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AutorenbildWalter Gasperi

Das Wunder von Marseille - Fahim


Das achtjährige Schachgenie Fahim flieht mit seinem Vater aus Bangladesch nach Frankreich, wo der Junge in einen Schachclub aufgenommen wird, immer aber auch die Abschiebung des Vaters droht. Mit einem großartigen Gerard Depardieu als Schachtrainer erzählt Pierre-François Martin-Laval in seiner gefühlvollen Dramödie nach einer wahren Begebenheit, verpackt in eine klassische Sportlergeschichte, von Flüchtlingselend, Integration und Menschlichkeit.


Unscharfe Archivbilder von gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten bieten Einblick in die labile politische Lage in Bangladesch, während im Vordergrund der achtjährige Fahim als Schachgenie vorgestellt wird. Weil der Vater Nura sich auf Seiten der Regierungsgegner engagiert, wird die Lage für die Familie immer gefährlicher. So beschließt Nura mit Fahim nach Frankreich zu fliehen, die Frau und den jüngeren Sohn später nachzuholen.


Ebenso knapp wie präzise ist diese Exposition, die fast ohne Worte auskommt, inszeniert. Schwer tun sich Vater und Sohn ohne Sprachkenntnisse im fremden Land zunächst und bald zeigt sich, dass Fahim wesentlich wendiger als sein Vater ist, nicht nur schneller Französisch lernt, sondern auch bald im Schachclub Freunde findet.


Pierre-François Martin-Laval stellt dabei durch Verfälschung des realen zeitlichen Ablaufs diesen Integrationsprozess freilich als einfacher dar, als er in Wirklichkeit wohl war. Denn in der Realität kam Fahim schon 2008 nach Frankreich und wurde dann 2012 Schachmeister in der Altersgruppe der unter 12-Jährigen, im Film aber erfolgt die Flucht erst im Jahr 2011 und die gesamte Handlung spielt sich innerhalb von einem Jahr ab.


Im Schachclub trifft Fahim auf den bärbeißigen und ruppigen Schachlehrer Sylvain. Vorbild für diese Figur war der 2016 verstorbene Xavier Parmentier, dessen Buch „Spiel um dein Leben, Fahim“ Martin-Laval auch als Vorlage diente. Auf den Leib geschrieben ist diese Rolle Gerard Depardieu, der diesen einst erfolgreichen Schachspieler zurückhaltend spielt, aber immer spüren lässt, dass unter der rauen Schale ein weiches Herz schlägt.


Ein klassisches Odd Couple bilden der alternde Sylvain und der junge, selbstbewusste Fahim. Lebensecht und natürlich spielt Assad Ahmed, der selbst ein Flüchtlingskind aus Bangladesch ist, diesen Jungen. Vergnügen bereitet es zuzuschauen, wie sich diese gegensätzlichen Charaktere langsam näherkommen und schätzen lernen.


Gleichzeitig erzählt „Das Wunder von Marseille“ aber auch von den Bemühungen von Fahims Vaters eine Aufenthaltsbewilligung zu bekommen und, wie der ablehnende Bescheid ihn in den Untergrund drängt, während Fahim bei seinen Freunden vom Schachclub Unterkunft findet.


Empathisch blickt Martin-Laval auf seine Protagonisten, fokussiert weniger auf unmenschlichen Abschiebepraktiken, sondern interessiert sich vor allem für die Integration Fahims und zeigt, wie diese Frankreich bereichern kann. Dazu erinnert er auch an die französische Geschichte als Immigrationsland, wenn Sylvain den Chef des Schachverbands, der sich ablehnend gegenüber dem Asylanten Fahim verhält, daran erinnert, dass auch er die jetzige Position nur besetzen kann, weil einst seine italienische Familie von Frankreich aufgenommen wurde. Explizit wird auch angesprochen, dass Frankreich sich nicht nur an die Proklamation der Menschenrechte während der Französischen Revolution erinnern, sondern diese auch heute leben soll.


Vorhersehbar ist zwar die Schachkarriere Fahims mit ersten Erfolgen, einer Niederlage und einem großen Finale bei den französischen Meisterschaften in Marseille, doch angesichts der sympathischen Figuren und Matin-Lavals warmherzigem Blick sieht man leicht über diese Schwäche hinweg. Immer trifft der 51-jährige Schauspieler und Regisseur nämlich den richtigen Ton und bietet eine sichere Mischung aus Ernst und Humor.


Beglaubigen lässt Martin-Laval seine Geschichte im Nachspann schließlich mit Fotos der Familie Fahims und Inserts zum weiteren Schicksal der Protagonisten. Auf einem anderen Blatt steht dabei freilich, dass Asylanten ohne solch herausragende Fähigkeiten wie Fahim, der Abschiebung vielfach nicht entkommen. – An der Menschlichkeit dieses Feelgood-Movies und dem ehrlichen und überzeugenden Plädoyer für ein Miteinander und für Mitgefühl mit den Schwachen ändert das aber nichts.


Läuft derzeit im Cinema Dornbirn und in den Schweizer Kinos (ab 2.12. im St. Galler Kinok)


Trailer zu "Das Wunder von Marseille - Fahim"



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