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Caught Stealing

  • Autorenbild: Walter Gasperi
    Walter Gasperi
  • 30. Aug.
  • 4 Min. Lesezeit
"Caught Stealing": Rasanter Crime-Thriller, in dem ein Ex-Baseball-Talent brutalen Killern zu entkommen versucht.
"Caught Stealing": Rasanter Crime-Thriller, in dem ein Ex-Baseball-Talent brutalen Killern zu entkommen versucht.

Ein ehemaliges Baseball-Talent wird im New York der späten 1990er Jahr Ziel brutaler Krimineller: Rasanter und atmosphärisch dichter Crime-Thriller von Darren Aronofsky, der an die Filme von Guy Ritchie und Quentin Tarantino anknüpft, sich aber schwertut die Balance zwischen bitterem Ernst und schwarzem Humor zu finden.


Von der Home Plate eines Baseballfelds zoomt die Kamera von Matthew Libatique zurück und öffnet den Blick aufs ganze Spielfeld und bald auch auf einen Teil der Stadt. Mit einem Schnitt folgt nicht nur das Insert "New York" 1998, sondern auch ein Schwenk von den nächtlichen Twin Towers des World Trade Centers über Häuserdächer hinab zu einer schummrigen Bar.


Dieser Auftakt stimmt einerseits ebenso wie der Titel "Caught Stealing", der sich auf eine "gestohlene Base" beim Baseball bezieht, auf die sich durch den Film ziehende Thematisierung von Baseball ein, sorgt andererseits aber auch für die Situierung des Films in einem schmuddeligen Prä-9/11 New York. Hier wird in den Bars noch ausgiebig gefeiert, die Straßenzüge wirken noch schäbig, aber die Gentrifizierung wird schon angesprochen. Dicht evoziert Kameramann Libatique diese Atmosphäre auch durch die körnigen, an analoges Filmmaterial erinnernden Bilder.


Im Mittelpunkt von Darren Aronofskys Verfilmung von Charlie Hustons 2004 erschienenem Roman "Der Prügelknabe" steht der junge Hank (Austin Butler). Einst war er ein vielversprechendes Baseball-Talent, doch ein traumatischer Unfall, der ihn in Albträumen immer wieder einholt, beendete abrupt seine Karriere. Nicht nur sein Knie wurde damals zertrümmert, sondern auch sein Highschool-Freund kam dabei ums Leben.


Nun arbeitet er in einer Bar, ist selbst zu viel dem Alkohol zugeneigt und wohnt in einer schäbigen Wohnung. Als sein Nachbar Russ (Matt Smith), ein Punk-Rocker mit prächtigem Irokesenschnitt, wegen einer schweren Erkrankung seines Vaters nach England reisen muss, soll Hank auf dessen Kater aufpassen. Bald stellen sich aber nicht nur zwei brutale Schläger der russischen Mafia ein, sondern auch zwei orthodoxe Juden erweisen sich als äußerst gefährlich.


Nicht lange dauert es so, bis Menschen in Hanks Umfeld getötet werden, während er lange nicht weiß, was die Gangster von ihm wollen. Schutz scheint er bei einer afroamerikanischen Polizistin (Regina King) zu finden, doch diese zeigt bald auch eine andere Seite.


Dynamisch und kraftvoll treibt Aronofsky mit schnellem Schnitt (Andrew Weisblum) die Handlung voran. Songs der britischen Post-Punk Band Idles unterstützen die düstere Stimmung und mit expressiver Bildsprache zieht der 56-jährige New Yorker die Zuschauer:innen mit extremen Großaufnahmen und ungewöhnlichen Kameraperspektiven ins Geschehen hinein.


Wenn hier ein Unwissender und im Grunde Unschuldiger in einem düsteren New York in haarsträubende Erlebnisse verwickelt wird, ist das Vorbild von Martin Scorseses schwarzer Komödie "After Hours" ("Die Zeit nach Mitternacht", 1984) unübersehbar. Betont wird das noch dadurch, dass Scorseses Hauptdarsteller Griffin Dunne auch in "Caught Stealing" die Nebenrolle des Barbesitzers Paul spielt.


Gleichzeitig scheint Aronofsky aber Reverenzen an zahlreiche weitere New York-Filme einzuflechten. So erinnert die durchgängige Auseinandersetzung mit Baseball ebenso an Abel Ferraras furiosen "Bad Lieutenant" (1992) wie die Sorge um den Kater an "Inside Llewyn Davis" der Coen-Brüder, während mit einer wilden Autofahrt durch die Metropole William Friedkins "French Connection" (1971) zitiert wird.


Vor allem aber scheint sich Aronofsky an den Filmen von Guy Ritchie und Quentin Tarantino zu orientieren. Wie diese mischt er brutale Gewalt mit schwarzem Humor, tut sich dabei aber schwer den richtigen Ton zu finden, da im Gegensatz zum Spielerischen seiner Vorbilder bei ihm immer wieder der Ernst Übergewicht gewinnt.


Da mögen beispielsweise der Kater oder die orthodoxen Juden, die am Sabbat kein Auto steuern wollen, wohl aber zu einem blutigen Anschlag ausholen, für Lacher sorgen, so kennzeichnen die brutalen Morde oder eine Szene, in der Hank im Hausgang niedergeschlagen und so lange getreten wird, dass er danach erst nach zwei Tagen im Krankenhaus aus dem Koma erwacht, doch bitteren Ernst.


Man spürt förmlich, wie sich Aronofsky mit "Caught Stealing" von seinen bedrückenden Porträts gequälter Männer in "Pi" (1997), "Requiem for a Dream" (2000), "The Wrestler" (2008) oder "The Whale" (2022) befreien will, ihm dies aber letztlich nicht gelingt. Denn im Kern geht es angesichts des Unfalltods seines Freundes und der Morde in Hanks Umfeld wieder um Schuldgefühle und die Sehnsucht nach Erlösung.


Gleichzeitig erzählt dieser wilde Ritt aber auch von einer Selbstermächtigung seines von Austin Butler mit vollem Einsatz gespielten Protagonisten. Ist er nämlich lange ein Gejagter, der sich darauf beschränkt, seinen bis zur Karikatur stereotyp gezeichneten Verfolgern zu entkommen, so wandelt er sich schließlich zum aktiven Player, der selbst die Zügel in die Hand nimmt und die Handlung in seinem Sinne zu lenken versucht.


So versteckt sich in "Caught Stealing", der in einer wunderbaren Abspannszene auch der durch den ganzen Film nur über Telefonate akustisch präsenten Mutter Hanks ein Gesicht gibt, auch eine Absage an Passivität und ein Plädoyer für aktives Handeln.



Caught Stealing

USA 2024

Regie: Darren Aronofsky

mit: Austin Butler, Zoë Kravitz, Bad Bunny, Carol Kane, Vincent D’Onofrio, Liev Schreiber, Matt Smith, Regina King, Griffin Dunne

Länge: 109 min.



Läuft derzeit in den Kinos, z.B. im Cineplexx Hohenems Spielboden Dornbirn: 1.10. + 11.10.



Trailer zu "Caught Stealing"



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