top of page
  • AutorenbildWalter Gasperi

Cannes 2019: Alte Bekannte, Neulinge, Tarantino und Co.

La Pointe courte © 1994 Agnès Varda and her children - Montage and design: Flore Maquin

Zahlreiche frühere Preisträger, aber auch einige Newcomer im Wettbewerb um die Goldene Palme finden sich im Line-up für das prestigeträchtigste Filmfestival der Welt (14. bis 25. Mai 2019). Österreich ist mit Jessica Hausners englischsprachigem Debüt „Little Joe“ vertreten und nachnominiert wurden kurz vor Festivalbeginn noch die neuen Filme von Tarantino und Kechiche.


Die Linie auf Netflix-Filme zu verzichten hat der künstlerische Leiter Thierry Frémaux auch heuer konsequent fortgesetzt, andererseits werden aber auch potentielle Produktionen wie Martin Scorseses lange erwarteter „The Irishman“ nicht rechtzeitig fertig.


Eröffnet wird so das Festival mit Jim Jarmuschs Zombie-Komödie „The Dead Don´t Die“. Seit seinem internationalen Durchbruch mit „Stranger than Paradise“ im Jahre 1983 ist die Indie-Ikone Stammgast an der Côte d´Azur, eine Goldene Palme hat Jarmusch allerdings bislang nicht gewonnen.


Im Gegensatz dazu streben die belgischen Brüder Dardenne nach „Rosetta“ und „L´enfant“ mit „Ahmet“ ebenso wie der Brite Ken Loach nach „The Wind that Shakes the Barley“ und „I, Daniel Blake“ mit „Sorry We Missed You“ die dritte und Terrence Malick nach „The Tree of Life“ mit „A Hidden Life“ die zweite Palme an. Nicht zu übersehen ist aber auch, dass sich Dardenne und Malick mit den letzten Werken nicht ganz auf der Höhe ihrer Kunst zeigten.


Dennoch darf man speziell auf den neuen Film des 76-jährigen Amerikaners gespannt sein, der sich in „A Hidden Life“ doch recht überraschend mit dem Leben des österreichischen Wehrdienstverweigerers Franz Jägerstätter beschäftigt. Man wird sehen, ob sich Malick bei diesem vorwiegend mit deutschsprachigen Schauspielern wie August Diehl, Karl Markovic und Valerie Pachner besetzten Film, der sich schon seit 2016 in der Postproduktion befand, wieder stärker von seinem assoziativen Erzählstil hin zu einem narrativen bewegt.


Ein weiteres Melodram ist von Pedro Almodóvar zu erwarten, der immer noch auf eine Goldene Palme wartet und heuer „Dolor y gloria“ ins Rennen schickt. Für Genrekino dürfte dagegen der Koreaner Bong Joon-ho, der vor zwei Jahren mit „Okja“ die Kritiker spaltete, mit „Parasite“ sorgen. Rund zehn Jahre hörte man dagegen nichts vom Palästinenser Elia Suleiman, der 2002 mit „Divine Intervention“ einen Festivalerfolg landete, nun meldet er sich aber mit „It Must Be Haven“ zurück.


Zu den Stammgästen beim Filmfestival von Cannes zählt auch der Franzose Arnaud Desplechin, der mit „Roubaix, une lumière“ ein weiteres Mal in seine Heimatstadt zurückkehrt. Zahlenmäßig gewohnt stark vertreten ist das Gastgeberland, das neben Desplechin zudem mit Justine Triet („Sibyl“), Céline Sciamma („Portrait de la jeune fille en feu“) und der Debütantin Mati Diop („Atlantique) die Frauenquote verbessert.


Die vierte Regisseurin im Kampf um die Goldene Palme ist die Österreicherin Jessica Hausner. Wurde ihr letzter Film „Amour Fou“ 2014 noch in die Nebenreihe „Un certain regard“ eingeladen, läuft ihr englischsprachiger Science-Fiction-Film „Little Joe“, in dem es um eine genmanipulierte Pflanze geht, dessen Samen Veränderungen bei Mensch und Tier hervorruft, nun im Wettbewerb.


Wettbewerbserfahrung haben dagegen schon der erst 30-jährige Frankokanadier Xavier Dolan, der nach dem enttäuschenden „Juste la fin du monde“ nun mit „Matthias et Maxime“ eingeladen wurde, sowie der italienische Altmeister Marco Bellocchio, der „Il traditore“ zeigt.


Frischen Wind und Überraschungen in den Wettbewerb können aber auch die Brasilianer Kleber Mendonca Filho und Juliano Dornelles mit „Bacurau“, der Amerikaner Ira Sachs mit „Frankie“, der Rumäne Corneliu Porumboiu mit „The Whistlers“ oder der Chinese Diao Yinan, der zuletzt bei der Berlinale mit dem Film noir „Feuerwerk am helllichten Tag“ den Goldenen Bären gewann, mit „The Wild Goose Lake“ bringen.


Kurz vor Festivalbeginn wurden auch noch die neuen Filme von Quentin Tarantino, Abdellatif Kechiche und Gaspar Noé nominiert. Tarantino führt den Zuschauer in "Once Upon a Time in Hollywood" in die Filmwelt von 1969 und Kechiche setzt mit seinem vierstündigen "Mektoub My Love: Intermezzo" den vor zwei Jahren in Venedig ziemlich untergegangenen "Mektoub My Love: Canto uno" fort. Gaspar Noé wird außer Konkurrenz den mittellangen "Lux Aeterna" zeigen.


Außer Konkurrenz darf man außerdem gespannt sein auf Asif Kapadias Dokumentarfilm „Diego Maradona“ und Dexter Fletchers Elton-John-Biopic „Rocketman“ , sowie auf die Sondervorführungen von Werner Herzogs „Family Romance, LLC“ und Abel Ferraras „Tommaso“.


Mit sechs von 16 Produktionen sind die Frauen in der Programmschiene „Un certain regard“ für einmal für Cannes erfreulich stark vertreten, die bekanntesten Regisseure sind aber hier Bruno Dumont, der nach seinem schrägen Musical über die Kindheit Jeanne d´Arcs mit „Joan d´Arc" nachlegt, Christophe Honoré, der „Room 212“ zeigt, und Albert Serra („Liberté“), dem zuletzt mit „La muerte de Louis XIV“ ein respektabler Erfolg in den Arthouse-Kinos gelang.


Hochkarätiges kann aber durchaus auch die "Quinzaine des realisateurs" bieten, die unter anderem mit neuen Filmen von Quentin Dupieux, Bertrand Bonello, Lav Diaz und Takashi Miike aufwartet. - Die meisten anderen Festivals wären wohl froh das, was in Cannes in einer Nebenreihe läuft, für den Hauptwettbewerb zu bekommen.


Auffallend ist auch, welche Namen und Titel – abgesehen von Scorseses „The Irishman“ – im Vorfeld genannt wurden, nun aber fehlen. Wohl erst in Venedig oder Toronto werden somit Kelly Reichardts „First Cow“, Benh Zeitlins „Wendy“ oder Hirokazu Kore-edas französischsprachiges Debüt „The Truth" zu sehen sein und auch die Fertigstellung von James Grays Science-Fiction-Film „Ad Astra“ verzögert sich immer wieder.

bottom of page