top of page
  • AutorenbildWalter Gasperi

Andrea lässt sich scheiden

Josef Haders zweite Regiearbeit bietet mehr Drama als Komödie, besticht aber durch ruhige Erzählweise, genauen Blick aufs ländliche Niederösterreich, markante Typen und eine intensive Auseinandersetzung mit Schuld und Sehnsucht nach Neustart.


Nachdem Josef Haders erste Regiearbeit "Wilde Maus" in der Großstadt Wien spielte, wählte er für "Andrea lässt sich scheiden" das ländliche Niederösterreich als Schauplatz. Doch auch die Erzählweise unterscheidet sich. Denn sprühte das Debüt des Kabarettisten und Schauspielers vor Witz und zeichnete sich durch hohes Tempo aus, so ist hier die Erzählweise – passend zur Provinz – deutlich langsamer und auch der Witz ist sehr zurückgenommen und ungleich trockener.


Lange hält so Kameramann Carsten Thiele schon die erste Einstellung einer von Bäumen gesäumten, schnurgeraden Landstraße durch die Felder des Weinviertels. Der leicht milchige Himmel, die braunen Gräser und Weizenfelder sowie die insgesamt leicht überbelichteten Bilder mit ihren etwas ausgebleichten Farben evozieren atmosphärisch dicht eine lähmende Hitze, auch wenn später einmal von Ende Mai gesprochen wird.


Ziemlich sinnlos ist es, dass die Polizistin Andrea (Birgit Minichmayr) und ihr Kollege Georg (Thomas Schubert) hier eine Radarkontrolle durchführen, denn kaum ein Auto kommt vorbei. Halten sie dann doch einen Verkehrssünder an, entpuppt sich dieser als der örtliche Tierarzt, der dringend zu einer trächtigen Kuh muss. Hier zeigt sich schon, wie unangenehm es für Andrea ist, in ihrer unmittelbaren Heimat zu arbeiten, wo jeder jeden kennt und erwartet dass die Polizistin ein Auge zudrückt.


Wohl auch deshalb hat sie um Versetzung zur Kriminalpolizei in die Landeshauptstadt St. Pölten angesucht. Doch zuvor wird in der Dorfkneipe noch der 30. Geburtstag ihres Kollegen Georg gefeiert. Dort kommt es zu einer unangenehmen Begegnung mit ihrem Mann Andy (Thomas Stipsits), von dem sie sich getrennt hat und den sie um die einvernehmliche Scheidung bittet.


Weil er betrunken ist, nimmt sie ihm die Autoschlüssel ab, sodass er zu Fuß nach Hause gehen muss. Doch in der dunklen Nach überfährt Andrea ihn wenig später, versucht ihn zunächst zwar wiederzubeleben, begeht dann aber im Schock Fahrerflucht. Wenig später erhält sie die Nachricht, dass Andy überfahren worden sei, doch als Unfallverursacher gilt nun ein Religionslehrer (Josef Hader), der den auf der Straße Liegenden ein zweites Mal überfuhr.


Während der Religionslehrer von Schulgefühlen gequält wird und wieder in seine Alkoholsucht abrutscht, versucht Andrea einerseits die Spuren ihres Unfalls zu vertuschen, beginnt sich andererseits aber auch um den Religionslehrer zu kümmern.


In langen ruhigen Einstellungen erzählt Hader diese Geschichte einer Frau, die von einem Neuanfang träumt, aber langsam auch erkennt, dass sie ihrer Tat nicht entkommen kann und Verantwortung übernehmen muss. Authentisch und echt wirkt "Andrea lässt sich scheiden" dabei auch dadurch, dass mit Ausnahme von der ersten und der letzten Einstellung auf extradiegetische Filmmusik verzichtet wird.


Genau fangen Hader und sein Kameramann dafür das ländliche Milieu mit der Dorfkneipe, einer Disco, den noch im Bau befindlichen oder schon wieder verfallenden Häusern und den weiten Feldern bis zur im Hintergrund auf einem Hügel thronenden Kirche ein. Im Kreisverkehr am Dorfeingang kann man dabei auch ein Symbol dafür sehen, dass das Leben hier mehr oder weniger monoton im Kreis verläuft.


Aus diesem dicht eingefangenen Ambiente heraus erzählt Hader seine Geschichte und vergisst dabei auch nicht ihm mit zahlreichen markanten Nebenfiguren vom Tierarzt über Andreas Vater bis zu einem suizidgefährdeten Bauern und einem Waffenbesitzer, der sich der Kontrolle durch die Polizei verweigert, Leben einzuhauchen.


Ohne große Dramatisierung erzählt Hader, vertraut auf die gewohnt starke Birgit Minichmayr in der Hauptrolle und die bis in die kleinsten Nebenrollen perfekt gewählten Schauspieler:innen. Hier wird nichts aufgebauscht, sondern Lakonie bestimmt den Erzählton und großartig sind auch die knappen Dialoge, die nicht auf Witz abzielen, aber hin und wieder gerade mit ihrer Trockenheit zum Lachen reizen.


Andrea lässt sich scheiden Österreich 2024 Regie: Josef Hader mit: Birgit Minichmayr, Thomas Schubert, Robert Stadlober, Josef Hader, Branko Samarovski, Maria Hofstätter, Margarethe Tiesel, Michael Pink, Thomas Stipsits, Marlene Hauser Länge: 90 min.



Läuft derzeit in den österreichischen Kinos. - Ab 4.4. in den deutschen Kinos und ab 11.4. in den Schweizer Kinos.


Trailer zu "Andrea lässt sich scheiden"



bottom of page