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All That´s Left of You – Im Schatten des Orangenbaums

  • Autorenbild: Walter Gasperi
    Walter Gasperi
  • vor 3 Stunden
  • 3 Min. Lesezeit
"All That´s Left of You": Berührende palästinensische Familiensaga, die den Bogen von 1948 bis zur Gegenwart spannt
"All That´s Left of You": Berührende palästinensische Familiensaga, die den Bogen von 1948 bis zur Gegenwart spannt

Cherien Dabis erzählt vor dem Hintergrund des Nahostkonflikts vom Schicksal einer palästinensischen Familie von 1948 bis 2022: Ein rund erzähltes, berührendes Epos mit starken Identifikationsfiguren und großen Kinobildern, das im Finale aber doch sehr konstruiert und damit auch kitschig wird.


Dynamik entwickelt "All That´s Left of You", der von Jordanien für die Oscarverleihung 2026 als bester Internationaler Film eingereicht wurde, schon in den ersten Bildern: Mit bewegter Kamera und schnellem Schnitt folgt der Film dem jugendlichen Noor und seinem Freund in einem Hindernisparcours durch das im Westjordanland gelegene Nablus, bis die beiden Teenager in eine antiisraelische Demonstration verwickelt werden, bei der bald Tränengas eingesetzt wird und Schüsse fallen.


Abrupt bricht diese Szene mit einem Schnitt auf das Gesicht von Noors gealterter Mutter Hanaan ab. Direkt in die Kamera und damit einerseits zu den Zuschauer:innen, andererseits zu einem unsichtbaren Gegenüber erklärt die Frau, die von der Regisseurin Cherien Dabis selbst gespielt wird, dass sie zunächst die Vorgeschichte von Noors Großvater erzählen müsse.


So blendet die als Tochter palästinensischer Eltern 1976 in den USA geborene und aufgewachsene Regisseurin in ihrem von der eigenen Familiengeschichte inspirierten dritten Spielfilm ins Jaffa des Jahres 1948 zurück. Heil ist hier noch die Welt für Noors Großvater Sharif (Adam Bakri) und seine Familie, die in einem großbürgerlichen Haus mit weitläufiger Orangenplantage leben. Sharif lehrt seinen etwa sechsjährigen Sohn Salim Gedichte und Harmonie bestimmt das Familienessen.


Ängste des Sohns vor israelischen Angriffen hält der Vater für unbegründet, doch bald schlagen Bomben in der Plantage ein. Nach einigem Zögern flieht die Mutter mit den Kindern zu ihrem Bruder ins Westjordanland. Der Vater bleibt dagegen in Jaffa, wird aber bald von israelischen Soldaten verhaftet und in ein Arbeitslager deportiert, bis er der Familie ins Westjordanland folgt.


Mit einem Schnitt überspringt Dabis, die in diesen Rückblenden ohne jedes Voice-over auskommt, rund 30 Jahre und das Kind von 1948 ist nun selbst Vater (Salim Bakri), lebt mit Frau und Kindern in Nablus und unterrichtet an der Grundschule. Liebevoll ist seine Beziehung vor allem zu seinem Sohn Noor, bis dieser sich nach einer traumatischen Erfahrung bei einer israelischen Militärkontrolle vom Vater abwendet und unter dem Einfluss des Großvaters, der immer noch vom alten Palästina träumt, zunehmend radikalisiert.


Mit einem weiteren Schnitt kommt "All That´s Left of You" wieder zur Demonstration von 1988, die schwerwiegende Folgen für Noor (Muhammad Abed Elrahman) und seine Eltern bringt …


Ganz aus der Perspektive der palästinensischen Familie erzählt Dabis, konzentriert sich auf deren persönliches Erleben. Tiefere Einblick in den Nahostkonflikt werden nicht geboten und die Israelis gewinnen nur in zwei Szenen Profil, einmal als Soldaten, die die Palästinenser schikanieren und terrorisieren und einmal als Bürokraten, die jedes Mitgefühl vermissen lassen.


Mit starken Identifikationsfiguren werden so beim israelischen Bombardement, das nur akustisch vermittelt wird, und bei den Demütigungen bei Kontrollen geschickt Emotionen geschürt und markant wird auch das unbeschwerte und komfortable Leben in Jaffa den bedrückenden Lebensbedingungen im Flüchtlingslagen im Westjordanland und im bescheidenen Haus in Nablus gegenübergestellt.


In der privaten Geschichte erzählt die 39-Jährige so von der israelisch-palästinensischen Feindschaft, macht nachvollziehbar, wie das israelische Vorgehen Widerstand und Hass der Palästinenser schürt, vermittelt aber auch den Widerstandswillen der Palästinenser und plädiert trotz aller Feindschaft für Menschlichkeit.


Nicht nur leiser, ruhiger und langsamer wird diese Familiensaga dabei im letzten Abschnitt, sondern verliert auch deutlich an Kraft und Intensität, wenn der Fokus ganz auf das Schicksal von Noor und dessen Eltern eingeengt wird. Reichlich konstruiert und damit auch ziemlich kitschig wirkt, wie schließlich von einer möglichen Versöhnung zwischen den verfeindeten Ethnien erzählt wird. Darüber können auch die durchgängig hervorragenden Schauspieler:innen und Dabis Gespür für – trotz des bedrückenden Themas – sorgfältig komponierte, lichtdurchflutet-helle Kinobilder und rundes Erzählen nicht hinwegtäuschen.



All That´s Left of You – Im Schatten des Orangenbaums

Palästinensische Autonomiegebiete / Zypern / Deutschland / Katar / Griechenland / Saudi-Arabien / Jordanien 2025

Regie: Cherien Dabis

mit: Saleh Bakri, Cherien Dabis, Adam Bakri, Maria Zreik, Mohammad Bakri, Muhammad Abed Elrahman

Länge: 145 min.



Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen. - Ab 20.11. in den deutschen Kinos und ab 16.1. 2026 in den österreichischen Kinos.



Trailer zu "All That´s Left of You - Im Schatten des Orangenbaums"



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