top of page

Der Meister und Margarita

  • Autorenbild: Walter Gasperi
    Walter Gasperi
  • vor 1 Stunde
  • 4 Min. Lesezeit
"Der Meister und Margarita": Bildmächtige und einfallsreiche Verfilmung von Michail Bulgakows Kultroman.
"Der Meister und Margarita": Bildmächtige und einfallsreiche Verfilmung von Michail Bulgakows Kultroman.

Der russisch-amerikanische Regisseur Michael Lockshin legt seine Verfilmung von Michail Bulgakows gleichnamigem Roman als Mix aus Fantasy-Film, Stalinismus-Satire und Liebesgeschichte an: Der zweieinhalbstündige, vielschichtige und bildgewaltige wilde Ritt ist bei Capelight Pictures auf DVD und Blu-ray sowie in einem Mediabook auf 4K UHD erschienen.


Michael Bulgakows Roman "Der Meister und Margarita" genießt zumindest in Russland Kultstatus. Von 1928 bis 1940 arbeitete der Autor daran, doch erst 1966 erschien das Buch in einer von der Zensur um rund ein Achtel gekürzten Fassung in Fortsetzungen in der Literaturzeitschrift "Moskwa". Binnen weniger Stunden war die erste Auflage von 150.000 Exemplaren vergriffen und die von der Zensur gestrichenen Teile wurden teilweise mit der Schreibmaschine oder handschriftlich vervielfältigt und heimlich verbreitet. (vgl. Wikipedia, Der Meister und Margarita)


Schon 1972 folgte eine erste Verfilmung von Aleksandar Pretovics, und Andrzej Wajda adaptierte im gleichen Jahr mit "Pilatus und andere – Ein Film für Karfreitag" (1972) einen Teil des Buches. Doch weder diese Filme noch Juri Karas´ 1994 entstandene Version sowie eine 2005 gedrehte russische Fernsehserie fanden größere Beachtung.


Der 1981 in den USA geborene und in der Sowjetunion aufgewachsene Michael Lockshin legt nun eine aufwändige und spektakuläre Adaption vor, die kühn unterschiedliche Ebenen mischt und fließend zwischen Zeitebenen wechselt.


Schon 2022 hätte der 2021 gedrehte Film in Russland anlaufen sollen, doch nach dem Überfall auf die Ukraine wurde der Filmstart verschoben. Lokschin wurde wegen seiner scharfen Kritik am russischen Angriffskrieg heftig angegriffen und erst im Januar 2024 kam sein Film in die russischen Kinos. Dort entwickelte er sich rasch zum Kassenschlager, lockte sechs Millionen Zuschauer:innen ins Kino und spielte über zwei Milliarden Rubel ein.


Furios ist schon der Einstieg des in der Sowjetunion der 1930er Jahre spielenden Films, wenn sich wie von Geisterhand die Türen eines Hauses, an dem ein Banner mit der Aufschrift "Kunst für die Massen" hängt, öffnen. Mit gleitenden Kamerafahrten wird das Haus erkundet, eine Wohnungstür geöffnet, in der eine unsichtbare Hand mit einem Hammer die Einrichtung zerschlägt, während man im Voice-over eine Frauenstimme hört.


Mit einem Schnitt springt der Film in eine psychiatrische Anstalt, in der ein bekannter Schriftsteller (Jewgeni Zyganow) einerseits an seinem neuen Roman arbeitet, andererseits einem Mitinsassen, beginnend mit dem Insert "Ein Jahr zuvor", von seinem Leben erzählt.


Damals wurde nicht nur sein Stück "Pilatus", das von der Konfrontation von Pilatus und Jesus erzählt, kurz vor der Premiere aufgrund des ideologisch nicht opportunen religiösen Themas von der Zensur abgesetzt, sondern in einem Schauprozess wurde er auch aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen.


In der Begegnung mit der hübschen, aber verheirateten Margarita (Julija Snigir) fand er aber eine Muse, die ihn zu einem neuen Roman anregte. Darin übt nicht nur sie selbst als Hexe, sondern auch der Deutsche Woland (August Diehl), der den Autor auch in der Realität lenkt und antreibt, Rache an den satirisch überzeichneten Gegnern des Schriftstellers. Diese von August Diehl großartig gespielte Figur, die fließend zwischen Russisch und Deutsch wechselt, ist eine Variation von Goethes "Mephisto", auf dessen "Faust" auch mehrmals Bezug genommen wird.


Furios vermischen sich die Erzählung des Schriftstellers und die Romanhandlung und immer wieder kehrt Lockshin auch in die psychiatrische Klinik zurück. Mit spektakulärer Ausstattung – und wohl auch mit CGI – erzeugt er dicht die Atmosphäre der Zeit, in der Moskau eine einzige Großbaustelle zu sein scheint, gleichzeitig die Klinik aber wiederum von futuristischer Architektur gekennzeichnet ist.


Bissig wird mit sowjetischer Bürokratie, Zensur und Repressalien abgerechnet, aber auch Diskussionen über Gott und den Teufel fehlen nicht. Herrlich satirisch wird mit dem Traum vom Triumph des Sozialismus abgerechnet, wenn in einer Show die 100-Jahr-Feier der Sowjetunion im Jahr 2022 dargestellt wird und behauptet wird, dass der Traum von Gleichheit Wirklichkeit geworden sei, andererseits aber alle Besucher:innen im Konsumrausch bei einer Zaubershow neue Kleider wünschen oder bei einem Geldregen im Theater um die Banknoten streiten.


Immer wieder sind auch Ausschnitte aus dem Stück "Pilatus", in denen Lateinisch und Aramäisch gesprochen wird, eingeschnitten und mit der Beziehung des Schriftstellers zu Margarita wird auch eine unglückliche Liebesgeschichte erzählt. Gleichzeitig steht den Fantasy-Elementen der Romanhandlung wiederum der Realismus der bedrückenden Szenen in der Psychiatrie gegenüber, in der der Schriftsteller Elektroschocks unterzogen wird.


Inhaltlich und visuell überbordend ist dieser Film und bietet einen wilden und atemlosen, stets überraschenden, aber die Zuschauer:innen auch fast erschlagenden Ritt. Zu viel des Guten mag das insgesamt sein, aber bildmächtiges und aufregendes Kino, das in keine Schublade passt, wird hier dennoch geboten.


Nicht zu übersehen ist aber auch, dass Lockshin in der Schilderung der Sowjetunion der 1930er Jahre auch das aktuelle repressive Klima in Russland meint. Wenn hier der nicht genehme Schriftsteller mundtot gemacht und in die Psychiatrie eingeliefert wird, ist dies auch als Kritik an der Beseitigung jeder Opposition im Land Vladimir Putins zu lesen.


An Sprachversionen bieten die bei Capelight Pictures erschienene DVD, Blu-ray und 4K UHD die russisch-deutsch-lateinisch-aramäische Original- und die deutsche Synchronfassung, in der die sprachlichen Unterschiede beseitigt wurden. Dazu gibt es deutsche und englische Untertitel. Die Extras beschränken sich auf den russischen Kinotrailer und Trailer zu weiteren Filmen dieses Labels.



Trailer zu "Der Meister und Margarita"



Kommentare


bottom of page