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  • AutorenbildWalter Gasperi

Der Hochzeitsschneider von Athen


Wer kann sich im krisengeschüttelten Griechenland noch einen Maßanzug leisten? – Um wirtschaftlich zu überleben, muss sich ein 50-jähriger Schneider umstellen und auch preisgünstige Hochzeitskleider nähen. – Mit genauem Blick für Details, unaufgeregter Erzählweise und einem wunderbar lakonischen Dimitris Imellos in der Hauptrolle gelang Sonia Liza Kenterman eine feine, leise Dramödie.


Rund sieben wortlose Minuten nimmt sich die griechisch-deutsche Regisseurin und Drehbuchautorin Sonia Liza Kenterman Zeit, um ihren Protagonisten vorzustellen. Wenn eine Hose gebügelt, ein Anzug und ein weißes Hemd sowie eine Krawatte angezogen werden, wird sogleich deutlich, dass der 50-jährige Nikos (Dimitris Imellos) Wert auf sein Äußeres legt. Sauber muss es auch in seiner Schneiderei sein, immer wieder reinigt er den Ladentisch mit einem Staubwedel. Dimitris Imellos spielt diesen Schneider dabei durchgängig mit einer Stoik, die an "Stoneface" Buster Keaton erinnert.


Schlecht laufen allerdings die Geschäfte eines Herrenschneiders. Kaum jemand kann oder will sich noch einen teuren maßangefertigten Anzug leisten, lieber greift man zu billiger Konfektionsware aus China oder Bangladesch. Wenig hält Nikos freilich davon, für ihn ist jeder Anzug ein Einzelstück, für den genau die Maße der betreffenden Person genommen werden müssen. Immer hängt folglich auch das Maßband um seinen Hals.


Doch aufgrund von Zahlungsrückstand droht eine Zwangsvollstreckung. Dringend sind neue Geschäftsideen gesucht, doch sein alter Vater (Thanasis Papageorgiou) würde Neuerungen nie zustimmen, sondern beharrt darauf an der Tradition festzuhalten. Als dieser aber nach einem Schlaganfall ins Krankenhaus eingeliefert wird, beginnt Nikos freier zu agieren. Statt in der Schneiderei auf Kunden zu warten, bringt er seine Ware zunächst mit einem von Hand, dann von einem Motorrad gezogenen Wagen zum Markt.


Dort interessieren sich aber vor allem Frauen für den Kleiderstand, fragen nach Hochzeitskleidern für ihre Töchter, was Nikos zur Umstellung seiner Produktpalette bewegt. Noch nie hat er Frauenkleider genäht, als Muster dafür dient ihm ein Kleid, das ihm von der Wäscheleine der Nachbarin quasi vor die Füße fällt. In dieser Olga (Tamilla Koulieva) findet er nicht nur eine leidenschaftliche Schneiderin als Helferin, sondern auch die Liebe kommt dazu – doch Olga ist verheiratet. Und auch der Vater von Nikos hat nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus zunächst nur Verachtung für das Geschäft mit Damenkleidern übrig.


Eine kleine Geschichte erzählt Sonia Liza Kenterman im Grunde, aber reich wird ihr Langfilmdebüt durch den genauen Blick für Details. Spürbar macht sie so in der ausführlichen Schilderung der Arbeit von Nikos seine Leidenschaft und Liebe für seine Arbeit und feiert damit das alte, vom Aussterben bedrohte Handwerk insgesamt. Andererseits wird, wenn die potentiellen Kunden ständig den Preis zu drücken versuchen und teilweise mit Naturalien wie Fischen oder Arzneimitteln für Nikos´ Vater die Hochzeitskleider bezahlen, bewusst, dass hier nicht nur Nikos und sein Vater ums finanzielle Überleben kämpfen, sondern dass viele Kleinbürger in Griechenland am Existenzminimum leben.


Auch bei Olgas Mann (Stathis Stamoulakatos), der Taxifahrer ist, findet man diese finanziellen Probleme. Gastfreundlich ist er zwar immer gegenüber Nikos, lädt ihn zu Essen und Whisky ein, ist aber in seiner Grobschlächtigkeit und Derbheit auch ein markanter Gegenpol zum kultivierten und zurückhaltenden Schneider. Auf einen Showdown zwischen diesen Männern im Kampf um Olga verzichtet Kenterman ebenso wie auf eine Eskalation des Konflikts zwischen Vater und Sohn wegen der neuen Geschäftsidee. Unbefriedigend kann man das finden, andererseits bewahrt diese leise Dramödie dadurch ihre Unaufgeregtheit.


Schlüssig und überzeugend erzählt "Der Hochzeitsschneider von Athen" so anhand seiner kleinen Geschichte von der Notwendigkeit sich im Existenzkampf an veränderte Umstände anzupassen und an Traditionen nicht stur festzuhalten, sondern sie zu modifizieren. Die am Beginn so sauber aufgeräumte Schneiderei mag am Ende in Trümmern liegen und verloren sein, doch sein Metier kann Nikos nicht nur mobil, sondern auch befreiter mit einem Lieferwagen fortführen. Visuell treffend steht so auch am Ende der eher dunklen Schneiderei und den nahen Einstellungen des Beginns eine Totale mit der Fahrt in die weite, sonnendurchflutete Landschaft Griechenlands gegenüber.


Läuft derzeit in den österreichischen Kinos, z.B. im Kino Rio in Feldkirch


Trailer zu "Der Hochzeitsschneider von Athen"



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