
Positive Beispiele für regionales alternatives Wirtschaften verbindet Erwin Wagenhofer in seinem Dokumentarfilm mit Statements zum tiefen Erleben von Musik, Gedanken über den Weg zum wahren Glück und der wichtigen Rolle der Frauen. – Das ist dann doch etwas viel für einen einzigen Dokumentarfilm, lässt das Zentrum vermissen und verliert sich letztlich im Oberflächlichen.
„Nichts existiert unabhängig“ lautet der Untertitel von Erwin Wagenhofers neuem Dokumentarfilm und die Montage will diese Verbindung von allem vermitteln, wenn noch zu Szenen in Indien südamerikanische Musik oder amerikanischer Jazz ertönt. Doch so sehr diese Montage auch versucht die Ebenen zu verschränken, so wird doch dieser Zusammenhang nie spürbar, sondern bleibt papierene Behauptung.
Nach sehr erfolgreichen kritischen Filmen über die industrielle Landwirtschaft („We Feed the World“), die Finanzwirtschaft („Let´s Make Money“) und das Bildungssystem („Alphabet“) hat der österreichische Dokumentarfilmer nun einen Film gedreht, der mit positiven Beispielen Hoffnung machen soll. Ein Schweizer Paar, das auf La Palma zerstörte Böden wieder kultiviert hat und autark lebt, präsentiert er ebenso wie das Barefoot College im ländlichen Indien, in dem Frauen zu Solartechnikerinnen ausgebildet werden, oder einen Förster in Salzburg, der eindrücklich die Bedeutung und die Wichtigkeit des Waldes beschwört.
Durchaus interessant sind diese Beispiele, die nicht hintereinander, sondern parallel vorgestellt werden, doch aus dem Gleichgewicht gerät sein Film, wenn Wagenhofer dazwischen den New Yorker Pianisten Kenny Werner über das tiefe Erleben von Musik philosophieren und die kolumbianische Sängerin Lucia Pulido die Stärke der Frauen beschwören lässt, dem Jazztrompeter Mario Rom und seiner Band beim Spiel zuschaut und zudem Statements des Dalai Lama und dessen Schwester zum Glück und zur Menschlichkeit einfügt.
Durchaus witzig wirken die Aussagen des weltlichen und geistigen Oberhaupts der Tibeter zwar, bleiben aber doch banal und fungieren im Grunde als Sprachrohr für den Prediger Wagenhofer, der sich selbst im Gegensatz zu seinen Kollegen Michael Moore und Werner Boote („The Green Lie“) ganz aus dem Film zurückhält und auf jeden Kommentar verzichtet.
Dass nicht nur die Sängerin Pulido, sondern auch in den Szenen in Indien die Bedeutung starker Frauen für eine bessere Entwicklung der Welt betont wird, ist zwar im Ansatz durchaus wichtig und richtig, wird aber nicht vertieft und wird zudem konterkariert durch die Szenen mit dem österreichischen Förster, in denen Frauen völlig abwesend sind, oder auch mit dem Schweizer Paar auf La Palma, in denen die Frau kaum zu Wort kommt.
Weil alles verbunden sein soll, packt Wagenhofer fast alles in seinen Film – und behandelt letztlich nichts wirklich. Nicht nur reichlich überambitioniert wirkt so „But Beautiful“, sondern bleibt auch oberflächlich und unergiebig in der Präsentation der völlig aus dem Kontext gerissenen Projekte alternativen Wirtschaftens.
Weiteres Problem ist zudem, dass trotz starker Bilder vom Wald, speziell der Jahresringe eines gefällten Baumes oder der Wand eines Holzhauses die visuelle Ebene letztlich zu kurz kommt. Da gibt es zwar auch prächtige Bilder vom Nebelmeer über dem Ozean, doch das bleiben Postkartenansichten, denn im Grunde erfolgt die ganze Erzählung und Argumentation des Films über die Interviews. Spannend, tiefgründig und wirklich neue Einblicke öffnend ist das, was die Protagonisten dabei zu sagen haben aber leider nur in wenigen Momenten, erschöpft sich weitgehend in Banalitäten und Binsenweisheiten.
Lange ziehen sich so die knapp zwei Stunden hin und man hat das Gefühl, einen Film zwar mit Potential, aber letztlich der vergebenen Chancen gesehen zu haben, denn sowohl aus dem landwirtschaftlichen Projekt auf La Palma, als auch aus dem Bildungsprojekt für Frauen in Indien oder dem Salzburger Förster hätte man wohl mehr herausholen können, während man speziell auf die musikalisch-philosophische Ebene gerne verzichtet hätte.
Läuft derzeit im Feldkircher Kino Rio, am 30.11. und 6.12. am Spielboden Dornbirn und im Dezember im St. Galler Kinok
Trailer zu "But Beautiful"
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