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Don´t Look up

Autorenbild: Walter GasperiWalter Gasperi

Aktualisiert: 16. Jan. 2022


Zwei Astronomen berechnen einen Kometeneinschlag voraus, der alles Leben auf der Erde vernichten wird. Doch Politik, Medien und Bevölkerung nehmen ihre Warnung nicht ernst: Adam McKay legt eine sehr unterhaltsame, pechschwarze Satire vor, die mit Trump-Ära, den Medien und Wissenschaftsfeindlichkeit bissig abrechnet.


Auf der Höhe der Zeit ist Adam McKays von Netflix produzierte Satire. Wenn Menschen die Existenz des Kometen einfach leugnen, fühlt man sich unmittelbar an Corona-Leugner erinnert, auch Verschwörungstheorien, in denen das "Weltjudentum als Verursacher des erwarteten Komenteneinschlags" angegriffen wird, fehlen nicht.


Am Beginn stehen aber zwei Astronomen in Michigan. Große Freude herrscht zunächst, als die Doktorandin Kate Dibiasky (Jennifer Lawrence) einen neuen Kometen entdeckt, diese kippt aber in Entsetzen als Kates Professor Randall Mindy (Leonardo DiCaprio) auch nach mehrmaliger Berechnung der Flugbahn zum Ergebnis kommt, dass der Planet in sechs Monaten auf der Erde einschlagen und dort alles Leben vernichten wird.


Unbedingt müssen die Welt informiert und Rettungsmaßnahmen in Angriff genommen werden, doch US-Präsidentin Orlean (Meryl Streep) lässt die Astronomen warten, nimmt sich lieber Zeit für eine Geburtstagsfeier und will dann den Ernst der Lage nicht sehen. Wissenschaftler übertreiben ihrer Meinung nach nur. Außerdem stehen die Midterms, die Zwischenwahlen, vor der Tür. Weltuntergangsszenarien wirken sich da negativ aufs Wahlergebnis aus, wenn man nicht vorab einen perfekten Katastrophenplan präsentieren kann.


Auch in der Fernsehshow, in die die Astronomen eingeladen werden, will man keine negativen Nachrichten, sondern gute Stimmung verbreiten. Der smarte Randall darf gerne wiederkommen, doch Kate, der der Kragen platzt und die Klartext über die drohende Katastrophe spricht, wird als psychisch krank dargestellt und bald kursieren zahlreiche verzerrende Memes von ihr.


Schließlich wird zwar doch der Versuch gestartet mit Raketen den Kometen abzuschießen, und im Stil klassischer Katastrophenfilme, die auch parodiert werden, wird ein "echter amerikanischer Held" in den Weltraum geschossen. Doch das Unternehmen wird abgebrochen, als ein Handy-Entwickler, der unübersehbar von Steve Jobs und Elon Musk inspiriert ist, entdeckt, dass sich auf dem Kometen zahlreiche wertvolle Metalle befinden. Er bringt als neuen Vorschlag ins Spiel, den Kometen mit Hilfe seiner Drohnen zu zerkleinern und so zu entschärfen, gleichzeitig aber die wertvollen Mineralien zu sichern.


Wie Stanley Kubricks Satire "Dr. Seltsam" kurz nach der Kuba-Krise mit einem Atomkriegs-Szenario auf der Höhe der Zeit war – es aber auch immer noch ist -, so ist "Don´t Look up" auf der Höhe des Jahres 2020. Wenig muss hier überzeichnet werden, es reicht der Gesellschaft mit einem lustvoll aufspielenden Starensemble von Leonardo Di Caprio und Jennifer Lawrence über Meryl Streep und einem herrlichen Mark Rylance als Handy-Guru bis zu Cate Blanchett und Jungstar Timothée Chalamet den Spiegel vorzuhalten, um den Irrsinn aufzudecken. Und was als Kommentar zum Umgang mit dem Klimawandel angelegt war, gewinnt durch den realen Umgang mit der Corona-Pandemie zusätzliche, ebenso treffende wie beunruhigende Aktualität.


Witz versprüht die pechschwarze Satire auch im Detail, wenn ein General beim Warten auf die Präsidentin Gratissnacks an die Astronomen teuer verkauft oder sich die Prophezeiung des Handy-Gurus bezüglich des Todes der Präsidentin im Epilog auf seltsame Art erfüllt.


Im Zentrum steht aber die Abrechnung mit der Welt von heute. Mit den beiden Astronomen als Trägerfiguren und ihrer beunruhigenden Entdeckung führt McKay das Publikum durch den Film und kann die unterschiedlichsten Aspekte ins Spiel bringen. Social Media, in denen permanent Banalitäten gepostet werden, sodass wichtige Nachrichten nicht mehr von Unwichtigem unterschieden werden können, werden ebenso mit Spott überschüttet wie TV-Sendungen, die lieber über Trennung und Wiedervereinigung eines von der Sängerin Ariana Grande gespielten Popsternchens und ihres Liebhabers als über den drohenden Weltuntergang berichten. Auch wie die unterschiedlichen Positionen die Gesellschaft spaltet, zeigt der Amerikaner bissig auf, wenn dem "Look up" der Astronomen die Politik mit einem "Don´t Look up" als Verdrängungsstrategie gegenübergestellt wird und bald auch Plünderungen und Demonstrationen einsetzen.


An Kubricks "Dr. Seltsam" orientiert sich McKay dabei auch mit dem Ende. Hoffnung auf Einsicht der Entscheidungsträger und des Volkes hat er keine, zeigt aber in einem Epilog auch, dass es sich die Superreichen und Mächtigen - wie sie es auch in "Dr. Seltsam" planten - wieder richten werden.


Für Subtilität und Differenziertheit ist freilich angesichts der Fülle der Aspekte kein Platz. Ausgelotet wird hier kein Thema, vielmehr brettert McKay mit hohem Tempo über alles drüber und übersättigt das Publikum damit fast, aber höchst unterhaltsam ist dieser fast zweieinhalbstündige Rundumschlag mit seiner Realitätsnähe, seinen treffenden Szenen und der Pointendichte auf jeden Fall.


Läuft derzeit in den Deutschen und Schweizer Kinos, z.B. im Skino Schaan


Trailer zu "Don´t Look up"



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