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  • AutorenbildWalter Gasperi

Dancing Pina


Florian Heinzen-Ziob begleitet in seinem Dokumentarfilm die Proben zu zwei Tanzstücken Pina Bauschs in Senegal und in Deutschland: Die beiden Kontinente und die unterschiedlichen Tänzer:innen erzeugen spannende Reibungen, während die elementare Kraft und Wucht des Tanzes wiederum die Verbindung herstellen.


Zehn Jahre nach dem Tod Pina Bauschs (2009) studieren zwei ehemalige Mitglieder ihrer Kompagnie mit jungen Tänzer:innen die legendären Stücke "Iphigenie auf Tauris" (1974 uraufgeführt) und "Frühlingsopfer" (1975) neu ein. Die Originalchoreografien sollen dabei möglichst wenig verändert werden, dennoch sollen sie nicht kopiert werden, sondern die Tänzer:innen sollen sie aus ihrer Persönlichkeit und ihren eigenen Erfahrungen heraus mit neuem Leben erfüllen.


Erstmals dürfen dabei fremde Ensembles Stücke von Pina Bausch neu interpretieren. Während "Iphigenie auf Tauris" an der Semperoper in Dresden vom Ballett der Oper geprobt wird, ist der Schauplatz der Proben von "Frühlingsopfer" die École des Sables in einem Fischerdorf in der Nähe der senegalesischen Hauptstadt Dakar. Dem klassischen deutschen Opernhaus steht damit ein Zeltdach in einer wüstenhaft-braunen Sandlandschaft an der Meeresküste gegenüber.


Dazu kommt, dass auch die Tänzer:innen einen ganz unterschiedlichen Zugang haben. Denn während in Dresden in klassischem Ballett ausgebildete Profis proben, kommen die aus verschiedenen Ländern Afrikas stammenden Teilnehmer:innen teilweise vom Streetdance, teilweise vom traditionellen afrikanischen Tanz, fühlen sich aber durch die Opfer-Thematik mit dem Stück verbunden.


In bestechender Parallelmontage lässt Florian Heinzen-Ziob durchgängig die beiden nach außen hin gegensätzlichen Welten aufeinandertreffen und beschwört damit die weltumspannende Faszination und Kraft des Tanzes. Aber auch Pina Bausch wird hier ein Denkmal gesetzt und nicht nur die Bedeutung ihrer bahnbrechenden Inszenierungen, sondern auch ihre neuartige Methode wird vermittelt.


Denn im Mittelpunkt steht nicht die technische Perfektion, sondern der Ausdruck der Persönlichkeit durch den Tanz. Langsam werden so die Tänzer:innen von den ehemaligen Bausch-Tänzer:innen und Mitarbeiter:innen zu ihren Rollen herangeführt. Und während Pina Bauschs ehemalige Ensemblemitglieder Malou Airaudo und Jorge Puerta Armenta über ihre Bekanntschaft mit der großen Choreographin erzählen, bieten die jungen Tänzer:innen Einblick in ihren künstlerischen Weg.


Während beispielsweise der Amerikaner Julian Amir Lacey in der Kindheit wegen seiner Tanzleidenschaft immer wieder gehänselt wurde, erzählt eine Afrikanerin, dass tanzende Frauen in ihrer Welt mit Prostituierten gleichgesetzt werden und die Koreanerin Sangeun Lee spricht darüber, dass ihre außerordentliche Größe der Tanzkarriere zunächst im Weg stand.


Insgesamt kurz gehalten werden diese Interviews, bieten dennoch spannende Einblicke und sorgen auch für Abwechslung zu den großartigen Tanzszenen, die den Film dominieren. Mal ist die Kamera von Enno Endlicher dabei ganz nah an den Tänzer:innen mal vermittelt sie mit Totalen einen Überblick. In perfektem Timing wechselt der Film nicht nur zwischen Nähe und Distanz, sondern auch zwischen Deutschland und Afrika.


Sichtbar wird damit auch der unterschiedliche Charakter der beiden Tanzstücke. Denn während "Frühlingsopfer" eher von Gruppenszenen bestimmt wird und der Tanz quasi in den Boden gestampft wird, wirkt "Iphigenie auf Tauris", bei dem die Protagonist:innen stärker im Mittelpunkt stehen, viel filigraner und zarter.


Spannend ist es zuzusehen, wie die Stücke im Laufe der Proben immer mehr Kontur annehmen und die Tänzer:innen unter Anleitung von Airaudo bzw. Armenta in ihre Rollen hineinwachsen. Spürbar wird bei den beiden Probenprozessen aber auch, welcher Einsatz, welche Disziplin und Kraft von den Tänzer:innen verlangt werden.


Nachvollziehbar ist folglich der Schock, als die Nachricht von der Corona bedingten Absage eines Auftritts eintrifft. Doch spätestens wenn im Finale an der Küste Senegals "Frühlingsopfer" doch noch in den Sand getanzt und in der Semperoper "Iphigenie auf Tauris" aufgeführt wird, scheint dies die Tänzer:innen nicht nur für alle Anstrengungen zu entschädigen, sondern dürfte auch bei den Zuschauer:innen die Lust auf weitere solche Tanzaufführungen oder auch auf solche Tanzfilme wecken oder steigern.


Dancing Pina Deutschland 2022 Regie: Florian Heinzen-Ziob Dokumentarfilm mit: Malou Airaudo, Clémentine Deluy, Josephine Ann Endicott, Jorge Puerta Armenta, Sangeun Lee, Courtney Richardson, Julian Amir Lacey, Francesco Pio Ricci Länge: 111 min.



Läuft am Spielboden Dornbirn am 23.12. und 4.1. und in der LeinwandLounge in der Remise Bludenz am 8.3.


Trailer zu "Dancing Pina"




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