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Der Pinguin meines Lebens - The Penguin Lessons

  • Autorenbild: Walter Gasperi
    Walter Gasperi
  • vor 6 Tagen
  • 4 Min. Lesezeit
"Der Pinguin meines Lebens": Warmherziges Feelgood-Movie um eine ungewöhnliche Freundschaft
"Der Pinguin meines Lebens": Warmherziges Feelgood-Movie um eine ungewöhnliche Freundschaft

Ein zynischer britischer Lehrer, der in Argentinien während der Militärdiktatur der 1970er Jahre an einem Jungeninternat unterrichtet, wandelt sich durch die Freundschaft mit einem Pinguin: Steve Coogan brilliert in Peter Cattaneos warmherzigem Feelgood-Movie, die Zeichnung des politischen Hintergrunds bleibt aber weichgespült.


2016 beschrieb der Brite Tom Michell in seinem autobiographischen Buch "Der Pinguin meines Lebens" seine Erlebnisse mit einem Pinguin im Argentinien des Jahres 1976. Als 24-Jähriger unterrichtete Michell damals an einem Jungeninternat in Buenos Aires Englisch.


Dass sich Peter Cattaneo, dem vor fast 30 Jahren mit der Stripperkomödie "The Full Monty" ("Ganz oder gar nicht", 1997) sein größter Erfolg gelang, bei der Verfilmung dieser Vorlage Freiheiten nahm, wird schon bei der Zeichnung der Hauptfigur sichtbar. Aus dem abenteuerlustigen jungen Lehrer wird im Film nämlich ein zynischer Mittfünfziger, der offensichtlich im Leben schon einiges mitgemacht hat und dessen privates Trauma im Laufe der Handlung freilich gelüftet werden muss.


Mit unscharfem Archivmaterial versetzt Cattaneo in das von einer schweren Wirtschaftskrise und Korruption erschütterte Argentinien, das kurz vor dem Militärputsch (24. März 1976) gegen die Präsidentin Isabel Peron steht.


Tom Michell (Steve Coogan), der in einem Jungeninternat in Buenos Aires eine neue Stelle als Englischlehrer antritt, interessieren diese Unruhen aber nicht. Teilnahmslos blickt er auf eine Maueraufschrift, die zum Widerstand gegen die Faschisten aufruft. Ihn stört einzig, dass beim Übermalen der Aufschrift Farbe auf seine neuen Schuhe spritzt.


Aber auch der Direktor (Jonathan Price) erklärt ihm, dass in der Schule Politik mit einem kleinen "p" geschrieben werde und Michell sich zurückhalten soll, da doch viele Schüler Söhne führender Militärs seien. Wie er lustlos unterrichtet, so desinteressiert zeigen sich auch seine Schüler. Doch dann wird die Schule wegen des Putsches für eine Woche geschlossen und auf einem Trip nach Uruguay rettet Michell, um einer Urlaubsbekanntschaft zu imponieren, einen ölverschmierten Pinguin.


Möglichst schnell möchte er den etwa 50 Zentimeter großen Begleiter wieder loswerden, doch dieser lässt sich nicht so leicht abschütteln, sodass er ihn nach Argentinien und ins Internat mitnimmt. Nicht nur Michell selbst spricht bald zu dem Tier über seine Sorgen wie zu einem Therapeuten, sondern auch ein Kollege und schließlich auch der nach außen hin verknöcherte Direktor.


Gleichzeitig bekommt Michell über die Haushälterin des Internats (Vivian El Jaber) und deren Enkelin Einblick in den Widerstand gegen das Regime und die Verschleppung von Oppositionellen. Auch unter dem Einfluss des Pinguins öffnet er sich so langsam und wandelt sich vom teilnahmslosen Zuschauer zum Menschen, der an seiner Umwelt wieder Anteil nimmt, engagierter zu unterrichten beginnt und auch ein politisches Bewusstsein und Zivilcourage entwickelt.


Cattaneo verankert die Handlung mittels Ausstattung und Kostümen stimmig im Argentinien der 1970er Jahre und erzählt stilsicher, aber auch sehr glatt und kantenlos. Gekonnt mischt der Routinier komödiantische und ernste Töne, lässt aber Schärfe im Blick auf die Militärdiktatur weitgehend vermissen und spart auch mit den in warme Farben getauchten hellen Bildern düstere Aspekte aus.


Nur in wenigen Momenten wird der Terror des Regimes spürbar, in der Luft hängt eine kurze Szene vom Protest der "Madres de Plaza de Mayo", die brutale Folter wird nur verbal thematisiert und nur der Nachspann erinnert daran, dass bis zu 30.000 Menschen während der siebenjährigen Diktatur verschleppt und ermordet wurden.


Weitgehend nur den Hintergrund bildet so die politische Situation. Im Zentrum steht die Beziehung zwischen Michell und seinem Pinguin. Ein klassisches Buddy-Movie, bei dem die Protagonisten freilich noch gegensätzlicher sind als üblich, entwickelt sich so, und Wandlung stellt sich zwangsläufig nur beim Lehrer ein.


Herrlich trocken spielt Steve Coogan diesen Briten und dessen Auftauen, dennoch stiehlt ihm der Pinguin, der mit seinem Watschelgang und seiner Hilfsbedürftigkeit nicht nur die Herzen der anderen Filmfiguren, sondern auch die der Zuschauer:innen auf Anhieb erobert, immer wieder die Show.


Mehr angerissen als wirklich entwickelt wird dagegen die Schulgeschichte, bei der sich Cattaneo deutlich an Peter Weirs "Der Club der toten Dichter" orientiert. Nicht glaubwürdig ist der abrupte Schwenk der undisziplinierten Klasse zu aufmerksamen Schülern allein durch die Präsenz des Pinguins und aufgesetzt wirkt in der Kürze der Schilderung auch die politische Sensibilisierung der Schüler sowie die Auseinandersetzung Michells mit seinem privaten Trauma durch Gedichtinterpretationen.


Zu viel packt Cattaneo in seinen Film und hinterlässt das Gefühl, dass man aus den einzelnen Aspekten mehr herausholen hätte können oder müssen. Dennoch funktioniert "Der Pinguin meines Lebens" nicht zuletzt dank markant gezeichneter und treffend besetzter Nebenrollen wie Jonathan Price als Direktor, Vivian El Jaber als furchtlose und engagierte Haushälterin und Björn Gustafsson als Kollege, der unter der Trennung von seiner Frau leidet, als Feelgood-Movie, das zwei ebenso warmherzige wie unterhaltsame, aber auch nachwirkungsfreie Kinostunden bietet.



Der Pinguin meines Lebens – The Penguin Lessons

Großbritannien / Spanien / USA / Irland 2024

Regie: Peter Cattaneo

mit: Steve Coogan, Björn Gustafsson, David Herrero, Jonathan Pryce, Aimar Miranda, Hugo Fuertes, Vivian El Jaber, Alfonsina Carrocio

Länge: 110 min.

 


Läuft jetzt in den Kinos, z.B. im Cinema Dornbirn, Kinotheater Madlen, Heerbrugg und im Skino Schaan (O.m.U.).



Trailer zu "Der Pinguin meines Lebens - The Penguin Lessons"


 

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