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AutorenbildWalter Gasperi

Crimes of the Future


(c) Stadtkino Filmverleih

Acht Jahre nach "Maps to the Stars" meldet sich der Kanadier David Cronenberg zurück und wendet sich mit körperlichen Mutationen wieder dem Body Horror zu, durch den er berühmt wurde: Ein ebenso düsterer wie faszinierender Film über eine mögliche Evolution des Menschen.


Die lange Liste an Produktionsfirmen, die im Vorspann angeführt werden, lässt schon ahnen, wie schwierig die Finanzierung von David Cronenbergs neuem Film war. Schon 1999 schrieb der Kanadier das erste Drehbuch, legte es dann aber wieder zur Seite, bis er mehr als 20 Jahre später den richtigen Zeitpunkt für die Realisierung gekommen sah.


Mit dem Titel "Crimes of the Future" knüpft Cronenberg zwar an seinen gleichnamigen 1970 entstandenen zweiten Langfilm an, doch inhaltlich hat der jetzige Film damit nichts zu tun. Nach seinen Auseinandersetzungen mit der realen Gewalt in den 2000er Jahren mit "A History of Violence" (2005) und "Eastern Promises" (2007), dem Ausflug in den historischen Film mit dem Freud-Jung-Film "A Dangerous Method" (2011) und der Satire auf Starruhm in "Maps to the Stars" (2014) kehrt der 79-Jährige aber wieder zum Body Horror zurück, der ihn in den 1970er und 1980er Jahren berühmt machte.


Dystopisch wirkt die Welt in ihren fahlen Farben und tristen Schauplätzen. Das Wrack eines gekenterten und halbverrostetes Kreuzfahrtschiffs kommt so zunächst ins Bild, später wird man in schäbige Büros entführt, die eher Assoziationen an einen Film noir der 1940er Jahre als an einen futuristischen Film wecken.


Wie grundsätzlich sich die Menschheit verändert hat, zeigt Cronenberg schon in der ersten Szene, wenn ein Junge einen Plastikeimer isst. Das Unverdauliche zu verdauen, scheint auf dieser Evolutionsstufe möglich. Doch die Mutter will dies nicht akzeptieren und tötet den Jungen, in dem sie nicht mehr ihren Sohn, sondern "nur" eine Kreatur sieht.


Mit diesem Verzehr von Plastik will Cronenberg nach eigener Aussage auf Mikroplastik anspielen, das längst in jedem Menschen steckt. Von diesem Aspekt wendet er sich aber rasch ab und dem Künstlerpaar Saul (Viggo Mortensen) und Caprice (Léa Seydoux) zu. In öffentlichen Performances lässt sich Saul von Caprice die stets neuen Organe – oder sind es Tumore -, die in ihm wachsen ohne Narkose herausoperieren.


"Chirurgie ist der neue Sex" wird zum Leitspruch des Films. Gewohnte körperliche Beziehungen gibt es kaum mehr, auch die Schmerzempfindung ist den Menschen weitgehend abhanden gekommen. Schnitte mit dem Skalpell sorgen für Lustgefühle.


Schwer tut sich Saul dafür beim Essen. Nur gefesselt an einen speziellen Stuhl und mittels Fütterungsmaschine scheint ihm dies möglich. Plastiknahrung wird zwar schon erzeugt, doch der Mensch scheint noch nicht in der Lage diese zu verdauen. Wie man am Jungen am Beginn aber sieht, der einen Prototypen einer neuen Evolutionsstufe darstellt, ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis auch dies möglich ist..


Saul und Caprice sind in dieser Welt aber nicht die einzigen Performance-Künstler. So lässt sich ein Konkurrent, dem über den ganzen Körper Ohren wachsen, für eine Tanz-Performance Augen und Mund zunähen. Gleichzeitig versucht aber auch der Staat Kontrolle über diese körperlichen Entwicklungen zu behalten und die Organe zu registrieren, während eine Untergrundorganisation die Evolution vorantreiben will.


Ebenso abgefahren und kryptisch wie aufregend ist "Crimes of the Future" in seiner Unkonventionalität und seiner Auseinandersetzung mit menschlicher Evolution, Mutation, Verstümmelung und Kunst. Wie in "eXistenZ" und "Crash" verhandelt Cronenberg auch hier das Verhältnis von Mensch und Maschine, wenn Saul nur künstlich ernährt werden kann oder nur in einem seltsamen Bett, in dem er an Schläuche angeschlossen ist, schlafen kann.


Aber so viel Spielraum der Film auch für Interpretation und philosophische Überlegungen bietet, so theaterhaft wirken doch auch wieder viele Szenen durch die Dialoglastigkeit und die Beschränkung auf wenige Räume. Spürbar wird in diesem kammerspielartigen Charakter das begrenzte Budget, das wohl auch zu einem kostengünstigen Dreh in Griechenland führte.


Wettgemacht wird dieses aber wieder durch ein exzellentes Ensemble. Großartig ist Viggo Mortensen, der hier nach "A History of Violence", "Easter Promises" und "A Dangerous Method" zum vierten Mal eine Hauptrolle in einem Cronenberg-Film spielt. Meist unter einem schwarzen Kapuzenmantel verborgen, der an mittelalterliche Mönche erinnert, spielt er Saul mit großer Zurückhaltung und viel Understatement.


Die größte Wandlung im Lauf des Films macht aber die Figur Kristen Stewarts durch, die zunächst eine staubtrockene Sekretärin zu sein scheint, dann aber Gefühle für Saul entwickelt. Wenn hier kurz noch einmal echte Leidenschaft aufflackert, wird spürbar, was mit der geschilderten Entwicklung in der kalten und düsteren Welt der Zukunft verloren gegangen ist.



Crimes of the Future Kanada / Griechenland 2022 Regie: David Cronenberg mit: Viggo Mortensen, Léa Seydoux, Kristen Stewart, Scott Speedman, Dong McKellar, Welket Bungué Länge: 108 min.


Spielboden Dornbirn: Di, 10.1., 19.30 Uhr


Trailer zu "Crimes of the Future"


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