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  • AutorenbildWalter Gasperi

Die schönste Zeit unseres Lebens - La belle époque


Mit Hilfe einer Firma, die reichen Kunden in einem Filmstudio eine Zeitreise in ihre Lieblingszeit anbietet, will der missmutige alte Victor nochmals den Tag erleben, an dem er die Liebe seines Lebens kennenlernte. – Mit einem bestens aufgelegten Starensemble und einfallsreicher Inszenierung gelang Nicolas Bedos eine ebenso leichthändige wie schwungvolle Komödie.


Unerträglich ist der alte Victor (Daniel Auteuil) für seine Mitmenschen. Wenn er beim Abendessen mit Freunden nicht gerade herumnörgelt, langweilt er sich nur oder schläft sogar ein. Während der ehemalige Comiczeichner mit Errungenschaften wie Smartphone und Computer nichts zu tun haben will, ist seine Frau Marianne (Fanny Ardant) neugierig und dem Neuen gegenüber aufgeschlossen.


Victors permanenter Missmut hat sie schon in eine Affäre mit seinem besten Freund getrieben, doch eines Abends platzt ihr endgültig der Kragen und sie setzt ihren Mann kurzerhand vor die Tür. Um Victor aufzumuntern, schenkt ihm sein Sohn einen Gutschein für die Firma „Time Travellers“. Diese ermöglicht es reichen Kunden in einem perfekt eingerichteten Filmstudio und mit zahlreichen Komparsen einen beliebigen Tag in ihrem Leben oder auch in anderen Zeiten (nochmals) zu erleben.


Marie Antoinette kann man so in der Inszenierung ebenso treffen wie Hitler, Victor aber möchte den 16. Mai 1974 nochmals genießen, hat er an diesem Tag doch seine Frau kennengelernt. Bei einem Tag bleibt es dabei aber nicht, denn Feuer und Flamme ist er rasch für die junge Version seiner Marianne (Dora Tillier) und bald verschwimmen für ihn die Grenzen zwischen Realität und Inszenierung.


Von der ersten Szene an wirbelt Nicolas Bedos in seinem zweiten Spielfilm lustvoll die Zeitebenen durcheinander. Unwichtig für die Handlung sind zwar die historischen Szenen in der höfischen Gesellschaft oder während des Dritten Reichs, sorgen aber für hinreißenden Witz. Sprühender Einfallsreichtum geht hier vor Stringenz.


Im Zentrum steht aber die Zeitreise ins Jahr 1974, die gleichzeitig immer wieder mit punktgenauem Schnitt mit der Gegenwart, aber auch mit dem Beziehungsproblem des Regisseurs der Zeitreisen mit seiner Hauptdarstellerin verschränkt wird.


Der in vorwiegend kaltes Licht und kalte Farben getauchten Gegenwart stellt Bedos so das ganz in warme Gelb- und Brauntöne getauchte Jahr 1974 gegenüber. Mit ebenso liebevoller wie detailreicher Ausstattung wird nicht nur diese Zeit zum Leben erweckt, sondern auch mit Witz und Esprit werden auch die gesellschaftlichen Unterschiede vor Augen geführt, wenn im Restaurant geraucht, bei Partys gekifft wird und Gruppen sich zum gemeinsamen Sex in Zimmer zurückziehen. So nostalgisch der Blick zurück ist, so wird doch Marianne am Ende diese positive Sicht der 1970er Jahre relativieren, wenn sie auch die Defizite dieser Zeit anspricht.


Parallel zum Spiel mit den Zeitebenen spielt Bedos aber auch lustvoll und brillant - sichtlich in der Nachfolge von Peter Weirs „Truman Show“ - mit Realität und Inszenierung. Da unterhält sich Margot eben nicht nur in ihrer Rolle mit Victor, sondern gleichzeitig über Ohrknopf auch mit ihrem Regisseur und Noch- oder schon Ex-Freund. Einfallsreich wird dieses Spiel immer weiter getrieben, bis sich das alte Paar selbstverständlich wieder finden wird.


Großen Flow entwickelt „Die schönste Zeit unseres Lebens“ nicht nur durch die ebenso dichte wie leichthändige Verschränkung der verschiedenen Ebenen, sondern auch durch den großartigen Soundtrack. Sichtlich Leidenschaft und Herzblut stecken in diesem Film, vertrauen kann Bedos dabei auch auf ein bestens gelauntes und groß aufspielendes Star-Ensemble. An ihre eigenen Anfänge in den 1970er Jahren scheinen sich Daniel Auteuil und Fanny Ardant mit diesen Rollen zu erinnern und bringen viel Melancholie in diese Komödie. Und auch der Zuschauer kann in der groß aufspielenden und mit ihrem Charme begeisternden Doria Tiller eine neue Ardant - oder eben die Ardant der Truffaut-Filme - entdecken.


Mit Altern und Vergänglichkeit, mit Beziehungsproblemen, die es in allen Lebensphasen geben kann, und der Suche nach dem Lebensglück sowie dem Spannungsfeld von Realität, geschönten Erinnerungen und Inszenierung schneidet Bedos gewichtige Themen an, doch durch die schwungvolle und vor Esprit sprühende Inszenierung bewahrt diese Komödie immer ihre Leichtigkeit und ihren Charme: Unbeschwertes Kinovergnügen, das zwar zum Nachdenken anregen kann, aber vor allem Lebensfreude verbreitet, wird hier geboten, sodass der Zuschauer am Ende lächelnd und fast schwebend das Kino verlässt.


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Trailer zu "Die schönste Zeit unseres Lebens - La belle époque"



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