komödie, die von einem lustvoll aufspielenden Ensemble getragen wird.
In den Gutenacht-Geschichten, die die Polizistenwitwe Yvonne (Adèle Haenel) ihrem Sohn Theo erzählt, ist ihr vor zwei Jahren im Einsatz verstorbener Mann Jean (Vincent Elbaz) ein Superpolizist. Mitten hinein in die Schilderung einer spektakulären Polizeiaktion, in der der Papa Gegner niederschießt oder verprügelt und auch noch in brenzligsten Situationen einen Ausweg findet, sei es mit einem Sprung von einem Hochhaus in ein Cabriolet, wirft Pierre Salvadori den Zuschauer. Nicht einmal Theo will das ganz glauben, doch die Mutter bestätigt, dass das so ungefähr gewesen sei, nur bei der Automarke sei sie sich nicht sicher.
Auch öffentlich ist der Verstorbene geachtet und im französischen Mittelmeerstädtchen wird zu seinen Ehren sogar der Platz am Hafen benannt und eine Bronzestatue von ihm aufgestellt. Umso entsetzter muss Yvonne bei einem Verhör feststellen, dass dieses Bild Fassade ist, dass ihr Mann korrupt war, bei einem vorgetäuschten Juwelenraub gegen entsprechende Beteiligung mitmachte und einen Unschuldigen als Täter vorschob.
Acht Jahre saß dieser Antoine (Pio Marmaï) im Gefängnis, nun wird er entlassen und Yvonne möchte unbedingt das Unrecht, das dem Goldschmid widerfahren ist, wiedergutmachen. Sie heftet sich an seine Fersen, muss aber bald ebenso wie dessen Frau (Audrey Tautou) erkennen, dass sich Antoine im Gefängnis völlig verändert hat, nicht – in diesem Fall aufgrund seiner Unschuld freilich kaum möglich – resozialisiert wurde, sondern vielmehr zur tickenden Zeitbombe und zum brutalen Schläger mutierte.
Wie ihn die Wut über die Haftstrafe antreibt, so ist Yvonne voll Wut auf ihren Mann, der nicht nur Antoine ins Gefängnis brachte, sondern von dem sie sich auch betrogen fühlt, weil sie jahrelang neben einem ihr im Grunde Unbekannten lebte. So ändern sich auch die Gutenachtgeschichten für Theo im Laufe des Films zunehmend und aus dem strahlenden Polizisten wird darin immer mehr ein korrupter Cop. Witz bezieht „En liberté!“ nicht nur aus der Variation dieser Erzählungen der Mama, sondern arbeitet auf vielfältige Weise lustvoll mit Wiederholungen und Veränderungen.
So wird sich nicht nur die Haftentlassung von Antoine gewissermaßen am Ende spiegelbildlich wiederholen, sondern als Running Gag taucht auch immer wieder ein Psychopath im Polizeirevier auf, um seine bestialischen Morde zu gestehen. Doch der Polizist Louis (Damien Bonnard), der in seine Kollegin Yvonne verliebt ist, nimmt vom Geständnis des Mörders keine Notiz, da er nur Yvonne beobachtet. Andererseits ist Yvonne genauso geistesabwesend, als Louis ihr seine Liebe gesteht, da sie nur gebannt auf den Ferrari blickt, den Antoine gestohlen und dann zu Schrott gefahren hat.
So spielt Salvadori auch die „Freiheit“ des Originaltitels auf vielfältige Weise durch, denn alle Figuren mögen da zwar äußerlich frei sein, aber innerlich werden sie doch von Zwängen getrieben. Wut und Schuldgefühle sind es bei Yvonne, Wut bei Antoine und die Liebe scheint Louis nicht frei agieren zu lassen. Gern wiederherstellen möchte Audrey Tautou als bezaubernde, leicht verhuschte Frau Antoines den Zustand vor der Haft ihres Mannes, doch ein Zurück scheint es nicht zu geben. Von seinen Zwängen und seiner Gewaltbereitschaft scheint sich Antoine eben nur befreien zu können, indem er die Tat, die er einst nicht begangen hat, dafür aber verurteilt wurde, nun wirklich begeht.
Ziemlich bitter ist „En liberté!“ im Grunde im Blick auf diese verlorenen und lädierten Figuren, doch das hohe Erzähltempo und Salvadoris Einfallsreichtum, zu dem auch die Wahl eines Vergnügungsparks und eines Sado-Maso-Bordells gehören, täuschen über diese ernste Grundierung hinweg. Lustvoll und temporeich mischt der 55-jährige Franzose Romantik, makabre Szenen und schräge Krimikomödie, Zentrum und Herz des Films sind aber die wunderbar harmonierenden und mit sichtlichem Vergnügen aufspielenden Darsteller.
Ein Vergnügen ist es einfach Adèle Haenel zuzusehen, wie sie Antoine zu helfen versucht und dabei nicht nur ständig lügen muss, sondern sich auch selbst in Verbrechen verstrickt. Ihr perfektes Gegenstück ist Pio Marmaï als Antoine, den sie ständig bremsen oder aus der Bredouille retten muss, ohne dabei freilich ihre wahre Identität preisgeben zu dürfen.
Ihre Beziehung hält den Film am Laufen, bestens unterstützt wird das Duo aber auch von Damien Bonnard als Yvonnes still liebendem Kollegen Louis, der eifersüchtig agiert und nicht merkt, dass Yvonne ihn im Grunde doch liebt, und von Audrey Tautou als Antonines Frau, die nicht verstehen kann, wie sich der einst liebe- und verständnisvolle Mann so ändern konnte, dass eine gemeinsame Zukunft nicht mehr möglich scheint.
Läuft derzeit im in den Schweizer Kinos. - Ab Herbst in den österreichischen und deutschen Kinos
Trailer zu "En liberté! - Lieber Antoine als gar kein Ärger"
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