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  • AutorenbildWalter Gasperi

Das Appartement - The Apartment


Ein bitteres Drama um Egoismus, Duckmäusertum, Ausbeutung und Karrieredenken bruchlos in zahlreiche komödiantische Details zu verpacken, schaffte wohl nur Billy Wilder. Sein 1961 mit fünf Oscars ausgezeichnetes Meisterwerk ist bei Capelight Pictures in einem Mediabook auf 4K Ultra HD und Blu-ray sowie auf DVD erschienen.


Zu Bildern der Skyline von New York informiert der Versicherungsangestellte C. C. Baxter (Jack Lemmon) im Voice-over über die Einwohnerzahl von New York und die Zahl der Angestellten seiner Firma. Wenn der Film zum riesigen Großraumbüro, in dem Baxter arbeitet, wechselt, ist schon klar, dass er in dieser Firma - wie auch in der Metropole - nur eine Nummer ist.


Das meisterhafte Set von Alexandre Trauner und die extrem tiefenscharfen Schwarzweißbilder von Kameramann Joseph LaShelle verstärken das Gefühl für die Isolation und Entfremdung der zahlreichen Angestellten. Allein sitzt hier Baxter am Abend noch an seinem Schreibtisch, aber nicht weil er Überstunden machen muss, sondern weil der Junggeselle nicht in sein Appartement zurückkehren kann, da er es seinen Vorgesetzten für ihre außerehelichen Dates gegen Bezahlung stundenweise überlässt.


Wie Baxter von seinen Vorgesetzten abhängig ist und sich für seine Dienste eine Beförderung erhofft, so nützen andererseits diese Männer die Frauen für kurzzeitige Affären aus, um sie dann wieder fallen zu lassen. Deutlich wird das am Beispiel des Personalchefs der Versicherung. Denn als dieser Mr. Sheldrake (Fred MacMurray) Baxter zu sich ruft, erwartet dieser eine Beförderung, doch Sheldrake will nur den Schlüssel zum Appartement.


Dort will er sich ausgerechnet mit der Fahrstuhlführerin Miss Kubelik (Shirley MacLaine) treffen, in die still und heimlich auch Baxter verliebt ist. Als Kubelik merkt, dass Sheldrake sich nie von seiner Frau scheiden lassen wird, bahnt sich eine tragische Wende an, doch Billy Wilder versteht es meisterhaft diese Balance zwischen Drama und Komödie durchzuziehen.


Witz entwickelt er einerseits, indem die Zuschauer:innen teilweise über ein Mehrwissen gegenüber den Figuren verfügen, andererseits, indem er mit Erwartungen spielt und diese immer wieder mit überraschenden Wendungen bricht. Immer wieder kommt es so auch zu Fehleinschätzungen und Missverständnissen bei den Figuren ebenso wie beim Publikum.


So ist Baxter völlig ahnungslos, wenn er Sheldrake seine Wohnung überlässt, dass dessen Geliebte Miss Kubelik ist, und Baxters Nachbarn staunen über seine vermeintlich zahlreichen Damenbesuche und halten ihn für einen hemmungslosen Casanova.


Zynisch ist der Blick dabei auf die Menschen, vor allem auf die Männer, denen jede Menschlichkeit und jedes Mitgefühl abhanden gekommen ist. Auch Baxter spielt in diesem Spiel lange bedenkenlos mit, bis er doch ein Gewissen entwickelt, Mensch zu sein beschließt und sich aus Abhängigkeit und Unterwürfigkeit befreit.


Verstärkt wird das Thema des Verlusts von Menschlichkeit dabei durch die Situierung des Films um die Weihnachtszeit. Dem vielbesungenen Fest der Liebe steht hier blanker Egoismus gegenüber, bei dem die Männer einzig an einem schnellen Abenteuer interessiert sind. Wenn Sheldrake dabei Miss Kubelik als Weihnachtsgeschenk eine 100-Dollar-Note zusteckt, degradiert er sie praktisch zur bezahlten Prostituierten.


Die Härte und Bitterkeit des Films werden auch durch die schnörkellose und kompakte Erzählweise verstärkt, dazu kommen knappe und pointierte Dialoge von I.A.L. Diamond, die immer wieder für bissigen Witz sorgen.


Aber auch auf der visuellen Ebene besticht dieser Klassiker, der schon durch die Wahl von Schwarzweiß einen ungeschönt-realistischen Look erhält. So wird durch das Cinemascope-Format nicht nur der Breite des Großraumbüros die Kleinheit des Appartements eindrücklich gegenübergestellt, sondern auch der Anonymität im Arbeitsleben die Nachbarschaftlichkeit im engen Wohnblock. Die Vertikale des Blicks aus der Froschperspektive auf den Wolkenkratzer am Beginn und die zahlreichen Fahrten mit dem Lift bringen dagegen die Thematik des Strebens nach Aufstieg und Karriere ins Spiel, verweisen aber auch auf moralischen Aug- und Abstieg.


Auch schauspielerisch lässt "Das Appartement" nichts zu wünschen übrig. Jack Lemmon brilliert als kleiner Angestellter, der lange alles mit sich machen lässt, ebenso wie Shirley MacLaine als ausgenutzte Fahrstuhlführerin. Eine Glanzrolle bietet der Film aber auch Fred MacMurray, der schon in Wilders klassischem Film Noir "Double Indemnity" ("Frau ohne Gewissen", 1944) eine Hauptrolle spielte, als aalglatter Personalchef Sheldrake.


An Sprachversionen bietet das bei Capelight Pictures in einem Mediabook auf 4K Ultra HD und Blu-ray sowie auf DVD erschienene zeitlose Meisterwerk die englische Original- und die deutsche Synchronfassung sowie Untertitel in diesen beiden Sprachen. Die Extras umfassen neben dem amerikanischen und dem deutschen Kinotrailer sowie Trailern zu weiteren Filmen dieses Labels das 30-minütige, deutsch untertitelte Feature "Inside the Apartment", das Einblicke in die Genese des Projekts, in Besetzung und Dreharbeiten, die Arbeit der Crew und die Ideen Wilders bis hin zu Rezeption und Oscar-Erfolg bietet.


Dazu kommt die zehnminütige, ebenfalls deutsch untertitelte Dokumentation "Magic Time – The Art of Jack Lemmon", in der mit Interviews mit Lemmons Sohn Chris sowie dessen Biographen und weiteren Experten Leben und Karriere des zweifachen Oscar-Preisträgers nachgezeichnet wird. Highlight der Extras ist aber sicher der deutsch untertitelte Audiokommentar des Filmhistorikers Bruce Block, der immer nah am Film ist, die Szenen ungemein detailliert analysiert, Hintergrundinformationen liefert und Irrtümer richtig stellt.


Trailer zu "Das Appartement The Apartment"


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