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  • AutorenbildWalter Gasperi

Ein bisschen bleiben wir noch

Aktualisiert: 15. März 2021


Frei nach Monika Helfers Roman "Oskar und Lilli" erzählt Arash T. Riahi von zwei tschetschenischen Flüchtlingskindern, die in Österreich zu verschiedenen Pflegeeltern kommen. Ihre große Hoffnung ist es nicht nur einander, sondern auch die psychisch kranke Mutter wieder zu sehen: Kein hartes Sozialdrama, sondern eine bittersüße, auch von Humor durchzogene berührende Kindergeschichte.


Können alle Sorgen aus einem hinausfliegen, wenn man den Mund lange weit aufsperrt und in den Himmel blickt? – Schon in dem vom Krieg zerstörten Tschetschenien probierten es Oskar (Leopold Pallua), Lilli (Rosa Zant) und ihre Mutter (Ines Miro) damit und auch sechs Jahre später scheinen sie im Asyl in Österreich keine andere Möglichkeit zu haben, sich aus ihrer tristen Situation zu befreien.


Aus der Horizontalen verrückt ist die Hochhaussiedlung, in der der nun achtjährige Oskar und die 13-jährige Lilli mit ihrer Mutter leben. Bald steht die Welt für sie ganz Kopf, wenn sie über Bahngleise spazieren, wirkt aus den Fugen geraten, wenn die Kamera in gekippter Einstellung erfasst, wie sie das Treppenhaus hochrennen.


Schon länger liegt ein Ausweisungsbescheid vor, nun möchte die Polizei diesen endgültig exekutieren. Die Mutter entzieht sich aber der Abschiebung, indem sie sich die Pulsadern aufschneidet. Die Kinder, die Österreich als ihre Heimat ansehen und besser Deutsch als tschetschenisch sprechen, kommen nach kurzem Heimaufenthalt zu verschiedenen Pflegeeltern.


Den Flüchtlingskontext hat Arash T. Riahi gegenüber Monika Helfers Roman "Oskar und Lilli", in dem die Kinder wegen einer psychischen Erkrankung der Mutter getrennt werden, hinzugefügt. Als zweiten Teil seiner mit "Ein Augenblick Freiheit" (2008) begonnenen "Flucht-Trilogie" hat der gebürtige Iraner, der als Achtjähriger nach Österreich kam, "Ein bisschen bleiben wir noch" angelegt und unübersehbar auch eigene Erfahrungen einfließen lassen.


Ganz aus der Kinderperspektive, vor allem der von Oskar, erzählt Riahi berührend dank des einfühlsamen Blicks und der wunderbar natürlich agierenden jungen Hauptdarsteller Leopold Pallua und Rosa Zant. Das Gutmenschen-Lehrerpaar, das vegetarisch lebt und wegen des Umweltschutzes kein Auto besitzt, stellt er dagegen in satirischer Überzeichnung bloß und deckt die arrogant-gönnerhafte Attitüde auf, die sich hinter der Aufnahme des Flüchtlings Oskar versteckt.


Riahis Sympathie gehört ganz den Kindern. Bittersüß schildert er die Überlebensstrategien, die der aufgeweckte Oskar in der neuen Umwelt entwickelt. Während seine Pflegeeltern wenig Verständnis für die an Parkinson leidende Oma zeigen, kann sich der Junge in die alte Frau hineinfühlen, baut eine Beziehung zu ihr auf, vor allem aber möchte er Lilli und seine Mutter wieder sehen.


In Parallelmontage erzählt der 48-Jährige von den unterschiedlichen Erfahrungen der beiden Geschwister. Während man Oskar vor allem innerhalb der Familie sieht, findet Lilli in der von ihren Mitschülerinnen gemobbten Betti eine Freundin. Deren drogensüchtige Mutter macht Lilli auch bewusst, dass es auch österreichische Kinder nicht immer leicht haben. Durchaus wohl fühlt sie sich bei ihrer Pflegemutter Ruth, doch deren Freund Georg ist sie bald im Weg.

Heimlich haut Oskar mehrfach ab, um Lilli zu sehen, und auch die Adresse der Mutter finden die Geschwister heraus, doch der Besuch in der Psychiatrie verstört und schockiert sie.


Riahi ist aber nicht an einem rauen Sozialdrama interessiert. Viel zu aufgeräumt und bunt sind dazu die Bilder. Nicht um triste Milieuschilderung geht es hier, sondern um das Eintauchen in kindliches Empfinden, in dessen Zentrum die große Sehnsucht nach Schwester und Mutter steht, und die Versuche auch mit Witz und Fantasie sich in der neuen Welt langsam einzufinden und Fuß zu fassen.


Realistisch ist zwar der Hintergrund, doch durch die Kinderperspektive ergeben sich immer wieder poetische und märchenhafte Momente. Gerade dieser Kontrast macht das Bedrückende der kindlichen Situation erfahrbar, verhindert aber auch, dass der Film in Betroffenheitskitsch abgleitet.


Statt niederzuschmettern, feiert "Ein bisschen bleiben wir noch" so die Kraft der Geschwister- und Mutterliebe sowie den Überlebenswillen speziell der Kinder. Auch kurze traumatische Erinnerungen an den Tschetschenienkrieg werden eingestreut, um den biographischen Hintergrund bewusst zu machen, vor allem aber will diese auch in den Nebenrollen stark besetzte Kindergeschichte Hoffnung machen und den Glauben wecken, dass mit dieser Hoffnung auch die Realität verändert werden kann.


Wird vom FKC Dornbirn am Mittwoch, den 24.3. und am Donnerstag, den 25.3 jeweils um 17.30 Uhr im Cinema Dornbirng gezeigt.


Trailer zu "Ein bisschen bleiben wir noch"



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