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Bagger Drama

  • Autorenbild: Walter Gasperi
    Walter Gasperi
  • 8. Mai
  • 4 Min. Lesezeit
"Bagger Drama": Starkes Drama über eine Familie, die Trauer und Gefühle verdrängt statt darüber zu reden
"Bagger Drama": Starkes Drama über eine Familie, die Trauer und Gefühle verdrängt statt darüber zu reden

Piet Baumgartner verbindet in seinem preisgekrönten Langfilmdebüt Familiendrama um Verlust und Trauer mit der Geschichte einer Baggerfirma: Ein bildstarker und großartig gespielter Film, der auch durch seinen inszenatorischen und visuellen Einfallsreichtum fesselt.


Piet Baumgartners "Bagger Drama" wurde nicht nur beim Max Ophüls Preis für die beste Regie und mit dem Fritz-Raff-Drehbuchpreis ausgezeichnet, sondern gewann schon zuvor bei seiner Weltpremiere im Herbst 2024 beim Filmfestival von San Sebastian gegen internationale Konkurrenz den New Directors Award. Hoch sind damit diese Erwartungen an dieses Langfilmdebüt, werden aber aufs schönste erfüllt.


Inhaltlich bewegt sich "Bagger Drama" zwar in bekannten Bahnen, wenn eine Familiengeschichte um Verlust und Trauer mit der Geschichte eines Familienbetriebs verknüpft wird, doch aufregend macht dieses Drama, wie Baumgartner erzählt.


Schon wie der Film mit einem Ballett von Baggerarmen und -schaufeln, die an Störche oder Giraffen erinnern, einsetzt, ohne dass man dabei die ganzen Maschinen sieht, erzeugt Aufmerksamkeit. Großartig lässt das Cinemascope-Format mit seiner Breite dabei mehrere, sich vor dem blauen Himmel abhebende Schaufeln nebeneinander tanzen und auch später werden mit den rot-weißen Maschinen mehrfach solche Ballette vorgeführt oder beim Einstellungstest eine Bierflasche mit einer Baggerschaufel geöffnet.


Wie Sohn Daniel (Vincent Furrer) lieber mit den Baggern spielt, als über sich selbst und seine Gefühle zu reden, so demonstriert Vater Paul (Phil Hayes) lieber den Parkassistenten seines neuen Wagen als zu kommunizieren. Auch Mutter Conny (Bettina Stucky) kann über ihre Trauer über den Tod der 19-jährigen Tochter Nadine nicht sprechen und schlittert zunehmend in eine Krise.


Über vier Jahre spannt Baumgartner die Handlung. Jedes der vier Kapitel beginnt mit dem Treffen am Baum, der am Beginn des Films am Fluss gesetzt wird, in dem Nadine umkam. Wie wenig in der Familie darüber kommuniziert wird, wird spürbar, wenn der Vater erst spät bei einer Autofahrt der neuen Chorleiterin über den tödlichen Unfall erzählt.


Auch hier setzt Baumgartner einen visuellen Akzent, wenn er die Szene in einer einzigen langen statischen Einstellung durch das Schiebedach des Wagens filmt. Diese Perspektive bricht ebenso mit Konventionen wie kurz zuvor im Gasthaus eine lange Kamerafahrt entlang der Gesichter der Chormitglieder. Es sind auch diese ungewöhnlichen Perspektiven und visuellen Einfälle, die nie aufgesetzt oder selbstzweckhaft wirken, die "Bagger Drama" so aufregend machen, und dafür sorgen, dass Einstellungen haften bleiben.


Dazu kommt das durchgängige Spiel mit Maschinen und deren Geräuschen. Die Bewegung und die Geräusche der Bagger und der LKW in einem Steinbruch, des Roboter-Staubsaugers, des elektrisch verstellbaren Kopfteils eines Pflegebetts oder der elektrischen Höhenverstellung eines Schreibtischs stehen im Gegensatz zur Wortlosigkeit und zur Erstarrung der drei Familienmitglieder.


Da wird nicht nur über den Tod der Tochter nicht gesprochen, sondern auch die Homosexualität von Sohn Daniel, die Mutter und Vater bekannt ist, wird lieber nicht angesprochen. Fix ist für den Vater auch, dass Daniel einmal die Firma übernehmen wird, doch wirklich darüber geredet wird nie. Auch wird mehrfach nicht direkt miteinander geredet, sondern man informiert sich lieber über den jeweils dritten darüber, was denn Vater, Mutter oder Sohn gesagt haben.


Zu diesem Schweigen, das die Familie unweigerlich auseinanderdriften lässt, passt die trockene Inszenierung. Baumgartner baut Szenen nicht groß dramatisch auf, sondern inszeniert knapp. Gerade aber wie hier die Dinge ganz einfach zu geschehen scheinen, verleiht diesem Film Nachdruck und Dichte. Wesentlich trägt dazu auch die Konzentration auf die großartig gespielten Familienmitglieder bei.


Eindrücklich spielt so Phil Hayes den Vater, der sich ganz in die Arbeit flüchtet, beim Reden in seine englische Muttersprache fällt, wenn ihm die Dinge zu nahe gehen, aber kaum einmal Emotionen zeigt. In dem im Fluss gelegenen Betonblock kann man auch ein Bild für seine Härte oder Verhärtung sehen.


Großartig ist aber auch Bettina Stucky als mit ihrer Trauer allein gelassene Mutter und Vincent Furrer als Sohn, der durch Unglücksfälle wie am Beginn der Tod seiner Schwester mehrfach gehindert wird aus der familiären Enge auszubrechen und seinen eigenen Weg zu finden.


Wo nicht gesprochen wird, kommentieren aber großartig die Musik von Rio Wolta, für den Baumgartner schon mehrere Musikvideos drehte, und die Songs der Zürcher Band JJ & Palin die Gefühle der Protagonist:innen. Da machen Liedzeilen wie ""Let me find a piece of heaven, let me find a love that lasts forever" oder "I want to reinvent myself" deutlich, wie unzufrieden die Charaktere mit der verkorksten Situation sind, wie sehr sie sich gefangen fühlen und sich nach Veränderung und Befreiung sehnen.


Ein Preis muss dafür aber bezahlt werden. Doch wenn beim Treffen beim Baum am Fluss am Ende des Films statt der nahen Einstellungen zuvor eine Totale erstmals den Blick über Fluss und weite Wiesen bis hin zu den Alpengipfeln am Horizont öffnet, dann wird diese Befreiung und ein Neubeginn spürbar, während die Bagger im Hintergrund gleichzeitig ein Ende des Alten signalisieren.

 

Bagger Drama

Schweiz 2024 Regie: Piet Baumgartner mit: Bettina Stucky, Phil Hayes, Vincent Furrer, Karin Pfammatter, Maximilian Reichert, Nathanael Schaer Länge: 94 min.



Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen und im Skino Schaan.


Trailer zu "Bagger Drama"


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