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  • AutorenbildWalter Gasperi

Banel & Adama

Ramata-Toulaye Sy erzählt anhand der leidenschaftlichen Liebe von Banel und Adama in betörenden Bildern nicht nur von einer selbstbewussten Frau und dem Spannungsfeld von individuellen Wünschen und Traditionen, sondern auch von den Auswirkungen des Klimawandels auf ein Dorf im Senegal: Ein in seiner Stilsicherheit und Bildkraft beeindruckendes, poetisches Langfilmdebüt.


Schon der Titel des Langfilmdebüts der 38-jährigen Franko-Senegalesin Ramata-Toulaye Sy lässt an eine große Liebesgeschichte denken. Doch während von "Romeo & Julia" bis zu David Lynchs "Wild at Heart – Die Geschichte von Sailor und Lula" (1990) dabei meist der Mann an erster Stelle steht, ist es hier die 18-jährige Banel (Khady Mane).


Sie ist zwar ein Jahr jünger als Adama (Mamadou Diallo), aber schon Witwe. Schon lange liebte sie Adama, doch die Traditionen im Dorf im Norden Senegals zwangen sie dessen älteren Bruder Yero zu heiraten. Erst als Yero bei einem Unfall (?) ums Leben kam, konnte sie – wiederum den Traditionen folgend – Adama heiraten.


Grenzenlos scheint nun ihr Glück, wenn sie nebeneinander auf der Wiese liegen oder Rücken an Rücken vor der hochstehenden Sonne stehen. In Nahaufnahmen und mit den leuchtenden Farben der Kleider feiert Sy die Leidenschaft dieser Liebe, die sich um die Traditionen des muslimischen Dorfes nicht schert.


Treibende Kraft ist dabei die selbstbewusste Banel. Während ihr Zwillingsbruder für sich den Verstand reklamiert, lässt sie sich von ihrem Herzen leiten. Statt wie die anderen Frauen sich um die Wäsche, den Haushalt und die Pflanzen zu kümmern, geht sie lieber mit Adama auf die Weide, um die Kühe zu hüten.


Entgegen den Traditionen will sie auch kein Kind bekommen und will nicht im Dorf wohnen, sondern gräbt mit Adama zwei vom Sand verschüttete Häuser etwas außerhalb des Dorfes aus. Unter ihrem Einfluss widersetzt sich Adama auch der Aufforderung der Dorfbewohner, nach dem Tod seines Vaters und seines älteren Bruders nach alter Tradition die Rolle des Dorfältesten zu übernehmen.


Scheinen diese gesellschaftlichen Zwänge des Dorfes der Liebe des jungen Paares zunächst nichts anhaben zu können, so ändert sich das doch, als die Gemeinschaft durch den ausbleibenden Regen zunehmend unter Druck gerät.


Sukzessive mehr Kühe verenden, einige Bewohner:innen verlassen die ausgedörrte Gegend und bald wird im Dorf der Verstoß gegen die Traditionen als Ursache für die Trockenheit angesehen. Zweifel kommen so auch Adama. Seine Aufgabe als Kuhhirt trennt ihn nun tagsüber von Banel, die gezwungen wird auf dem Feld zu arbeiten, und langsam fügt er sich in die Traditionen. Banel dagegen lässt sich ihre Unabhängigkeit nicht nehmen, verbittert aber und entwickelt aggressive Energie, wenn sie mit ihrer Steinschleuder Vögel und Eidechsen abschießt und verbrennt.


Ganz auf das Dorf konzentriert sich Sy und erzählt im Grunde geradlinig und einfach. Doch immer wieder bricht sie die Erzählung mit magischen Momenten auf, wenn ein riesiger Vogelschwarm über Adama fliegt oder Banel in einem gewaltigen Sandsturm förmlich im Nichts verschwindet. Aber auch eine mythische Erzählung über Nixen im Fluss, die zürnen, weil man ihnen die Schuld am Tod eines Mädchens gab, wird eindrücklich visualisiert.


Große Bildkraft entwickelt diese Liebesgeschichte auch dadurch, dass sie fast ausschließlich im Freien spielt. Eindrücklich kann Sy so ihren ausschließlich mit Laien besetzten Film in die von Brauntönen bestimmte trockene Landschaft einbetten und sukzessive nimmt sie auch mit Zunahme der Trockenheit die leuchtenden Farben ebenso zurück wie die Naturgeräusche.


Leise und poetisch ist zwar die Erzählweise vom Blick in die gleißende Sonne am Beginn bis zum Verschwinden in der Dunkelheit am Ende, doch in der Fokussierung auf die von Khady Mane eindrücklich gespielte Banel entwickelt dieses Debüt die Wucht eines archaischen Mythos. Markant und kraftvoll lässt Sy nämlich nicht nur das Unabhängigkeitsstreben ihrer Protagonistin und die lokalen Traditionen aufeinandertreffen, sondern erzählt eben auch bewegend, wie durch dieses Spannungsfeld eine Liebe langsam zerbröckelt und Entfremdung an die Stelle von ungetrübtem Glück tritt.


Gleichzeitig macht dieses bildstarke und mit großer Stilsicherheit erzählten Debüt mit der Dürre - wie zuletzt auch der bolivianische Spielfilm "Utama - Ein Leben in Würde" aber auch bewusst, welche verheerenden Auswirkungen der Klimawandel auf abgelegene Regionen hat, die mit den Ursachen dieser Veränderung nichts zu tun haben.

 

 

Banel & Adama Frankreich / Senegal / Mali / Katar 2023 Regie: Ramata-Toulaye Sy mit: Khady Mane, Mamadou Diallo, Binta Racine Sy, Moussa Sow, Ndiabel Diallo, Oumar Samba Dia, Amadou Ndiaye, Amadou Hady Sall, Chérif Diallo Länge: 87 min.



Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen und Skino Schaan.



Trailer zu "Banel & Adama"



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