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Mein Weg – 780 km zu mir

  • Autorenbild: Walter Gasperi
    Walter Gasperi
  • 28. Apr.
  • 3 Min. Lesezeit
Mein Weg - 780 km zu mir: Einfach gestricktes, aber warmherziges Jakobsweg-Roadmovie
Mein Weg - 780 km zu mir: Einfach gestricktes, aber warmherziges Jakobsweg-Roadmovie

Der australische Filmemacher Bill Bennett zeichnet seine Erfahrungen auf dem Jakobsweg nach: Das einfach gestrickte Roadmovie bietet nichts Neues, lässt aber immerhin mit seinem ruhigen Erzählrhythmus und seinem Wechsel von prächtigen Landschafts- und malerischen Stadtansichten sowie Gesprächen unter den Pilgern in deren Welt eintauchen.


Schon 1969 hat Luis Buñuel mit "Die Milchstraße" einen Film über den Jakobsweg gedreht, doch wie der Boom des Weges erst in den letzten Jahrzehnten so richtig Fahrt aufnahm, so entstanden in den letzten zwanzig Jahren in der Nachfolge von Colline Serreaus Komödie "Saint Jacques … Pilgern auf Französisch" (2005) auch zahlreiche Filme über diesen Pilgerweg.


Der Bogen spannt sich dabei vom amerikanischen Drama "Dein Weg" ("The Way", Emilio Estevez", 2010) über die Verfilmung von Hape Kerkelings Bestseller "Ich bin dann mal weg" (Julia von Heinz, 2015) bis zu zahlreichen Dokumentarfilmen, in denen Pilger ihre eigenen Erfahrungen filmisch festhielten oder von Regisseur:innen dokumentieren ließen wie Bruno Molls "Zu Fuß nach Santiago" (2007) oder Gabi Röhrls "Nur die Füße tun mir leid" (2019).


Inhaltlich und formal schlagen die Filme dabei meist die gleiche Richtung ein. Sie zeichnen chronologisch die Pilgerreise – meist ausgehend von Saint-Jean-Pied-de-Port über die Pyrenäen und durch die Meseta nach Santiago de Compostela - nach und setzen dabei auf eine Mischung von Landschaftsaufnahmen und Begegnungen der Pilger:innen, die Einblicke in ihre Motivation und ihre persönliche Situation und Probleme bieten.


Stehen – mit Ausnahme des Amerikaners Emilio Estevez bei "Dein Weg" – meist Europäer:innen hinter diesen Filmen, so kommt mit dem Australier Bill Bennett ein Filmemacher vom anderen Ende der Welt ins Spiel. Der 72-Jährige, der auf eine langjährige Filmerfahrung zurückblicken kann, ist 2013 selbst den Jakobsweg gepilgert und hat seine Erfahrungen im 2014 erschienenen und in Australien zum Bestseller avancierten Buch "The Way, My Way" verarbeitet.


In der Verfilmung lässt Bennett sich nun vom Schauspieler Chris Haywood spielen, während seine Frau Jennifer Cluff, die den Film auch produzierte, sich selbst spielt. Aber auch die Pilger:innen werden zu einem großen Teil von den Menschen gespielt, denen Bennett vor zehn Jahren auf dem Weg begegnete. Als optischer Aufputz scheint dagegen die Schauspielerin Laura Lakshmi engagiert worden zu sein, die eine junge niederländische Pilgerin spielt.


Mit Voice-over führt Bennett in den Film ein, fasst zusammen, wie eine Spanienreise die Idee für die Pilgerreise weckte, wie er sich vorbereitete und spart auch die ablehnende Reaktion seiner Frau nicht aus. Durchaus mit Witz und Selbstironie blickt Bennett dabei auf sich, wenn er jedes Gepäckstück mit der Küchenwaage genau wiegt oder trotz akut werdender alter Kniebeschwerden nach Spanien aufbricht.


Sympathisch macht den Film, dass Bennett sich keineswegs zum Helden aufbaut, sondern sich als sturen und besserwisserischen Menschen zeichnet, der auch nicht aus religiösen Gründen den Jakobsweg geht, sondern hofft, erst durch den Weg zu erfahren, wieso er diese Strapazen auf sich nimmt.


Wie freilich die filmische Gestaltung mit simplem Schuss-Gegenschuss-Verfahren bei Gesprächen und dem obligaten Wechsel von Landschaftsaufnahmen und Begegnungen sehr einfach bleibt, so vorhersehbar und harmlos sind vor allem am Beginn auch als witzig gedachte Szenen zum Schnarchen in der Herberge oder zur Wahl des richtigen Bildausschnitts bei Fotografien.


Andererseits entwickelt "Mein Weg – 780 km zu mir" durch diesen Szenenwechsel und den Verzicht auf Dramatisierung auch einen ruhigen Erzählrhythmus, der in die Welt der Jakobspilger eintauchen lässt. Die Inserts zu Orten und der verbleibenden Wegstrecke bis Santiago strukturiert dieses Roadmovie dabei und verleiht ihm ebenso wie die echten Pilger:innen einen quasidokumentarischen und authentischen Anstrich. Beim Einsatz von Luftaufnahmen, die mit Drohnen aufgenommen wurden, übertreibt es Bennett allerdings.


Nichts Neues wird insgesamt geboten, wenn Bennett, der während des ganzen Weges mit Knieschmerzen zu kämpfen hat, immer wieder auf die gleichen, aber bald auch auf weitere Pilger:innen trifft und diese über ihre Motivation befragt. Wenig überzeugend ist allerdings, wie dabei mit einer zunächst abweisenden und schroffen jungen Spanierin ein Geheimnis aufgebaut wird, das selbstverständlich gegen Ende gelüftet wird. Ob deren "Beichte" gegenüber Bennett nun bewegend oder aufgesetzt wirkt, ist wohl Geschmacksache und auch Bennetts finale Einsicht in seine eigene Fehlerhaftigkeit und sein großes Schuldbekenntnis gegenüber seiner Frau sind zwar uneitel, kommen aber auch etwas abrupt und wirken übertrieben.


Sicherlich kein großes Filmerlebnis bietet so diese Pilgerreise, aber mit seinem warmherzigen Blick und seinem sanften Humor sowie den prächtigen Landschaften und den schmalen Gassen der Städte und Dörfer sorgt der Australier doch für 100 unterhaltsame Minuten und lässt gewiss bei Jakobspilger:innen Erinnerungen an eigene Erlebnisse wach werden und regt andere vielleicht an, selbst diesen Pilgerweg zu gehen.

 

 

Mein Weg – 780 km zu mir

Australien 2024

Regie: Bill Bennett

mit: Chris Haywood, Jennifer Cluff, Laura Lakshmi, Pia Thunderbolt

Länge: 98 min.



Läuft derzeit in den österreichishcen und deutschen Kinos, z.B. im Cinema Dornbirn.

Spielboden Dornbirn: Di 22.5. + Sa 7.6. - jeweils 19.30 Uhr



Trailer zu "Mein Weg - 780 km zu mir"


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