Er ist nur 34 cm groß und rund vier Kilo schwer und auch der Materialwert der aus einer Legierung von Zinn, Kupfer, Nickel und Silber bestehenden, hauchdünn mit Gold überzogenen Statue ist mit rund 200 Euro als gering einzuschätzen. Dennoch ist der Oscar die begehrteste Trophäe der Filmindustrie.
Um die Filmkunst zu fördern, beschloss die Academy of Motion Picture Arts and Sciences bei ihrer konstituierenden Sitzung am 11. Mai 1927 Preise für herausragende Einzelleistungen zu vergeben. Zwei Jahre später war es dann soweit und am 16. Mai 1929 wurden erstmals die Oscars verliehen. Damals trug diese Auszeichnung aber noch den offiziellen Namen „Award of Merit for Distinctive Achievements“. Zur Entstehung des Kosenamens „Oscar“, den das schwerttragende Männchen in den 1930er Jahren erhielt, gibt es verschiedene Anekdoten: Hat nun die Bibliothekarin der Akademie beim Anblick der Statue ausgerufen „Der sieht aus wie mein Onkel Oscar“ oder hat Bette Davis Ähnlichkeiten zu ihrem ersten Ehemann Oscar Nelson entdeckt?
Viel Aufsehen erregte jedenfalls die erste Verleihung der von Cedric Gibbons, dem Leiter des Art Departments bei MGM, entworfenen Statuette noch nicht, doch die Popularität nahm stetig zu und ein Oscar-Gewinn war bald eine Garantie für Mehreinnahmen an der Kinokasse. Schadete das aufkommende Fernsehen dem Kino, so mehrte es doch den Ruhm der Trophäe, denn ab 1953 wurde die Preisverleihung in den USA live übertragen.
Aber nicht nur ein Oscar-Gewinn, sondern auch schon eine Nominierung in einer der heuer 23 Kategorien ist aufgrund seines Werbeeffekts sehr begehrt. Die in der Akademie organisierten Regisseure, Drehbuchautoren, Kameraleute, Schauspieler und Techniker wählen dabei jeweils für ihren Bereich die fünf besten Einzelleistungen. Über die Vergabe des Preises entscheiden dann alle, inzwischen fast 10.000 Mitglieder der Akademie in einer geheimen Wahl.
Doch der Oscar vergrößert nicht nur den kommerziellen Erfolg eines Films, sondern er stellt auch eine Auszeichnung für den Erfolg an der Kinokasse dar. Flops gehören ebenso selten zu den Oscar-Gewinnern wie echte Arthouse-Filme. Familientaugliches ist gefragt, Düsteres und Sozialkritisches, Action- und Horrorfilme haben nur in Light-Versionen eine Chance.
Melodramatische Kostümfilme von „Gone with the Wind“ (1939) bis „Titanic“ (1998), Musicals von „Westside Story“ (1960) bis „Chicago“ (2003) oder epische Dramen von „Ben Hur“ (1960) bis „Doktor Schiwago“ (1966) zählen zu den großen Gewinnern, während radikal ihre Linie verfolgende Regisseure wie Howard Hawks, Alfred Hitchcock oder Stanley Kubrick nie eine Statue für die beste Regie mit nach Hause nehmen durften.
Unübersehbar ist aber auch fallweise der Konnex zwischen gesellschaftlicher Stimmung und Oscar-Gewinnern. Im Jahr nach dem Zweiten Weltkrieg war das Kriegsheimkehrer-Melodram „The Best Years of Our Lives“ (William Wyler, 1946) der große Sieger und, als man in den späten 1970er Jahren begann das Vietnam-Trauma aufzuarbeiten, räumte Michael Ciminos „The Deer Hunter“ (1978) ab. Die Verleihung der Oscars 2006 an Ang Lees "Brokeback Moutains" kann man wiederum als Statement für die Akzeptanz von Homosexualität sehen.
Und gleichzeitig nutzten Ausgezeichnete immer wieder die Gala für politische Statements. Marlon Brando nahm den Oscar, den er 1973 für „The Godfather“ bekommen sollte, nicht entgegen, sondern schickte eine indigene Amerikanerin, die stellvertretend für ihn den Oscar ablehnte und eine Erklärung über die Behandlung der Indigenen verlas. Michael Moore wiederum rechnete 2003, als er für „Bowling for Columbine“ ausgezeichnet wurde, in seiner Rede mit „Shame on You, Mr.Bush" mit dem US-Präsidenten ab.
Gleichzeitig wurde der Academy in den letzten Jahren vermehrt vorgeworfen, vor allem weiße Filmschaffende und Männer auszuzeichnen, aber nicht auf Frauen und ethnische Diversität zu achten. Dies führte 2016 zu einer Regeländerung und zur Aufnahme zahlreicher neuer Mitglieder in die Academy, unter denen vermehrt Frauen und Angehörige ethnischer Minderheiten waren.
Verschoben wurde die Oscarverleihung, die ursprünglich am 28. Februar stattfinden sollte, heuer erst zum vierten Mal. War 1938 eine Hochwasserkatastrophe der Grund, 1968 die Ermordung Martin Luther Kings und 1981 das Attentat auf Ronald Reagan, ist es heuer die Corona-Pandemie. Zudem wird nur ein Teil der Gala im Dolby Theatre in Los Angeles stattfinden, weitere Teile gleichzeitig an anderen Orten, wie zum Beispiel in London.
Aufgrund der Pandemie wurden aber auch die Regeln geändert: So wurde die Bewerbungsfrist bis 28. Februar 2021 verlängert und war bisher Voraussetzung für die Zulassung eines Films, dass er mindestens sieben Tage in Los Angeles gezeigt wurde, so sind heuer aufgrund der Kinoschließungen auch Filme zugelassen, die nur gestreamt werden konnten. Die Kinovorführungen müssen aber nach Öffnung der Kinos nachgeholt werden.
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