52 Jahre nach dem Welterfolg "Ein Mann und eine Frau" führt Claude Lelouch das damalige Liebespaar nochmals zusammen. – Das melancholische Spiel mit Einst und Jetzt schenkt Anouk Aimée und Jean-Louis Trintingant zwei große Rollen.
Neben der Goldenen Palme und zwei Oscars brachte der Liebesfilm "Ein Mann und eine Frau" Claude Lelouch 1966 auch einen weltweiten Publikumserfolg. Neben den Hauptdarstellern Jean-Louis Trintignant und Anouk Aimée, die einen Rennfahrer und ein Scriptgirl beim Film spielen, deren große Liebe schließlich zerbricht, trug dazu sicherlich nicht unwesentlich auch die Titelmusik von Francis Lai bei.
Schon 1985 hatte Lelouch mit Trintignant und Aimée eine Fortsetzung gedreht ("Ein Mann und eine Frau – 20 Jahre später"), nun widmet er sich in seinem 49. Film, den er unter anderem dem 2018 verstorbenen Francis Lai gewidmet hat, nochmals der Beziehung von Anne Gauthier und Jean-Louis Duroc.
Der ehemalige Rennfahrer sitzt inzwischen aber in einem exklusiven Seniorenheim im Rollstuhl. Langsam zoomt die Kamera durch die Gruppe der Insassen, die mit einer Fragestunde zur Geschichte der letzten 50 Jahre ihr Gedächtnis trainieren, auf das Gesicht des hinten sitzenden Duroc. Abwesend wirkt der alte Mann, dessen Haar schütter und dessen Gesicht von Altersflecken übersät ist. Nur an seine einstige Geliebte Anne erinnert er sich immer wieder, während er ständig vergisst, was es zu Mittag zum Essen gab oder man ihm vor fünf Minuten sagte.
So macht sich sein Sohn Antoine (Antoine Sire, der schon in "Ein Mann und eine Frau" den Sohn spielte) auf, um diese Anne aufzuspüren. Er findet sie in einem Dorf, in dem sie mit ihrer Tochter, die wie schon vor 52 Jahren von Souad Amidou gespielt wird, und ihrer Enkelin lebt. Zögerlich reagiert sie auf die Bitte Antoines Jean-Louis zu besuchen, erklärt sich dann aber doch dazu bereit. Jean-Louis aber erkennt sie nicht oder gibt vor sie nicht zu erkennen, als sie sich im Park des Heims zu ihm setzt, doch rasch ist ein blindes Verstehen da.
Der Höhepunkt des Films ist dieses 19-minütige, in Echtzeit gedrehte Gespräch. Ganz auf die Gesichter konzentriert sich Lelouch, arbeitet mit konventionellem Schuss-Gegenschussverfahren, doch mühelos tragen Aimée und Trintignant die Szene. In jedem Blick, in jeder Dialogzeile ist tiefe Melancholie spürbar. Bald scheint Erinnern beim dementen Jean-Louis aufzuflackern, aber dennoch muss Anne sich ihm bei jedem weiteren Besuch neu vorstellen.
Wunderbar zärtlich und voll Empathie blickt Lelouch auf dieses Duo. Gesteigert wird die Melancholie dabei noch dadurch, dass er "Die schönsten Jahre eines Lebens" mit "Ein Mann und eine Frau" in Dialog treten lässt. Immer wieder schneidet er schwarzweiße Innen- und farbige Außenszenen aus dem alten Klassiker in den neuen Film und macht, indem er den jungen Liebenden die gealterten Hauptdarsteller gegenüberstellt, das Vergehen der Zeit schmerzlich erfahrbar.
Und dennoch ist dies kein pessimistischer Film, denn warme Sommerstimmung verbreitet hier ebenso Optimismus wie die Sanftheit der beiden Protagonisten und die von Humor durchzogenen Träume, in denen Jean-Louis mit Anne und ihrem 2CV aus dem Seniorenheim ausbricht.
Da verzeiht man Lelouch auch, dass diese Szenen sehr fernsehhaft und steril inszeniert sind, ein Kurzauftritt von Monica Bellucci als Jean-Louis Tochter völlig in der Luft hängt und auch Ausschnitte aus dem Kurzfilm "C’était un rendez-vous“ (1976) mit einer rasenden Autofahrt durchs frühmorgendliche Paris mehr Füllmittel als dramaturgisch ergiebig sind.
Von den beiden Stars und der nostalgischen Erinnerung nicht nur an ihre Geschichte, sondern auch an Lelouchs Klassiker lebt diese Wiederbegegnung, bringt dessen Schauplätze wie ein Hotelzimmer in Deauville, in dem das Paar einst eine Nacht verbrachte, ebenso ins Spiel wie ihre beiden Kinder, die einst das gleiche Internat besuchten und sich im Hintergrund nun näher kommen.
Nicht das Gefühl, dass die schönsten Jahre schon vorbei sind, will Lelouch dabei vermitteln, sondern entsprechend dem Zitat von Victor Hugo, das dem Film vorangestellt ist, dass die schönsten Jahre immer die sind, die man noch nicht gelebt hat. Gefeiert wird so die Gegenwart und die Intensität des Augenblicks bis hin zum wohl wiederum nur geträumten Schlussbild eines leuchtenden Sonnenuntergangs am Strand von Deauville.
Das ist so kitschig und sentimental wie es schon Lelouchs Erfolgsfilm war und dennoch fühlt sich das nie kalkuliert an, sondern aufgrund des warmherzigen Blicks des 83-jährigen Regisseurs und des großartigen Spiels von Aimée und Trintignant, bei denen Rolle und Person zu verschmelzen scheinen, immer echt und berührend.
Läuft ab 24.7. in den österreichischen Kinos - z.B. im Cinema Dornbirn
Trailer zu "Die schönsten Jahre eines Lebens"
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