Nach ersten Festivalerfolgen in den 1960er Jahren stieg der am 18. Februar 1932 in Böhmen geborene Miloš Forman in Hollywood mit "One Flew Over the Cuckoo´s Nest" (1975) zum Starregisseur auf. Konsistenz gewinnt sein Werk nicht durch einen individuellen Stil, sondern durch die wiederkehrende Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Individuen zu Autoritäten und Institutionen. – Das Stadtkino Basel widmet dem 2018 verstorbenen tschechischen Regisseur anlässlich seines 90. Geburtstags (18.2.) derzeit eine Filmreihe.
Für Theater und Kino begeisterte sich Miloš Forman schon im Kindesalter. 1943 gewann er durch seinen Bruder erste Einblicke ins Theaterleben, die in ihm den Wunsch nach einer Theaterkarriere weckten. Nachdem seine Mutter und sein Ziehvater als Angehörige einer Widerstandsgruppe von der Gestapo verhaftet worden waren und im KZ gestorben waren, wuchs Forman bei seinem Onkel auf.
1950 wurde er an der Prager Filmakademie aufgenommen. Während des Studiums wuchs sein Interesse an komischen Stoffen und Dokumentarfilmen. Dies prägte vor allem seine tschechischen Filme, die Teil der politisch in den Prager Frühling mündenden "Neuen tschechischen Welle" waren: Der Alltag wird genau beobachtet, doch der Blick ist immer auch ironisch.
Während ein junger Ladenangestellter ("Der schwarze Peter", 1963) und eine Arbeiterin einer Schuhfabrik ("Die Liebe einer Blondine", 1965) die Protagonisten seiner ersten Spielfilme waren, nahm Forman in der Provinzposse "Der Feuerwehrball" (1967) ein ganzes Dorf unter die Lupe. Die liebevolle Schilderung des kleinbürgerlichen Alltags im Sozialismus, vor allem aber die Darstellung der Feuerwehr kam bei der kommunistischen Partei nicht gut an und der Film wurde verboten. Während des Prager Frühlings wurde dieses Verbot zwar aufgehoben, doch nach dem Einmarsch der Sowjets wurde es erneut verhängt und "Der Feuerwehrball" durfte 20 Jahre lang nicht gezeigt werden.
Forman selbst befand sich zur Zeit der Niederschlagung des Prager Frühlings in Paris, wo er am Drehbuch zu "Taking Off" arbeitete. Zunächst wollte er nach Prag zurückkehren, doch als sich dort die Situation verschärfte, emigrierte er in die USA. Dort befand er sich zunächst in einer Außenseiterposition und seine erste amerikanische Produktion ("Taking Off", 1971) fiel beim Publikum durch. Vier Jahre Filmpause folgten, in denen der Exil-Tscheche sich als Theaterregisseur versuchte, ehe ihm mit »One Flew Over the Cuckoo´s Nest" (1975) der große Durchbruch gelang.
Diese Tragikomödie gewann als erster Film seit Frank Capras "It Happened One Night" (1935) die Oscars in den fünf Hauptkategorien (Bester Film, Regie, Drehbuch, männlicher und weiblicher Hauptdarsteller) und entwickelte sich auch zu einem phänomenalen Kassenerfolg. Eine ganze Generation, die das Vertrauen in die institutionalisierte Autorität verloren hatte, erkannte sich in dieser in einer psychiatrischen Anstalt spielenden Parabel wieder. Gleichzeitig spiegelt der Film in der Niederlage des Helden aber auch das Scheitern der Aufbruchsbewegung von 1968.
Direkt auf diese Zeit bezog sich dann Formans Adaption des Flower-Power-Musicals "Hair" (1977), indem dem Bürgertum und dem Vietnamkrieg die Ideale der Hippies gegenübergestellt werden. Der nostalgische Rückblick auf die späten 1960er Jahre fand in den ausgehenden 1970er Jahren aber kaum noch ein Publikum. Während auch "Ragtime" (1981), die in die USA der 1920er Jahre verlegte und den Rassismus thematisierende Variation von Kleists Novelle "Michael Kohlhaas" (1981), beim Publikum floppte, gelang Forman 1984 mit der Adaption von Peter Shaffers Theaterstück "Amadeus" (1984) wieder ein Welterfolg. Der prachtvoll ausgestattete, schrille Kostümfilm, der Mozart als exzentrischen Popstar des 18. Jahrhunderts präsentiert, löste ein regelrechtes Mozartfieber aus und wurde mit acht Oscars ausgezeichnet.
Formans Verfilmung von Chloderlos de Laclos Briefroman "Les Liaisons dangereuses" (1782) unter dem Titel "Valmont" (1989) fand dagegen wohl nicht zuletzt deshalb wenig Beachtung, weil kurz zuvor Stephen Frears mit "Gefährliche Liebschaften" (1989) seine Adaption dieses Stoffes ins Kino gebracht hatte. Für mehr Aufsehen sorgte "The People vs. Larry Flint" (1996), in dem Forman vom Kampf des Herausgebers des Pornomagazins "Hustler" erzählt und entschieden für die Freiheit öffentlicher Meinungsäußerung plädiert. Mit der Nachzeichnung des Lebens des umstrittenen amerikanischen Entertainers Andy Kaufman in "Man on the Moon" (1999) folgte eine weitere Auseinandersetzung mit der amerikanischen Gesellschaft, ehe Forman mit "Goya´s Ghosts" (2006) zum historischen Film zurückkehrte.
Geht man die amerikanischen Filme durch, so stellen sich Querverbindungen über die Protagonisten ein: Immer wieder stehen Außenseiter im Mittelpunkt, vom unangepassten von Jack Nicholson gespielten McMurphy in "Cuckoo´s Nest", über den hysterisch kichernden Mozart bis Larry Flint und Andy Kaufman. Gemeinsam ist diesen skurrilen und teilweise vulgären Figuren, dass Forman mit ihnen teilweise in der schelmischen Manier des tschechischen Soldaten Schwejk gegen Reglementierungen und Einschränkungen durch die Gesellschaft rebelliert und für die Freiheit des Individuums plädiert.
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Trailer zu "One Flew Over the Cuckoo´s Nest"
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