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  • AutorenbildWalter Gasperi

Drive-Away Dolls

Aktualisiert: 20. Apr.

Ethan Coens erster Spielfilm ohne Mitarbeit seines Bruders Joel ist ein ziemlich durchgeknalltes Roadmovie um zwei lesbische junge Frauen, die in einem Wagen mit einem Koffer und einer Hutschachtel unterwegs sind, hinter denen auch zwei nicht besonders intelligente Gangster her sind: Die Geschichte ist alles andere als originell, aber spielfreudige Schauspieler:innen, schräge Figuren, pointierte Dialoge und die unbekümmert-lustvolle Inszenierung sorgen für unterhaltsame 84 Minuten.


Der Auftakt gibt schon den Ton von "Drive-Away Dolls" vor, mit dem Ethan Coen nach dem Dokumentarfilm "Jerry Lee Lewis": Trouble in Mind" (2002) sein Solodebüt als Spielfilmregisseur vorlegt. Während sein Bruder Joel sich mit dem meisterhaften "The Tragedy of Macbeth" (2021) der Hochkultur widmete, zeigt Ethan von Beginn an seine Lust am trashigen B-Movie.


Gewalt und Sex stehen auf dem Programm, wenn einerseits in einer dunklen Seitenstraße ein Mann mit Koffer brutal ermordet wird und auf der anderen Seite die junge Jamie (Margaret Qualley) lesbischen Sex genießt. Wie Ethan Coen, der das Drehbuch gemeinsam mit seiner Frau Tricia Cooke schrieb, die hier auch wie bei vielen Filmen der Coens seit "Miller´s Crossing" (1990) für den Schnitt verantwortlich zeichnet, diese Szenen nicht nur kurz andeutet, sondern lustvoll breit ausspielt, deutet schon die Stoßrichtung dieses wilden Mix an.


Als Jamie von ihrer Ex-Freundin vor die Tür gesetzt wird, schließt sie sich der jungen Marian (Geraldine Viswanathan) an, die statt mit einem teuren Mietwagen mittels Auto-Überführung von Philadelphia zu ihrer Tante nach Tallahassee, Florida fahren will. Versehentlich wird ihnen aber im Büro ein Wagen übergeben, den eigentlich zwei Gangster abholen sollten. Im Kofferraum befinden sich nämlich ein Koffer und eine Hutschachtel mit brisantem Inhalt.


Witz entwickelt "Drive-Away Dolls" durch das obligate ungleiche Duo. Denn während Jamie ständig auf Sex aus ist und auf der Reise ihre Leidenschaft nicht nur mit einer Mannschaft von Fußballspielerinnen ausleben will, widmet sich die schüchterne oder sogar verklemmte Marian lieber Henry James´ Roman "Die Europäer". Von ihrer brisanten Ladung wissen sie lange nichts, doch langsam kommen ihnen die Gangster näher.


Weitere Reibungen ergeben sich so aus dem Gegensatz der beiden Frauen und den brutalen, aber etwas trotteligen Gangstern, aber auch verspielte psychedelische Traumsequenzen fehlen nicht. Dazu kommt der geheimnisvolle und schließlich überraschende Inhalt der Hutschachtel und des Koffers, mit dem Coen und Cooke einerseits Robert Aldrichs Film noir "Kiss Me Deadly – Rattennest" ihre Reverenz erweisen, andererseits schließlich für anarchischen Witz sorgen.


Denn mit dem Inhalt des Koffers rechnen Coen / Cooke auch mit einem heuchlerischen republikanischen Politiker (Matt Damon) ab und stellen diesem die freigeistige und das Leben in vollen Zügen genießende Marian gegenüber. Aber auch in der Lust an Sex und drastischen Gewaltszenen, die an die Filme Quentin Tarantinos erinnern, weitet sich "Drive-Away Dolls" zu einer Absage ans familientaugliche und biedere US-Kino.


Bewusst trashig will dieses abgefahrene B-Movie mit seiner Groschenroman-Story, die auch in Kontrast zu den Anspielungen auf Klassiker der US-Literatur wie Henry James und John Steinbecks "Of Mice and Men" steht, und mit dem Mix aus lesbischem Sex und Gewalt sein. Lässt man sich auf dieses Spiel aber ein, bieten Coen / Cooke mit ihrer unbekümmert-lustvollen Inszenierung, einem spielfreudigen Ensemble und pointierten Dialoge unterhaltsame 84 Minuten.  


Gespannt sein darf man nun, ob das, wie angekündigt, wirklich nur der Auftakt einer "Lesbischen B-Movie-Trilogie" ist und noch zwei weitere Filme um Jamie und Marian folgen werden.

 

 

Drive-Away Dolls USA 2024 Regie: Ethan Coen mit: Margaret Qualley, Geraldine Viswanathan, Beanie Feldstein, Colman Domingo, Joey Slotnick, C. J. Wilson Länge: 84 min.


Läuft derzeit in den Kinos, z.B. Cineplexx Hohenems, Kino GUK Feldkirch (teilweise in O.m.U.), Skino Schaan (O.m.U.)


Trailer zu "Drive-Away Dolls"



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