Hauptdarsteller Michael B. Jordan spinnt in seinem Regiedebüt die Geschichte um den Boxer Adonis Creed weiter: Das Auftauchen eines lange inhaftierten Jugendfreundes weckt nicht nur verdrängte Erinnerungen, sondern fordert auch eine Reaktion des zurückgetretenen Champions. – Solide inszenierter Boxerfilm, dessen Kernstück harte Kampfszenen sind.
Über 47 Jahre und acht Filme spannt sich inzwischen die Serie, die 1976 mit "Rocky" begann und Sylvester Stallone zum Star machte. Während sich freilich im ersten Film noch im Aufstieg Rocky Balboas der Traum von einer Regeneration der USA durch den Regierungsantritt Jimmy Carters nach Watergate-Skandal und Vietnam-Debakel spiegelte, und in "Rocky IV" (1985) mit dem Kampf Rockys gegen einen Russen der Kalte Krieg in den Boxring verlegt wurde, findet sich in "Creed III – Rocky´s Legacy" allenfalls in der Rolle von Adonis Creeds Frau eine aktuelle gesellschaftliche Komponente.
Denn diese Bianca (Tessa Thompson) spielt zwar eine Nebenrolle, steht als erfolgreiche Sängerin, die nun andere Talente produziert, aber hinsichtlich ihres beruflichen Erfolgs gleichwertig neben ihrem Mann, der ein Boxstudio leitet. Der Aspekt der Inklusion wird wiederum mit der Tochter des Paares bedient, ist diese doch gehörlos. Gleichzeitig könnte mit dieser neunjährigen Amara, die sich für den Boxsport ihres Vaters begeistert, in späteren Filmen auch Frauenboxen ins Spiel gebracht werden.
Spannung baut Michael B. Jordan auf, indem er den Film mit einer 2002 spielenden Szene mit dem jugendlichen Adonis eröffnet, diese aber nur bruchstückhaft ausführt. So überlagert das Geheimnis um dieses Kindheitserlebnis die erste Hälfte des Films. 20 Jahre später taucht jedenfalls Adonis´ damaliger Freund Damian „Dame“ Anderson (Jonathan Majors) auf. Erst vor kurzem aus der Haft entlassen, verlangt er von Adonis für ihn einen Titelkampf zu organisieren. Wenig hält Adonis zwar davon, fühlt sich aus lange nicht einsichtigen Gründen Damian gegenüber aber verpflichtet.
So erzählt "Creed III" auch von einem traumatischen Kindheitserlebnissen, von verdrängter Vergangenheit und Schuldgefühlen, denen sich Adonis schließlich stellen muss. Dies scheint für den Ex-Champion schwerer als der Kampf im Ring, sodass sich durch sein Schweigen auch ein kurzer Ehekonflikt aufbaut, aber auch die Beziehung zu seiner Mutter wird durch diese Vergangenheit beeinträchtigt.
Zu dieser Familiengeschichte kommt die Geschichte der Beziehung von Adonis und Damian, den Jonathan Majors großartig ambivalent teils als vom Leben gebeutelter Underdog, teils als hinterhältig spielt. Emotionalen Background bieten diese Ebenen für Boxkämpfe, die mit einem Kampf am Beginn, einem ziemlich genau in der Mitte und einem großen finalen Kampf geschickt über den ganzen Film verteilt sind. Lässt sich Jordan in der ersten Stunde Zeit für die Familiengeschichte, so richtet sich der Fokus im zweiten Teil zunehmend aufs Boxen. Nicht fehlen darf dabei auch eine lange und routinierte, aber sicher nicht spektakuläre Montagesequenz, in der parallel das harte Training von Adonis und Damien gerafft geschildert wird.
Beim Kampf schließlich versetzt eine bewegliche und nah geführte Kamera sowie hohe Schnittfrequenz und Einsatz von Zeitlupe die Zuschauer:innen mitten ins Geschehen. Verstärkt wird die Intensität dieser Szenen, indem Jordan teilweise den Hintergrund komplett ausblendet und nur der Ring und die beiden Kämpfer sichtbar sind.
Das ist starkes physisches Kino, das die Brutalität dieses Sports mit aller Deutlichkeit vermittelt. Wie Tiere erscheinen hier die Kontrahenten, wenn sie nur noch unverständliche Laute von sich geben, letztlich wird Adonis aber auch wieder zum Helden hochstilisiert. Wo Martin Scorsese in seinem Boxerfilm "Raging Bull" die Männlichkeitsvorstellung Jake La Mottas zertrümmerte, indem er aufzeigte, wie die Gewalt im Ring im Alltag weiterlebt, da feiert Jordan diese muskelbepackten Männer und ihre Schlagkraft.
Solides Genrekino wird so geboten, neue Facetten werden dem Boxerfilm aber nicht abgewonnen und auch andere schon in Klassikern des Genres thematisierte Aspekte vom Boxen als Möglichkeit zum Aufstieg aus der Gosse ("Somebody Up There Likes Me", 1956; "Rocky", 1976) oder den schmutzigen Geschäften im Boxbetrieb ("Body and Soul", 1947) bleiben außen vor. Langeweile kommt so zwar keine auf, aber wenig bleibt auch nach den zwei Stunden haften.
Creed III – Rocky´s Legacy USA 2023 Regie: Michael B. Jordan mit: Michael B. Jordan, Tessa Thompson, Jonathan Majors, Florian Munteanu, Wood Harris, Florian Munteanu, Mila Davis-Kent, Phylicia Rashad Länge: 116 min.
Läuft derzeit in den Kinos.
Trailer zu "Creed III - Rocky´s Legacy"
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