top of page
  • AutorenbildWalter Gasperi

Der Neue Deutsche Film (1962 – 1982)

Aktualisiert: 9. Nov. 2021


Abschied von gestern (Alexander Kluge, 1966)

Anfang der 1960er Jahre begann sich eine junge Generation von Filmemachern von der deutschen Filmlandschaft abzugrenzen und definierte am 28.2.1962 im Oberhausener Manifest mit dem Schlüsselsatz “Papas Kino ist tot” entschieden ihre Opposition. Das Stadtkino Basel widmet diesem filmischen Aufbruch, der mit dem Tod Rainer Werner Fassbinders 1982 endete, im November eine Filmreihe


Im deutschen Kino der Nachkriegszeit dominierten Heimatfilme, kitschige Historienfilme à la "Sissi" und harmlose Schlagerfilme. Die nationalsozialistische Vergangenheit wurde verdrängt, die Gegenwart blieb weitgehend ausgespart. Man flüchtete in eine Scheinwelt. Wer dennoch kritische Filme drehte wie Wolfgang Staudte ("Der Untertan", 1951; "Kirmes", 1959), musste mit Ausgrenzung und Häme rechnen.


Wie die Retrospektive "Geliebt und verdrängt" des Filmfestivals Locarno 2016 zeigte, entstanden zwar durchaus auch engagierte und formal eigenwillige Filme, doch insgesamt dominierten gesichtslose und glatte Produzentenfilme, die keine persönliche Handschrift zeigten. Diesen stellte seit Beginn der 1960er Jahre eine junge Generation ihre Idee vom kantigen und persönlichen Autorenfilm gegenüber.


Was am 28. Februar 1962 bei den Oberhausener Kurzfilmtagen mit der Parole "Der alte Film ist tot. Wir glauben an den neuen" theoretisch formuliert wurde, trug vier Jahre später seine ersten konkreten Früchte im Kino: Volker Schlöndorffs Musil-Adaption "Der junge Törless", Ulrich Schamonis "Es", Peter Schamonis "Schonzeit für Füchse" und Alexander Kluges "Abschied von gestern" wurden 1966/67 uraufgeführt.


Die Neuorientierung zeigt sich bei Kluge schon im Titel, aber auch formal grenzte er sich mit seiner essayistischen, mit Assoziationen arbeitenden Erzählweise vom linearen Erzählkino ab. Wie bei der französischen Nouvelle Vague knapp zehn Jahre zuvor lösten diese Debüts eine regelrechte Welle aus. Zahlreiche andere Regisseure wie Hans. W. Geissendörfer, Reinhard Hauff, Niklaus Schilling, Klaus Lemke, Werner Schröter und Rudolf Thome, vor allem aber Werner Herzog, Rainer Werner Fassbinder, Wim Wenders und Margarethe von Trotta drehten ihre ersten Filme.


Formale Experimente (Klaus Wyborny, Hellmuth Costard, Werner Schröter) entstanden ebenso wie Arbeiterfilme (Christian Ziewer), kritische Auseinandersetzungen mit der Heimat ("Der plötzliche Reichtum der armen Leute von Kombach" von Volker Schlöndorff; "Matthias Kneissl" von Reinhard Hauff) ebenso wie schonungslose Analysen des bundesdeutschen Alltags (Rainer Werner Fassbinder) und konkret politische Filme (Peter Lilienthal).


Ihre Vorbilder fanden diese jungen Regisseure nicht in der Vätergeneration – auch Staudte und Käutner ignorierten sie – sondern bei den Amerikanern, den während der NS-Zeit in die USA Emigrierten und den Meistern des deutschen Stummfilms. In Herzogs visionären Filmen ist das Vorbild Friedrich W. Murnaus, dem er mit der Neuverfilmung von "Nosferatu" (1979) seine Reverenz erwies, ebenso spürbar wie in Fassbinders Melodramen der Einfluss von Douglas Sirk und in Wenders´ Roadmovies der von John Ford, Anthony Mann und Nicholas Ray.


Den internationalen Höhepunkt erreichte der Neue Deutsche Film Ende der 1970er / Anfang der 1980er Jahre als Schlöndorff mit der Günter-Grass-Verfilmung "Die Blechtrommel" (1979) die Goldene Palme von Cannes und als erster deutscher Film der Nachkriegszeit den Oscar gewann, Fassbinder bei der Berlinale für "Die Ehe der Maria Braun" (1979) mit dem Silbernen und für "Die Sehnsucht der Veronika Voss" (1982) mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet wurde, Herzogs "Fitzcarraldo" (1982) in Cannes den Regiepreis und Wenders´ "Der Stand der Dinge" (1982) in Venedig den Goldenen Löwen eroberte.


An diesem Höhepunkt brach diese künstlerisch aufregende und vielfältige Epoche des deutschen Films aber auch abrupt ab, als Fassbinder am 10. juni 1982 starb, Wenders endgültig zwischen Deutschland und den USA zu pendeln begann und Herzog sich stärker dem Dokumentarfilm zuwandte.


Weitere Informationen und Spieldaten finden Sie hier.

bottom of page