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Black Bag - Doppeltes Spiel

  • Autorenbild: Walter Gasperi
    Walter Gasperi
  • vor 7 Stunden
  • 4 Min. Lesezeit
"Black Bag": Steven Soderberghs Agentenfilm ist eine großartige Kinolektion
"Black Bag": Steven Soderberghs Agentenfilm ist eine großartige Kinolektion

Ein britischer Geheimagent muss eine:n Verräter:in in den eigenen Reihen ausfindig machen. Ist der/die Gesuchte womöglich die eigene Frau? – Steven Soderbergh mischt Agentenfilm und Beziehungsdrama zu einer elegant inszenierten, dicht getakteten Kinolektion, die von einem exzellenten Cast und messerscharfen Dialogen getragen wird.


Schon mit seinem Debüt "Sex, Lügen und Video" (1989) schaffte Steven Soderbergh als 26-Jähriger den großen Durchbruch. In den folgenden Jahren pendelte er zwischen Arthouse-Filmen wie "Kafka" (1991) und "The Limey" (1999), massentauglichem gesellschaftskritischem Kino wie dem Drogenthriller "Traffic" (2000) oder dem Justizdrama "Erin Brockovich" (2000) und lustvollen Unterhaltungsfilmen wie der "Oceans"-Trilogie (2001 – 2007). Mehrfach erklärte er auch den Rückzug vom Film, legte nach einer Pause dann aber doch wieder einen neuen Film vor.


In den letzten Jahren ist es um Soderbergh eher still geworden, mit "Black Bag" meldet er sich aber eindrucksvoll zurück. Der 62-jährige Amerikaner scheint es förmlich darauf anzulegen, dem Publikum beweisen zu wollen, wie perfekt er immer noch Kino beherrscht, wie leichthändig und lustvoll er inszenieren kann.


Wie gewohnt übernahm Soderbergh dabei nicht nur für die Regie, sondern zeichnet unter den nach den Namen seiner Eltern gewählten Pseudonymen Peter Andrews beziehungsweise Mary Ann Bernard auch für Kameraarbeit und Schnitt verantwortlich. Fürs Drehbuch holte er mit David Koepp dagegen einen echten Profi, der nicht nur mit den Drehbüchern unter anderem zum ersten "Mission Impossible-"Film (1996), David Finchers "Panic Room" (2002) und den Dan Brown-Verfilmungen "Illuminati" (2009) und "Inferno" (2016) über große Erfahrung verfügt, sondern mit dem Soderbergh auch schon bei seinen letzten beiden, im deutschsprachigen Raum nie in den Kinos gelaufenen Filmen "Kimi" (2022) und "Presence" (2024) zusammenarbeitete.


Mit dem Insert "London" und "Freitag" wird mit einer fulminanten, den Film eröffnenden Plansequenz der Takt vorgegeben. Zu Trommelmusik folgt die Kamera im Rücken dem Protagonisten George (Michael Fassbinder) von einer nächtlichen Straße durch Gänge in den Keller eines Nachtclubs, wo die Musik zu Popmusik wechselt. Dort trifft George seinen Chef und weiterhin ohne Schnitt begleitet die Kamera das Duo wieder zurück auf die Straße, wo George informiert wird, dass einer von fünf Geheimdienstmitarbeiter:innen ein Verräter sei und die Szene mit der Aufforderung "Finde die Ratte!" endet.


Das Thema ist damit vorgegeben und weitgehend auf zwei verdächtige Paare sowie Georges Frau konzentriert sich "Black Bag". Soderbergh entwickelt ein furioses Spiel um Vertrauen, Misstrauen, Loyalität und Manipulation und mischt souverän Spionagefilm, Agatha-Christie-Krimi und Beziehungsdrama.


Wie Christies Meisterdetektiv Hercule Poirot versucht George bei einem Dinner den Verdächtigen auf den Zahn zu fühlen, sorgt zwar dafür dass persönliche Geheimnisse gelüftet werden und die Situation eskaliert, doch bei der Suche nach dem Verräter kommt er dabei nicht weiter.


Doch nicht nur die Gäste, sondern auch seine Frau Kathryn (Cate Blanchett) macht sich mit einer Reise, über die sie als Geheimdienstagentin nichts sagen darf, verdächtig, sodass er auch sie zu beobachten beginnt. Bald muss er aber auch entdecken, dass auch er instrumentalisiert und manipuliert wird.


Auf Action können Soderbergh und Koepp getrost verzichten. Mit messerscharfen, knappen Dialogen und schnellem Schnitt treiben sie die Handlung voran. Auch auf spektakuläre Locations, die die James Bond-Filme oder auch die "Mission Impossible"-Reihe immer wieder attraktiv ins Bild rücken, verzichten sie.


Zum Kammerspiel wird "Black Bag" geradezu mit dem Dinner am Beginn und dessen Wiederholung am Ende, während sich die Handlung dazwischen in den Bürogebäuden abspielt und sich George auch einmal eine Nachdenkpause beim Angeln gönnt.


Während in den meisten Agentenfilmen das Privatleben der Protagonist:innen völlig ausgespart wird, bildet es hier eine wichtige zweite Ebene. So zieht sich durch den ganzen Film die Frage, wie es Vertrauen und Liebe geben kann, wenn man dem Partner nichts über seine Arbeit erzählen darf. Gleichzeitig wird freilich auch die Frage nach Privatsphäre und Loyalität in einer Welt aufgeworfen, in der jeder jeden mittels modernster Technik jederzeit überwachen und manipulieren kann.


So leichthändig und dicht getaktet das inszeniert ist, so lustvoll spielt auch das kleine Ensemble. Großartig harmonieren nicht nur Michael Fasbender und Cate Blanchett, sondern auch Marisa Abela als IT-Expertin des Geheimdienstes und Naomie Harris als Psychologin, während Pierce Brosnan aalglatter Chef Erinnerungen an seine Rolle als James Bond weckt.


Dazu kommt, dass Soderbergh auch ein großes Gespür für visuelle Gestaltung hat. Das luxuriöse Haus von George und Cathryn setzt er ebenso eindrucksvoll ins Bild wie die von Grautönen bestimmten Büroräume und schafft dazu mit zwei Angelszenen auf einem kleinen See einen starken Kontrapunkt. Überlegt gewählt ist aber auch das Outfit der Protagonist:innen von Cate Blanchetts eleganten Abendkleidern bis zu Michael Fassbinders Rollkragenpullis und seiner markanten schwarzen Brille, die auch Erinnerungen an Michael Caines Harry Palmer in der "Ipcress"-Agentenfilmreihe der 1960er-Jahre wecken kann.


So bietet "Black Bag" eine mit 94 Minuten kompakte, aber ausgesprochen vergnügliche und intelligente Kinolektion, die wie aus dem Ärmel geschüttelt wirkt, aber gleichzeitig doch bis ins kleinste Detail geplant ist. Wie die Figuren miteinander spielen, so spielt Soderbergh souverän mit dem Publikum und beweist, dass man dabei auch weitgehend ohne Gewalt, Action und Special-Effects großes Kino schaffen kann.

 

Black Bag USA 2025

Regie: Steven Soderbergh

mit: Michael Fassbender, Cate Blanchett, Naomie Harris, Pierce Brosnan, Regé-Jean Page, Tom Burke, Marisa Abela

Länge: 94 min.

 

Läuft derzeit in den Kinos, z.B. im Cinema Dornbirn, Cineplexx Hohenems und Skino Schaan.



Trailer zu "Black Bag - Doppeltes Spiel"


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