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Der wilde Roboter – The Wild Robot

Autorenbild: Walter GasperiWalter Gasperi

Mit der Verfilmung von Peter Browns 2016 erschienenem Roman beweist Chris Sanders wieder einmal, was im Animationsfilm heute möglich ist: Temporeiche Erzählweise, großer Einfalls- und Detailreichtum in der visuellen Gestaltung und eine berührende, zutiefst menschliche Geschichte sorgen für ein Kinoerlebnis, das Menschen jeden Alters begeistern kann


Unvermittelt setzt "Der wilde Roboter" ein: Ein Paket mit einem Haushaltsroboter ist auf einer abgeschiedenen Insel gestrandet. Ein Fremdkörper ist diese Metallmaschine in der unberührten, nur von Tieren bewohnten Natur. Schon hier demonstriert Chris Sanders die Liebe zum Detail mit der Schilderung der vielfältigen Fauna von Biber über Stinktier, Dachs, Stacheltier und Elch bis zum mächtigen Bär und einem herrlich rotbraunen Fuchs.


Für diese Tiere ist der Roboter ein Monster, vor dem die einen flüchten, während es die anderen töten wollen. Die Zuschauer:innen schließen den herzensguten Rozzum 7134, kurz Roz, aber rasch ins Herz, sucht er, entsprechend seiner Programmierung, doch nur einen Besitzer und will nur Aufträge erfüllen. Letzteren findet er mit der Entdeckung eines frisch geschlüpften Gänsekükens, dessen Familie bei einem Unfall ums Leben gekommen ist.


Überfordert ist Roz am Beginn mit dieser Aufgabe, ist er für die Mutterrolle und die Erziehung eines Kükens doch nicht programmiert. Doch im Fuchs findet er rasch einen Unterstützer, auch wenn dieser zunächst naturgemäß im Küken zukünftige Nahrung sieht. So lehrt er den Roboter, wie er das Küken füttern muss, hilft ihm beim Schwimmtraining ebenso wie bei der Flugschulung.


Nicht nur ungemein temporeich ist die Erzählweise, die leichthändig Action und Witz mischt, sondern begeistert auch mit den leuchtenden Farben der grünen Wiesen und des roten Herbstwaldes sowie der Vielzahl der Tiere. Wie aber der Roboter in dieser Welt ein Außenseiter ist, so wird auch das Gänseküken von seinen Artgenossen aufgrund seines kleinen Wuchses ausgegrenzt und abgelehnt.


So erzählt "Der wilde Roboter", dessen Hauptfigur nicht nur in seinem Aussehen an den Protagonisten im Animationsfilm "Der Gigant aus dem All" (1999) erinnert, zunächst vom Ausbruch aus der Programmierung und von Lernfähigkeit. Denn rein mit Rationalität ist Roz bei der Erziehung des Kükens nicht geholfen, hier muss er schon Emotionalität entwickeln, die ihm im Grunde fremd ist. "Wild" meint hier folglich auch nicht aggressiv oder wütend, sondern vielmehr natürlich und nicht mehr kühl nach Programm oder Konditionierung handelnd, sondern nach dem Gefühl und dem Gewissen.


Gleichzeitig erzählt der Film im Kontakt des Duos mit seiner Umwelt aber auch von der langsamen Akzeptanz des Anderen, von Toleranz, Fürsorge und wachsender Freundschaft. Da erkennen die anderen Tiere langsam den Wert von Roz, während auch das Küken schließlich in die Schar seiner Artgenossen aufgenommen wird und lernt sich dort zu integrieren.


Außen vor bleiben rund eine Stunde lang die Menschen, die erst mit dem herbstlichen Aufbruch der Gänse in südliche Gegenden ins Spiel kommen. Ein düsteres Bild dieser Spezies zeichnet der Film, wenn auf einer Maisplantage Roboter die Gänse jagen.


Der von unberührter Natur bestimmten Insel wird dabei mit einer futuristischen Retortenstadt mit Beton- und Glasbauten eine kalte und rein technische menschliche Welt gegenübergestellt. Parallel dazu wird der grenzenlose Einsatz von Roz für die Tiere auf der Insel und der Zusammenhalt der gegensätzlichen Spezies in einer Notlage gefeiert. Problemlos lässt sich diese Botschaft als Aufforderung an die Menschheit zu Solidarität über nationale, ethnische und religiöse Gegensätze hinweg lesen.


Das enorme Erzähltempo, das am Beginn angeschlagen wird, hält Chris Sanders problemlos über 100 Minuten durch. Eine perfekt getaktete Kinomaschine ist das, bei der ständig die Szenen wechseln und sich neue Aufgaben für Roz, aber bald auch für seinen Schützling Brightbill einstellen. Sukzessive steigern sich dabei auch mit Hereinbrechen der Menschen und ihrer Technik die Gefahren, während gleichzeitig der Wert der Freundschaft intensiver, aber nie aufgesetzt belehrend herausgestrichen wird.


Neben der berauschenden visuellen Qualität, durch die einzelne Einstellungen immer wieder wie Gemälde wirken, und einen Detailreichtum, der auch bei wiederholtem Sehen stets neue Entdeckungen ermöglicht, begeistert "Der wilde Roboter" vor allem durch die Emotionalität, mit der der nicht menschliche Protagonist aufgeladen wird. Zutiefst berührt dieser Roboter mit seiner Herzensgüte, seiner Empathie und seinem grenzenlosen Einsatz für andere.


Wie hier mitreißende Kinounterhaltung und humanistische Botschaft Hand in Hand gehen, kann nicht nur in Kinder, sondern in gleichem Maße wohl auch Erwachsene begeistern und beim herzergreifenden Finale zu Tränen rühren.

  

 

Der wilde Roboter – The Wild Robot USA 2024 Regie: Chris Sanders Animationsfilm Länge: 102 min.



Läuft derzeit in den Kinos.


Trailer zu "Der wilde Roboter - The Wild Robot"





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