Paradiesische Welten wecken immer den Verdacht, dass dahinter Abgründe lauern. Dies ist auch in Olivia Wildes zweitem Spielfilm der Fall, in dem visuell brillant eine 1950er Jahre Vorstadt-Idylle beschworen wird, bis eine der Ehefrauen Zweifel zu hegen beginnt.
Gerüchte über eine Affäre zwischen Regisseurin Olivia Wilde und dem Popstar Harry Styles, der die männliche Hauptrolle spielt, sowie angeblich ein weit überhöhtes Honorar für Styles im Verhältnis zur Gage der weiblichen Hauptdarstellerin Florence Pugh, haben schon vor der Premiere für mehr Medienecho gesorgt als der Film an sich. Verstecken muss man Wildes nach der originellen Highschool-Komödie "Booksmart" zweiten Film aber sicher nicht.
Mit viel Liebe zum Detail und prächtiger Ausstattung beschwört die 38-jährige Amerikanerin zusammen mit Kameramann Matthew Libatique und der Production Designerin Katie Byron von der ersten Einstellung an eine geradezu paradiesische Vorstadtwelt der 1950er Jahre:
Partys werden gefeiert, Cocktails am Pool getrunken, makellos sind Häuser und Gärten.
Dazu intensivieren Pastellfarben und zeitgenössische Popsongs nicht nur mit ihrer sanften Tonlage, sondern auch mit Texten wie "Life could be a dream" die heiter-traumhafte Stimmung. Die Männer fahren am Morgen mit schnittigen Autos zu einer streng geheimen Arbeit, über die sie nichts erzählen dürfen. Die Frauen widmen sich dem Kochen, dem Garten oder einem Tanzkurs. Auffallend ist aber, dass nur ein Paar Kinder hat.
Alles scheint in dieser Victory genannten Community, die vom scheinbar visionären und charismatischen CEO Frank (Chris Pine) gegründet wurde, eitel Wonne. Frank beschwört in seinen Reden einerseits die Perfektion der Community, andererseits erinnern seine Motivationsreden, in denen die Bewohner*innen auf Einigkeit eingeschworen werden, auch an manipulative Techniken totalitärer Systeme. Vorbild für diese Figur soll der konservative kanadische klinische Psychologe Jordan Peterson gewesen sein.
Ein ideales glückliches Paar scheinen in dieser Welt auch Alice (Florence Pugh) und Jack (Harry Styles) zu sein. Doch langsam stellen sich bei Alice Irritationen ein. Verstörend leer sind so die Eier, die sie aufschlägt, und nachts brechen in Alpträumen kurze schwarzweiße Bilder von Tänzerinnen auf sie herein. Genauer beginnt sie hinzublicken, hinterfragt, wieso das Verlassen der von einer Wüste umgebenen Siedlung strikt verboten ist und wieso eine Nachbarin, die Kritik an dieser Welt übt, bald große Probleme bekommt.
Wie im Dokumentarfilm "The Bubble", in dem Einblick in die scheinbar heile Welt einer Seniorenresidenz in Florida geboten wird, bekommt hier die Fassade dieses Paradieses aus der Perspektive von Alice zunehmend Risse. Der perfekte äußere Schein bleibt zwar gewahrt, doch das Zwanghafte und die Kontrollmechanismen dieser abgeschlossenen Welt, aus der jedes Ausscheren verboten ist, treten zunehmend zu Tage und nicht anders als der Protagonist in Peter Weirs "Truman Show", der von Geburt an in der Welt einer Reality-Show aufgewachsen ist, beginnt Alice die Echtheit dieser Welt zu hinterfragen.
Vom Verhindern eines Ausbruchs aus dieser Welt bis zu ihrer Abgeschlossenheit erinnert dabei vieles an Weirs Meisterwerk, doch Wildes Stoßrichtung ist freilich eine ganz andere. Im Gegensatz zum philosophisch tragikomischen Ton Weirs setzt sie auf ernstere Töne und erzeugt mit irritierenden Beobachtungen und Sounddesign eine zunehmend beunruhigende Stimmung.
Etwas zu viel Zeit lässt sich der Film dabei vielleicht bei der Beschwörung der 1950er Jahre Welt und der Steigerung der Irritationen, bis die düsteren Hintergründe aufgedeckt werden. Nicht zu viel wird verraten, wenn man preisgibt, dass er hier schließlich um Schein und wahres Leben und um die Rolle der Frau geht.
Denn das Paradies, das Frank geschaffen hat, ist eine konservative Männerwelt, in der zwar alle frei von Sorgen sind, aber die Frauen auch nichts zu sagen haben und auf Haushalt und Rolle als Ehefrau reduziert werden. So wirft "Don´t Worry Darling" auch die Frage auf, ob so ein sorgenfreies Leben wirklich das Paradies und ob nicht Selbstbestimmung und Unabhängigkeit wichtiger sind.
Das ist visuell stark inszeniert und Florence Pugh brilliert ebenso als zunehmend zweifelnde und zerrissene Ehefrau wie Chris Pine als aalglatter und kühler CEO. Eher blass bleibt dagegen Harry Styles in der Rolle von Pughs Ehefrau. Mit seinen Schauwerten und dem Rätsel, das um die Hintergründe dieser heilen Welt aufgebaut wird, hält Wilde ihren Film aber locker über zwei Stunden am Laufen.
Mit der Fokussierung auf dem Geheimnis und dessen langsamer Klärung funktioniert "Don´t Worry, Darling" aber auch wie ein klassischer Whodunit: Kennt man die Lösung der Geschichte einmal, bleibt abgesehen von der visuellen Oberfläche und dem feministischen Akzent nur wenig übrig. So wird beim ersten Sehen zwar spannende Unterhaltung geboten, doch rückblickend erkannt man, dass hinter der prächtigen Verpackung recht wenig steckt und bei einer zweiten Sichtung - oder sonstigen Kenntnis der Lösung des Geheimnisses - dürfte sich rasch Langeweile einstellen.
Don´t Worry, Darling USA 2022 Regie: Olivia Wilde mit: Florence Pugh, Harry Styles, Chris Pine, Olivia Wilde, Gemma Chan, KiKi Layne Länge: 123 min.
Läuft derzeit in den Kinos
Trailer zu "Don´t Worry Darling"
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