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AutorenbildWalter Gasperi

Ambulance


Zwei Bankräuber versuchen in einem Krankenwagen mit einer Krankenpflegerin und einem angeschossenen Polizisten als Geiseln zu flüchten. Ein Großaufgebot der Polizei ist ihnen aber auf den Fersen: Die Handlung ist für Michael Bay nur Aufhänger, um mit Kamera, Schnittgewitter, Action und ständig neuen Wendungen 130 Minuten Druck und Anspannung zu erzeugen.


Michael Bay war noch nie ein Regisseur der leisen Töne und der Zurückhaltung. Bot "The Rock" (1996) nicht zuletzt dank Sean Connery und Nicolas Cage noch solides Actionkino, so bestimmten "Armageddon" (1998) "Pearl Harbor" (2001) und die "Transformers"-Reihe (2007 – 2017) bombastische Materialschlachten.


Mächtig krachen lässt es Bay natürlich auch in seinem Remake des schwarzhumorigen dänischen Actionthrillers "Ambulance" (2005), doch die Reduktion auf die Verfolgungsjagd, auf die sich praktisch die Handlung beschränkt, gibt dem Film eine klare Struktur. Viel kleiner hätte man den Film zweifellos halten können, aber immerhin sind auch die zahlreichen Autocrash und ein großes Geballere am Schluss in die Handlung integriert und geraten nicht zum Selbstzweck.


Mit wenigen Bildern präsentiert er den Afroamerikaner (Yahya Abdul-Mateen II) als Afghanistan-Veteranen, der verzweifelt versucht, einen Operationstermin für seine krebskranke Frau zu bekommen. Wenn Will dabei am Telefon abgewimmelt wird, wird wieder einmal das Klischee vom guten Amerikaner gepflegt, der alles für sein Land gegeben hat, nun aber von den Behörden im Stich gelassen wird. In seiner Notlage bittet er seinen kriminellen Bruder Danny (Jake Gyllenhaal) um Hilfe.


Dieser bietet ihm sofort die Beteiligung an einem scheinbar ganz einfachen Banküberfall an, doch wie nicht anders zu erwarten, geht dabei so ziemlich alles schief: ihre Partner werden erschossen, sie selbst können schließlich mit einem Krankenwagen mit einer Krankenpflegerin und einem angeschossenen Polizisten als Geisel flüchten.


Von Anfang an baut Bay mit schnellen Schnitten und Roberto De Angelis´ Kameraarbeit Druck auf. Mit nah geführter Handkamera, spektakulären Luftaufnahmen, bei denen die Drohnen-Kamera von den Wolkenkratzern in die Straßenschluchten hinabstürzt, soll das Publikum ebenso ins Geschehen hineingezogen werden wie mit der Parallelmontage mehrerer Schauplätze und dem dynamischen Wechsel von Großaufnahmen und wiederholten Totalen der Skyline von Los Angeles.


Alle filmsprachlichen Mittel mobilisiert Bay, um die Erzählung zu dynamisieren. Dass in der Geschichte letztlich nichts steckt, ist unwichtig. Wichtig ist nur, dass das Publikum wie die Protagonist*innen für die Filmlänge unter Anspannung gesetzt wird.


Mit klassischem Spannungsaufbau hat das wenig zu tun, denn zu grobschlächtig sind Handlungsaufbau und Figurenzeichnung, um um die Protagonist*innen wirklich zu zittern. Vielmehr soll mit Augenfutter, stets neuen Wendungen und neuen Konfliktsituationen die Aufmerksamkeit hoch gehalten werden. Auch als Hommage an Los Angeles kann man "Ambulance" in den zahlreichen Stadtansichten dabei sehen, doch mehr als Postkartenbilder werden dabei kaum geboten. Die Erkundung der Stadt als einem vielschichtigen sozialen Raum interessiert Bay nicht.


Wie es dem 57-jährigen Kalifornier dabei auch mit dem geschickten Wechselspiel zwischen der Enge des Krankenwagens und dem weiten Raum der Polizeiaktion aber gelingt über die beträchtliche Laufzeit von 136 Minuten Druck aufzubauen, ist zweifellos beeindruckend. Hinwegsehen muss man freilich über zahllose Ungereimtheiten und Unglaubwürdigkeiten.


Auch mit immer wieder neuen Konflikten und Allianzen bis hin zu einem heftigen Streit zwischen dem im Grunde guten Will und seinem bösen Brüder Danny im dahinrasenden Krankenwagen wird das Tempo hochgehalten. Dazu kommt als spektakulärer Höhepunkt eine Notoperation im von der Polizei verfolgten Krankenwagen. Zur fehlenden Ausstattung kommt dabei dazu, dass die dafür nicht ausgebildete Krankenpflegerin, sich per Video-Telefonie von Fachärzten durch den Eingriff führen lassen muss.


Hanebüchener und absurder kann eine Story kaum sein, doch wer dies in Kauf nimmt, erlebt einen druckvollen Actionfilm, der mit seiner rund 90-minütigen fintenreichen Verfolgungsjagd durch Los Angeles durchaus zu unterhalten vermag. – Auf einem anderen Blatt steht freilich, dass die Nachhaltigkeit von "Ambulance" gegen Null tendiert und dieser Adrenalin-Kick mit Ende des Films, wie eine Seifenblase zerplatzt.



Ambulance USA 2022 Regie: Michael Bay mit: Jake Gyllenhaal, Devan Long, Eiza González, Yahya Abdul-Mateen II, Garret Dillahunt Länge: 136 min.


Läuft derzeit in den Kinos


Trailer zu "Ambulance"


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