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La petite dernière – Die jüngste Tochter

  • Autorenbild: Walter Gasperi
    Walter Gasperi
  • vor 2 Stunden
  • 3 Min. Lesezeit
"La petite dernière – Die jüngste Tochter": Ein Teenager, zerrissen zwischen muslimischer Tradition und queeren Sehnsüchten
"La petite dernière – Die jüngste Tochter": Ein Teenager, zerrissen zwischen muslimischer Tradition und queeren Sehnsüchten

Die 17-jährige Fatima ist gläubige Muslima, wird sich aber auch zunehmend ihrer Homosexualität bewusst: Getragen von der in Cannes als beste Schauspielerin ausgezeichneten Nadia Melliti zeichnet Hafsia Herzi in ihrer Verfilmung von Fatima Daas autobiographischem Debütroman ein feinfühliges und differenziertes Porträt der Belastung und der Zerrissenheit des Teeangers zwischen queeren Sehnsüchten und muslimischen sowie familiären Traditionen.


Zunächst sieht man die 17-jährige Fatima nur von hinten, während sie sich nach islamischem Ritual wäscht, ehe sie im Hidschab in einem Zimmer der in einem Pariser Vorort gelegenen Wohnung der französisch-algerischen Familie betet. Gläubig ist Fatima zwar, führt aber gleichzeitig auch das ganz normale Leben eines westlichen Teenagers. Sie spielt im Hof Fußball, wenn auch allein, scherzt im Gymnasium mit ihren Mitschüler:innen herum, die offen über ihre sexuellen Erlebnisse sprechen, ist eine gute Schülerin und möchte nach der Matura Philosophie studieren.


Hautnah folgt die Kamera von Jérémie Attard der von der Debütantin Nadia Melliti intensiv gespielten Protagonistin. Es gibt kaum Totalen, sondern es dominieren Großaufnahmen und nahe Einstellungen, die eine große Nähe zu den Figuren und Intimität herstellen. Lesen kann man so immer wieder vor allem in Mellitis Gesicht, in dem Fatimas Belastung und Zerrissenheit bewegend sichtbar werden. Kaum einmal lächelt sie, sondern blickt meist bedrückt und zieht ihr Baseballcap tief ins Gesicht, um ihre Gefühle zu verbergen.


Dabei herrscht in der Einwandererfamilie zwischen Vater, Mutter und Fatimas zwei älteren Schwestern ein liebevoller Umgang. Kräftige warme Farben vermitteln die herzliche Atmosphäre auch über die Bildebene. Unsicher verhält sie sich dagegen gegenüber ihrem Freund, mit dem sie sich heimlich trifft. Auch diesen sanften und fürsorglichen Teenager, der keinen Druck auf seine Freundin ausübt, zeichnet Herzi feinfühlig und warmherzig. Doch Fatima wird sich zunehmend klar, dass sie die Beziehung nicht fortführen will.


Tritt sie sonst zurückhaltend und schüchtern auf, reagiert sie äußert heftig, als ein homosexueller Mitschüler, der in der Schule gemobbt wird, sie als Lesbe bezeichnet. Sie schlägt nicht nur auf ihn ein, sondern zerbricht auch gezielt seine Brille, will aber im Grunde damit nur übertünchen, dass sie sich durchschaut fühlt.


Doch der Stress der Verheimlichung ihrer sexuellen Orientierung zeigt auch physische Auswirkungen, wenn die Asthmatikerin vermehrt unter Anfällen leidet. Über eine App datet sie zwar Frauen, führt mit der ersten aber nur ein Gespräch im Auto und verheimlicht mit falschen Angaben zu ihrem Namen und ihrer Herkunft ihre Identität. Erst als sie eine aus Korea stammende Krankenschwestern (Park Ji-min) kennenlernt, entwickelt sich eine Liebe...


Gelöst mag Fatima so bei einer Pride-Parade mitziehen oder später bei einer Party in einem Lesben-Club tanzen, doch weiterhin leidet sie unter Schuldgefühlen wegen des islamischen Verbots gleichgeschlechtlicher Liebe und wagt auch nicht ihrer Mutter von ihrer Liebe zu Frauen zu erzählen.


Einer Vorlesung, in der der Professor über Emanzipation aus Abhängigkeiten referiert, steht ein Besuch beim Imam gegenüber, der lesbische Liebe rigoros verurteilt, auch wenn diese weniger schlimm als männliche Homosexualität sei, da es zu keiner Penetration komme. Hart prallen die Gegensätze aufeinander, wenn Herzi direkt auf eine erotische Szene, den Besuch in der Moschee schneidet.


Gleichzeitig vermittelt dieser scharfe Kontrast eindrücklich die Pole in Fatimas Leben, während der Film selbst mit lustvollen Disco-Szenen und der Lebensfreude bei der Pride-Parade Diversität feiert und für Offenheit und Toleranz plädiert. Im Gegensatz zu anderen Filmen gibt es hier aber keinen gesellschaftlichen Druck auf die Protagonistin, sondern ihre bedrückende Situation resultiert einzig aus ihrer inneren Zerrissenheit zwischen Glauben und Sehnsucht nach Selbstfindung.


Mit Inserts spannt die 39-jährige Regisseurin, die als Schauspielerin mit Abdellatif Kechiches "Couscous mit Fisch" (2007) bekannt wurde, in ihrem dritten Spielfilm die Handlung über die vier Jahreszeiten von einem Frühling bis zum nächsten Frühling. Der große zeitliche Rahmen verstärkt das Gefühl für den anhaltenden Druck, der auf Fatima lastet, ebenso wie die konsequente Fokussierung auf ihrer Situation. Herzi dramatisiert dabei nicht, zeichnet aber in vielen präzisen und auch dank des starken Ensembles emotional dichten Szenen ein ebenso eindrückliches wie mitfühlendes Bild dieser Zerrissenheit.


Auch ein heftiger Alptraum, der wieder in einen Asthmaanfall mündet, fehlt nicht und auch am Ende wird keine einfache Lösung geboten, sondern die Zuschauer:innen werden mit einem offenen, aber tendenziell hoffnungsvollen Schluss entlassen.

 

 

La petite dernière – Die jüngste Tochter

Frankreich / Deutschland 2025

Regie: Hafsia Herzi

mit: Nadia Melliti, Park Ji-min, Amina Ben Mohamed, Melissa Guers, Rita Benmannana, Razzak Ridha

Länge: 106 min.



Läuft jetzt in den Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen.

FKC Dornbirn im Cinema Dornbirn: Mi 7.1., 18 Uhr + Do 8.1., 19.30 Uhr Kinothek extra in der Kinothek Lustenau: Mo 12.1., 18 Uhr + Mi 21.1., 20 Uhr LeinwandLounge in der Remise Bludenz: Mi 4.2., 19 Uhr TaSKino Feldkirch im Kino GUK: Mo 2.2. bis Fr 6.2.



Trailer zu "La petite dernière - Die jüngste Tochter"


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