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  • AutorenbildWalter Gasperi

Adiós Buenos Aires


Ein Bandoneon-Spieler plant aufgrund der schweren wirtschaftlichen Krise Argentiniens im Jahr 2001 seine Auswanderung. Doch will er wirklich sein bisheriges Leben zurücklassen? - German Krals Spielfilmdebüt ist ein mit viel Gefühl inszeniertes Feelgood-Movie, das der äußeren Misere menschliche Wärme und die Kraft des Tangos gegenüberstellt.


"Glorias Argentinas" heißt die Bar, in der der Bandoneonspieler Julio (Diego Cremonesi) mit seinem fünfköpfigen Tango-Orchester spielt. Doch vom Ruhm Argentiniens ist im Jahr 2001 nichts zu spüren. Archivmaterial deutet die schwierige wirtschaftliche Lage an, immer wieder eingeschnittene TV-Nachrichten werden in der Folge einen Eindruck von der sich zuspitzenden Krise und den sich steigernden Protesten der Bevölkerung gegen das Einfrieren der Bankkonten und weitere staatliche Maßnahmen vermitteln.


Seine Leidenschaft für den Tango hat German Kral, der 1968 in Buenos Aires geboren wurde und seit 1991 in Deutschland lebt, schon mit den Dokumentarfilmen "Música Cubana" (2004), "El último aplauso" (2009) und "El último tango" (2015) bewiesen. In seinem Spielfilmdebüt bildet die Tango-Combo nun den Hintergrund für die Geschichte Julios.


Nicht nur der Sänger der Gruppe verabschiedet sich schon am Beginn ins Ausland, sondern auch Julio plant mit seiner Tochter und seiner Mutter zu seiner Schwester nach Berlin zu emigrieren. Die neuen Pässe hat er schon abgeholt, bald will er auch sein Auto verkaufen. Bestens in Schuss ist dieses, doch dann kommt es zu einem Unfall mit der ziemlich rasant fahrenden, temperamentvollen Taxifahrerin Mariela (Marina Bellati).


Wer von den Beiden nun wirklich bei Rot über die Ampel gefahren ist, bleibt offen, doch der Sachschaden an Julios Auto ist beträchtlich. Reagiert Julio zunächst heftig und möchte das Geld von der Taxigesellschaft einfordern, so wird er sanfter, als er sieht, wie sehr auch Mariela mit finanziellen Problemen zu kämpfen hat und wie liebevoll sie sich um ihren gehörlosen Sohn kümmert.


Während sich so einerseits eine zarte Liebesgeschichte entwickelt, findet die Tango-Band andererseits in einem Altersheim in einem ehemaligen Tango-Star einen Ersatz für ihren emigrierten Sänger. Hat dieser zunächst noch Probleme mit den Texten, so findet er sich bald in seine Rolle und beginnt auch wieder Kontakt zu seiner Frau zu knüpfen, die er jahrelang nicht mehr gesehen hat.


Gleichzeitig bereitet Julio aber weiterhin seine Ausreise vor, verkauft sein schlecht laufendes Schuhgeschäft, räumt seine Mietwohnung, obwohl seine 15-jährige Tochter ihm erklärt, dass sie nicht mit nach Deutschland will.


Von Anfang an erzeugen die Tangonummern eine Stimmung der Melancholie, die German Kral hervorragend durch seine Bilder zu steigern vermag. Während die TV-Nachrichten die angespannte Lage und die sozialen Spannungen nie vergessen lassen, verbreiten die in kräftige Farben und goldgelbes, warmes Licht getauchten Bilder doch immer Hoffnung und Lebensfreude.


Die Stärke von "Adiós Buenos Aires" liegt auch darin, dass Kral nicht völlig auf Julio und Mariela fokussiert, sondern auch prägnant Einblick in die Situation der anderen Musiker bietet. Geschickt werden dabei über Parallelmontagen, die von Tango-Songs begleitet werden, auch immer wieder Blicke auf die einzelnen Protagonist:innen verbunden.


Aber auch an die Korruption der Politiker wird erinnert, wenn der prinzipientreue Atilio (Manuel Vicente) partout nicht beim Geburtstag der Frau eines Ministers spielen will. Markant lässt Kral dabei auch die Spaltung der argentinischen Gesellschaft spüren, wenn er die vornehme Festgesellschaft, bei der die Tango-Combo spielt, mit Bildern von den gewalttätigen Auseinandersetzungen auf den Straßen unterschneidet.


Doch trotz der realen Krise gewinnt das Deprimierende nie Oberhand, sondern in erster Linie wird der Überlebenswillen und die Überlebenskraft der einfachen Menschen gefeiert. Wie Mariela flache Steine auf dem Wasser förmlich zum Tanzen bringt, so lassen sich diese Underdogs auch nicht unterkriegen und stehen immer wieder auf. Auch für Julio wird dabei die Frage, ob Auswanderung wirklich eine Lösung ist, immer dringlicher. Denn immer bewusster wird ihm, dass er mit dem Abschied auch sehr viel zurücklassen wird.


Sentimental mag dieses Feelgood-Movie sein, doch es wirkt in seiner Menschlichkeit und dank der unverbrauchten und authentisch spielenden Schauspieler:innen echt und berührend. Mögen da insgesamt auch die sozialen Probleme etwas weichgespült werden, so erfüllt diese Beschwörung der Kraft der Menschlichkeit, der Freundschaft, der Liebe und vor allem auch des Tangos doch auch das Kinopublikum mit Wärme und Optimismus.


Adiós Buenos Aires Argentinien / Deutschland 2023 Regie: German Kral mit: Diego Cremonesi, Marina Bellati, Carlos Portaluppi, Manuel Vicente, Rafael Spregelburd, Mario Alarcón, Luis Ziembrowski, David Masajnik Länge: 90 min.


Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen TaSKino Feldkirch im Kino GUK: 1. - 5.7. Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Do 13.7., 20 Uhr


Trailer zu "Adiós Buenos Aires":



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