Salvador Simó zeichnet in seinem 2019 mit dem Europäischen Filmpreis ausgezeichneten Animationsfilm die Entstehungsgeschichte von Luis Buñuels Dokumentarfilm "Las Hurdes" nach. Der bewusst schlicht animierte Film besticht durch seine liebevolle Machart, die sorgfältig aufgebaute Erzählung und das Spiel mit für Buñuel typischen surrealen Momenten.
Programmatisch lässt Salvador Simó seinen Animationsfilm 1930 mit einer Diskussion in einem Pariser Café über die Rolle der Kunst beginnen. Am Tisch sitzt auch Luis Buñuel, der zwei Jahre zuvor zusammen mit Salvador Dali die Welt mit "Der andalusische Hund" provozierte und schockte.
Die Mehrheit der Diskutierenden ist der Meinung, dass Kunst darauf abzielen müsse, die Gesellschaft zu verändern, doch Luis Buñuel erlebt bei der folgenden Premiere des anarchistischen "L´age d´or", wie aggressiv und feindselig das Bürgertum auf solche revolutionären Filme reagieren kann: Im Kino kommt es zu Tumulten, nicht nur sein Produzent ist plötzlich nicht mehr bereit, weitere Projekte des Spaniers zu finanzieren, sondern es finden sich auch keine anderen Geldgeber. Ein Drehbuch für einen Dokumentarfilm über die ärmste Region Spaniens wird ihm zwar zugesteckt, doch was soll er damit angesichts fehlender finanzieller Mittel machen?
Enttäuscht kehrt er nach Spanien zurück und trifft sich mit seinem Freund Ramon Acin. Nach einem Barbesuch erklärt dieser, dass er "Las Hurdes" finanzieren werde, falls das gerade gekaufte Lottolos den großen Gewinn bringt. Das Unglaubliche tritt ein und gemeinsam fahren sie in die verarmte Region Las Hurdes in der spanischen Extremadura....
Einfach sind die vorwiegend in Brauntönen gehaltenen Bilder gestaltet, reduziert auf das Wesentliche, aber in jeder Szene spürt man die Liebe, die Simó in diese Adaption einer Graphic Novel von Fermín Solis legte. Der Spanier erzählt dabei nicht nur sehr rund die Entstehungsgeschichte des halbstündigen Dokumentarfilms, sondern spielt auch mit Buñuels Bilderwelt.
Alptraumhafte Erinnerungen an den dominanten Vater und die streng katholische Erziehung steigen da im berühmten Regisseur ebenso auf wie solche an die Trommeln von Calanda, die er als Kind in der Karwoche spielte, ihn prägten und auch im späteren Spielfilm "Nazarín" eine wichtige Rolle spielen. Andererseits erinnert Simó mit einer Vision Buñuels von Elefanten auf Stelzen, die durch die Straßen ziehen, an dessen kurze Zusammenarbeit mit Salvador Dalí und seine Liebe zum Surrealismus.
Meisterhaft werden auch immer wieder in die Animationsszenen Ausschnitte aus dem originalen schwarzweißen Dokumentarfilm Buñuels eingeschnitten. Eindringlich bewusst wird durch diese erschütternden Bilder von Not und Armut die Aufgabe des Films auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam zu machen und eine Veränderung zu initiieren.
Gleichzeitig zeigt Simó aber auch, dass Buñuel sich keinesfalls darauf beschränkte, nüchtern und objektiv zu beobachten, sondern auf der Basis von Erzählungen über die Dorfbewohner drastische Szenen inszenierte. Deutlich wird da wieder die Lust des Spaniers an der Provokation und dem Schockieren des Publikums, wenn er einen Dorfbewohner einem Huhn den Kopf abreißen lässt oder einen Esel filmt, der von Bienen langsam zu Tode gestochen wird.
Hoch anrechnen muss man Simó aber auch, dass er nicht allein auf dem weltberühmten Regisseur fokussiert, sondern auch seinem befreundeten Produzenten Ramon Acin viel Raum zugesteht und ihn damit dem Vergessen entreißt. Bewegend sind die Inserts des Nachspanns, die daran erinnern, dass Acin von den Faschisten kurz nach Beginn des Spanischen Bürgerkriegs 1936 ebenso wie seine Frau ermordet wurde und sein Name aus dem Vorspann von "Las Hurdes" getilgt wurde und erst in den 1960er Jahren von Buñuel wieder ergänzt wurde.
Wird vom Filmforum Bregenz am Donnerstag, den 13.8. um 20 Uhr im Metrokino Bregenz gezeigt.
Trailer zu "Buñuel im Labyrinth der Schildkröten"
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