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  • AutorenbildWalter Gasperi

A Hidden Life - Ein verborgenes Leben


Aus dem Schicksal des oberösterreichischen Bauern Franz Jägerstätter, der 1943 von den Nationalsozialisten wegen Kriegsdienstverweigerung hingerichtet wurde, macht Terrence Malick ein existentielles Drama um Glaube und entschlossene Haltung bis zum Tod: Visuell gewohnt brillant, inhaltlich philosophisch vielschichtig, teilweise aber auch fragwürdig.


Zu Schwarzfilm hört man Vogelzwitschern, ehe mit einem Ausschnitt aus Leni Riefenstahls berüchtigtem Propagandafilm „Triumph des Willens“ zunächst Wolken ins Bild kommen, dann mit einem Auftritt Hitlers beim Nürnberger Reichsparteitag zwischen den stramm stehenden Soldaten und einer Fahrt durch die jubelnden Massen der historische Hintergrund vermittelt wird. Wie der Diktator dabei aus den Wolken auf die Erde zu kommen scheint, so verbindet Malick auch im Folgenden immer wieder dramatische Wendungen im Leben Franz Jägerstätters (August Diehl) mit dunkler Gewitterstimmung.


Zumindest problematisch ist, wie damit das nationalsozialistische Terror-Regime wie eine Urgewalt über die Menschen hereinbricht, soziale und historische Komponenten aber konsequent ausgespart werden.


Wenn auf den Ausschnitt aus "Triumph des Willens" Bilder von Jägerstätter und seiner Frau (Valerie Pachner) beim Mähen einer Wiese mit einer Sense folgen, ist auch schon das Dreieck, das „A Hidden Life“ bestimmt grundgelegt. Konsequent wird nämlich der historischen Komponente, die noch an anderen Stellen mit Archivmaterial vermittelt wird, einerseits die Natur gegenübergestellt, andererseits das Individuum, das im Spannungsfeld von gesellschaftlich-politischen Bedrohungen und Zwängen auf der einen und der Natur auf der anderen Seite steht.


Nur in wenigen Erinnerungen bringt Malick die erste Begegnung zwischen Franz und seiner Franziska ins Spiel, der Fokus liegt auf den Jahren von 1939 bis zu Jägerstätters Hinrichtung in Brandenburg 1943. Im Gegensatz zu seinen letzten Filmen seit „The Tree of Life“ erzählt Malick dabei überraschend linear, einer klassischen Spannungsdramaturgie verweigert er sich dennoch.


Nicht zwingend reiht der Texaner nämlich Szenen aneinander, sondern interessiert sich vielmehr für Momentaufnahmen, in denen Archetypisches sichtbar wird. Großaufnahmen spielen dabei eine zentrale Rolle und immer wieder gleitet die förmlich schwebende Kamera von Jörg Widmer auf die Gesichter zu. Wie gewohnt vermittelt Malick dabei in einzigartiger Weise durch das Zusammenspiel von Kamerabewegungen, Blicken der Schauspieler und der unübertroffenen Mischung von Voice-over und Dialogfetzen sowie Musik eindringlich die ganze Bandbreite von Gefühlen wie Unsicherheit, Angst und Zweifel, aber auch Hass und Wut oder in den freien Bewegungen der Kamera Glück und Gelöstheit.


Extrem konservativ wirkt „A Hidden Life“ dabei am Beginn mit der Feier der heilen Familie, einem scheinbar idyllischen Dorf und der bäuerlichen Arbeit. Schon lange nicht mehr fokussierte wohl ein Film dabei so intensiv auf dieser Arbeit vom Mähen am Beginn, übers Setzen und Ernten von Kartoffeln und Getreide bis zu einem Webstuhl, einer Schmiede einem Sägewerk und einer Mühle oder dem Backen von Brot.


Dem Menschen, der im Einklang mit der Natur und mit sich lebt, steht in der zweiten Hälfte mit der Haft in der engen Zelle und der Folter der Zugriff des Staates gegenüber. Fragen von Freiheit und Gefangenschaft wirft Malick damit auf, am verdichtetsten wohl in Jägerstätters Antwort auf ein Angebot seines Pflichtverteidigers. Als dieser ihn nämlich auffordert den Eid auf den Führer zu unterschreiben, um freigelassen zu werden, antwortet Jägerstätter: „Ich bin frei.“


Aber nicht nur die Frage der Freiheit verhandelt Malick, der in den 1970er Jahren in Oxford nach einer Kontroverse mit seinem Professor eine Doktorarbeit über Martin Heidegger und Ludwig Wittgenstein abbrach, sondern auch die Bedeutung von Wort und Handlung. Denn während andere den Eid auf den Führer zur Formsache erklären, um dann als Sanitäter arbeiten zu können, bilden für Jägerstätter Wort und Handeln eine Einheit. Für ihn kommt nicht in Frage diesen Eid abzulegen, obwohl er weiß, dass seine Hinrichtung seine Familie nicht nur emotional, sondern auch hinsichtlich der bäuerlichen Arbeit schwer belasten wird.


Und schließlich geht es auch – wie schon in „The Tree of Life“, „Knight of Cups“ oder „Song to Song“ – um die Suche nach Orientierung, die Frage nach Gott als führender und lenkender Kraft. Die Suche nach diesem Licht, das leitet, vermittelt Malick dabei auch auf formaler Ebene, wenn in die dunkle Zelle durch das kleine Fenster ein Lichtstrahl strömt.


An die Stelle des Katholizismus beim historischen Jägerstätter tritt bei Malick aber die Natur. Immer wieder führt er – in der für ihn gewohnten Naturmystik – deren Größe vor Augen vom kleinen Wasserrad über einen Wasserfall bis zu mächtigen Felsgipfeln. In krassem Gegensatz stehen diese weiten Landschaftstotalen zur klaustrophobischen Enge der Gefängnisbilder gegen Ende.


Deutlich wird dabei auch, dass Malick trotz Zeitinserts kaum an historischer Korrektheit interessiert ist, denn diese mächtige Natur – gefilmt wurde teilweise in Südtirol - passt überhaupt nicht zu Jägerstätters im Innviertel auf rund 500 Meter Meereshöhe gelegenem Heimatdorf St. Radegund. Und auch das Ernten von Äpfeln und Getreide im Juni ist für diese Region nicht glaubwürdig.


Auf der sprachlichen Ebene wirkt der Film in der deutsch synchronisierten Fassung zwar aus einem Guss, doch in der Originalfassung soll auch hier mit einem Gemisch aus Englisch und verschiedenen österreichischen Dialekten der Anschein von Authentizität gezielt gebrochen werden.


Nicht um die historische Geschichte geht es Malick eben, sondern um ihren zeitlosen und universellen Gehalt. Sehr holzschnittartig ist so auch die Ausgrenzung von Jägerstätter und seiner Familie durch die Dorfbewohner angelegt, wirklich überflüssig ist Karl Markovics als polternder NS-Bürgermeister. Als klischeehaft kann man das bezeichnen, doch Malick geht es eben auch hier ums Archetypische, darum zu zeigen, wie Menschen, die entschlossen ihren Weg gehen, gemobbt werden und welchen Belastungen und Kränkungen sie ausgesetzt sind.


Wenig glaubwürdig ist auch, dass der Richter (Bruno Ganz) am Reichsgerichtshof Jägerstätter zu einem Gespräch in sein Büro holt und der Deserteur in dieser Szene, die an die biblische Jesus-Pilatus-Begegnung erinnert, Zweifel beim Richter weckt. Auch hier geht es Malick darum zu zeigen, wie diese Standhaftigkeit, die von allen Seiten als sinnlos und wirkungslos bezeichnet wird, doch bei anderen Wirkung zeigt.


Dem einem Zitat der britischen Schriftstellerin George Eliot entnommenen Titel entsprechend mag so Jägerstätter ein verborgenes Leben geführt haben, dass es dennoch Wirkung zeigte, beweist letztlich auch Malicks Film und ist somit auch eine zeitlose Aufforderung nicht immer ja zu sagen, sondern gegen verbrecherische Machthaber Haltung zu beweisen. Nicht in Engagement und Aktivismus zeigte sich dieser Widerstand freilich bei Jägerstätter, sondern einzig und allein darin, dass er sich verweigerte, nicht die Stimme erhob, sondern eben schwieg.


Skino Schaan: Do 13.2. 18 Uhr (engl.-deutsche O.m.U.) TaSKino Feldkirch im Kino Rio: 17.2. bis 21.2. (engl.-deutsche O.m.U.)

Leinwandlounge in der Remise Bludenz: Mi 10.6., 19 Uhr


Trailer zu "A Hidden Life"



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