Die Wahl zur Miss World 1970 in London befeuerte die britische Frauenbewegung und gilt als Auslöser des entschlossenen Kampfs gegen Sexismus und für Gleichberechtigung. – Das Thema ist stark, aber der Philippa Lowthorpes Regie fehlt es an Prägnanz und Biss, um für einen wirklich packenden Film zu sorgen.
Fest verankert ist im Jahr 1970 die Herrschaft der Männer. Wenig Verständnis haben die Professoren, bei denen sich Sally Alexander (Keira Knightley) für einen Studienplatz an der Historischen Fakultät der Londoner Uni bewirbt dafür, dass sie geschieden ist und sich ihr neuer Partner um ihr Kind kümmern soll, sooft sie die Uni besucht. Dennoch wird sie aufgenommen.
Vom "Women´s Liberation Movement", dessen Mitglieder sich in einem halbverfallenen Haus versammeln und mit Flugblättern und Schmierereien auf die Benachteiligung der Frau und die ungebrochene Herrschaft der Männer aufmerksam machen will, hält sie zunächst wenig. Sie glaubt, dass sie mehr verändern kann, wenn sie einen Platz am Tisch der Männer erobert und damit mitreden kann. Doch als sie auch an der Uni Sexismus erlebt, schließt sie sich den Aktivistinnen um Jo Robinson (Jessie Buckley) an.
Gleichzeitig laufen die Vorbereitungen zur Miss World, die bald zum Ziel der "Women´Liberation Movement" wird. Gerade weil die Veranstaltung mit 100 Millionen TV-Zuschauern mehr Menschen als die erste Mondlandung erreicht, soll mit Protestaktionen auf die mit einem Viehmarkt vergleichbare Reduktion der Frau auf ihren Körper und den Sexismus solcher Veranstaltungen aufmerksam gemacht werden. Empört machen die Aktivistinnen ihrer Wut mit dem Slogan "We are not beautiful, we are not ugly: We are angry" Luft.
In Parallelmontage folgt Philippa Lowthorpe den Treffen der Frauen, den Vorbereitungen der Misswahl durch den Organisator Eric Morley (Rhys Ifans) und seiner Frau Julia (Keeley Hawes) sowie dem US-Komiker Bob Hope (Greg Kinnear), der die Show moderieren soll. Genüsslich deckt Lowthorpe den Sexismus von Morley und Hope auf, ein netter Sidekick ist Hopes Frau, die nur noch Spott für ihren Mann übrig hat. Das ist trefflich gespielt und durchaus solide inszeniert, doch es fehlt der entscheidende Biss im Blick auf diese Machos.
Dies gilt auch für die Schilderung der Frauenbewegung und des Familienlebens von Sally. Da wird zwar mit Sallys Mutter als Gegenpol eine duldende ältere Generation von Frauen präsentiert und mit ihrer kleinen Tochter aufgezeigt, wie durch die TV-Bilder der Miss-Wahl alte Rollenbilder schon früh eingeimpft und prolongiert werden, aber auch hier fehlt es an Prägnanz, die diesen Szenen Nachdruck verleihen könnte.
Man spürt in der biederen und einfallslosen Inszenierung Lowthorpes Herkunft vom Fernsehen. Sie spannt durch die multiperspektivische Erzählweise zwar einen weiten Bogen, zeigt mit Archivmaterial von der Truppenbetreuung im Vietnam-Krieg auch die Instrumentalisierung einer Siegerin der Miss World-Wahl auf, und bringt auch die Apartheid in Südafrika und die weitgehende Beschränkung auf weiße Teilnehmerinnen bei der Miss Wahl ins Spiel, aber nichts wird wirklich mit Leben erfüllt.
Ganz unterhaltsam, aber nie wirklich mitreißend plätschert "Die Misswahl" so dahin, evoziert mit vielen Details von Kostümen bis zu den Schwarzweiß-Fernsehern die Stimmung der Zeit, entwickelt aber weder echte dramatische noch komödiantische Kraft. Ziemlich lau fällt so auch der Frauenprotest bei der feierlichen Miss Wahl in der Royal Albert Hall aus, der ja eigentlich der Höhepunkt sein sollte. Brav bebildert Lowthorpe die historisch verbürgten Ereignisse, aber nichts verdichtet sie, nichts spitzt sie zu, sodass dadurch auch kleine Ereignisse explosive Kraft und nachhaltige Wirkung entwickeln könnten.
Wichtig ist dieser Film zweifellos im Aufdecken patriarchaler Strukturen und deren Weiterleben, gleichwohl lässt er auch immer das Gefühl zurück, dass man aus diesem Stoff viel mehr hätte machen können oder müssen. Bezeichnend für die Schwäche von "Die Misswahl - Der Beginn einer Revolution" ist, dass der Nachspann mit Fotos der realen Frauen und Hinweis auf ihren weiteren Werdegang den stärksten Eindruck hinterlässt.
Läuft derzeit in den österreichischen Kinos. - z.B. im Cinema Dornbirn und ab 15.10. in den Schweizer Kinos
Trailer zu "Die Misswahl - Der Beginn einer Revolution" ("Misbehaviour")
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