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Der Salzpfad - The Salt Path

  • Autorenbild: Walter Gasperi
    Walter Gasperi
  • 17. Juli
  • 4 Min. Lesezeit
"Der Salzpfad": Großartige Landschaftsaufnahmen und berührende Liebesgeschichte
"Der Salzpfad": Großartige Landschaftsaufnahmen und berührende Liebesgeschichte

Ein britisches Ehepaar bricht nach Verlust seines Hauses und einer niederschmetternden medizinischen Diagnose zu einer Wanderung auf dem etwa 1000 Kilometer langen South West Coast Path auf: Marianne Elliotts Verfilmung von Raynor Winns 2018 erschienenem, aber inzwischen umstrittenem Bestseller überzeugt mit undramatischer Erzählweise und großartigen Landschaftsaufnahmen.


Raynor Winns autobiographischer Bestseller "Der Salzpfad" wurde in 17 Sprachen übersetzt, doch im Zuge der Veröffentlichung des Films kam nun auch massive Kritik am Buch auf. Chloe Hadjimatheou stellte nämlich in der britischen Zeitung "The Observer" die Darstellung Winns in vielen Punkten in Frage.


So heiße das Paar in Wahrheit nicht Raynor und Moth Winn, sondern Sally und Tim Walker und dieses habe sein Haus nicht durch einen fiesen Jugendfreund verloren, sondern durch eigene Schulden. Das Paar sei auch nie obdachlos gewesen, sondern habe immer ein Haus in Frankreich besessen und auch an Moth Winns / Tim Walkers Erkrankung an der seltenen neurologischen Krankheit kortikobasale Degeneration (CBD) werden in dem Artikel Zweifel gehegt. – Winn freilich wehrte sich ausführlich gegen die Anschuldigungen.


Mag diese Diskussion auch dem Ansehen der Autorin schaden, dem Publikumserfolg des Films dürfte sie eher nützen, gewinnt "Der Salzpfad" so doch auch abseits von Filmrezensionen eine mediale Öffentlichkeit. Interessant ist dabei auch, dass diese Diskussion gerade im Zug des Filmstarts aufkommt, gibt es das Buch doch schon seit sieben Jahren.


Die britische Theaterregisseurin Marianne Elliott lässt ihr Spielfilmdebüt unvermittelt mit einer dramatischen Szene beginnen. Hautnah ist die Kamera der vielbeschäftigten französischen Starkamerafrau Hélène Louvart an Raynor (Gillian Anderson) und Moth (Jason Isaacs) dran, wenn sie ihr Zelt vor der steigenden Flut zu retten versuchen. – Irritierend bleibt freilich, wieso jemand überhaupt in diese Situation kommen kann, denn bei einer Küstenwanderung wird man die täglich wiederkehrenden Gezeiten doch wohl beachten.


Von diesem Auftakt, der zu kurz gehalten ist, um wirklich Spannung aufzubauen, blendet Elliott zurück zur Busfahrt zum Start der Wanderung auf dem 1014 Kilometer langen South West Coast Path. Dieser längste Fernwanderweg Großbritanniens verläuft von Minehead in Somerset entlang der Küsten von Devon und Cornwall nach Poole Harbour in Dorset.


Statt mit Inserts zu Orten wird der Film mit Kilometerangaben strukturiert. Kurze Rückblenden bieten am Beginn fragmentarisch Einblick in die Vorgeschichte. Weitgehend im Dunkel bleibt, wieso das Paar das Haus konkret verloren hat, eine Besprechung bei einem Arzt informiert dagegen über Moths Erkrankung und deren zu erwartenden Folgen und mehrmals angeschnitten wird auch die Sorge um die beiden studierenden Kinder.


Diese Rückblenden werden in der Folge aber zunehmend weniger, und die Wanderung tritt in den Mittelpunkt. Im Gegensatz zu den zahlreichen Filmen über den Jakobsweg wie zuletzt "Mein Weg – 780 km zu mir" geht es dabei aber weniger um das Erreichen eines Zieles oder um Begegnungen mit Gleichgesinnten, sondern vielmehr um den Kontakt mit der Natur, die körperlichen Herausforderungen und das Leben am Existenzminimum.


Dass Elliott keine dramatischen Höhepunkte setzt, sondern Szene an Szene reiht, kann man ebenso als Qualität ansehen wie als Unvermögen die Handlung zuzuspitzen und zu verdichten. Einerseits entwickelt "Der Salzpfad" dadurch einen ruhigen und unspektakulären, andererseits aber auch einen sehr beliebigen Erzählfluss.


Durchaus realistisch wirkt so, wie sich die kurzen Begegnungen mit teils freundlichen, teils unfreundlichen Menschen immer wieder im Nichts verlieren. Sichtbar wird auch das große soziale Gefälle, wenn Raynor und Moth - allerdings aufgrund eines Missverständnisses - in die Designer-Villa eines reichen Londoner Paares eingeladen werden, sie selbst dagegen jeden Penny umdrehen müssen und das Geld kaum fürs Essen reicht.


Den Begegnungen steht die spektakuläre Küstenlandschaft gegenüber, die die Kamera immer wieder in großartigen Totalen einfängt. Kitsch kommt dabei auch bei den Sonnenuntergängen kaum auf, denn die Bilder bewahren immer eine gewisse Rauheit und lassen die Widrigkeit durch die wechselnden Wetterbedingungen spüren.


Mag dieser Wanderfilm mit diesen Landschaftstotalen auch die beste Werbung für diesen Fernwanderweg sein, so steht im Zentrum doch die Beziehung zwischen Raynor und Moth. Berührend erzählt Elliott hier eine Liebesgeschichte, macht in den Großaufnahmen von Gillian Anderson, die in den 1990er Jahren als Ermittlerin Scully in der Serie "Akte X" berühmt wurde, und Jason Isaacs spürbar, wie sie sich für den jeweils anderen einsetzen. Da steht ihrer steten Sorge um seinen Gesundheitszustand sein Bemühen gegenüber für sie durch einen Auftritt als Straßenkünstler Geld für ein warmes Essen zu verdienen und auch die Wetterumschwünge erfordern immer wieder Zusammenhalt.


Wenig glaubwürdig ist zwar, dass Moth, der schon auf den ersten Kilometern hinkt und sein linkes Bein nachzieht, sich durch die Absetzung der Medikamente erholt und mehrere hundert Kilometer wandern kann, doch darüber sieht man angesichts der intensiven Interaktion des Paares hinweg. Zunehmend fügen sich Raynor und Moth nämlich nicht nur in ihre prekäre finanzielle Situation, sondern lernen auch Natur und Wetter so zu nehmen, wie sie kommen.


Kein großer Erfolg steht so auch am Ende, sondern eine vorübergehende Rückkehr in einen einfachen und beschwerlichen Alltag, ehe wohl wieder eine neue Wanderung folgt, bei der wieder der Weg wichtiger als das Ziel sein wird.



Der Salzpfad – The Salt Path

Großbritannien 2024

Regie: Marianne Elliott

mit: Gillian Anderson, Jason Isaacs, James Lance, Hermione Norris, Olivia Edwards, Hannah Brownlie

Länge: 115 min.



Läuft jetzt in den Kinos.

Programmkinoschiene Kinothek extra in der Kinothek Lustenau: Mi 15.10., 20 Uhr + Mo 20.10., 18 Uhr (engl. O.m.U.)



Trailer zu "Der Salzpfad - The Salt Path"


 

 

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