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  • AutorenbildWalter Gasperi

42. Filmfestival Max Ophüls Preis: "Borga" und "Fuchs im Bau" triumphieren


Borga (York Fabian-Raabe)

York-Fabian Raabes "Borga" holte beim online durchgeführten Max Ophüls Festival nicht nur den Hauptpreis für den besten Spielfilm, sondern auch noch drei weitere Preise. Mehrfach ausgezeichnet wurde auch Arman T. Riahis "Fuchs im Bau".


Auch bei seiner heurigen Online-Ausgabe bot das Saarbrückner Filmfestival Max Ophüls Preis, das auf den deutschsprachigen Nachwuchsfilm fokussiert, ein vielfältiges und spannendes Programm. Alles konnte aus Zeitgründen kaum gesichtet werden, auf gut Glück musste man auswählen und so wurde York-Fabian Raabes Siegerfilm "Borga" leider verpasst.


Nicht nur mit dem mit 36.000 Euro dotierten Max Ophüls Preis für den besten Spielfilm, sondern auch mit dem Preis für den gesellschaftlichen relevanten Film, dem Publikumspreis und dem Preis der Ökumenischen Jury wurde dieses Spielfilmdebüt um zwei Ghanaer, die auf einer Elektroschrott-Müllhalde aufwachsen und davon träumen, es im Ausland zu Wohlstand zu bringen, ausgezeichnet. Gelobt wurde von den verschiedenen Jurys dabei die "konsequent Schwarze Perspektive" (Offizielle Jury) und die "eindringlichen, teils beklemmenden Bilder der globalen Auswirkungen des westlichen Konsums auf Kosten des afrikanischen Kontinents" (Ökumenische Jury).


Der zweite große Sieger des Festivals war Arman T. Riahis "Fuchs im Bau", der neben dem mit 5500 Euro dotierten Preis für die beste Regie auch den mit 2500 Euro dotierten Preis der Jugendjury sowie den mit 13.000 Euro dotierten Fritz-Raff-Drehbuchpreis erhielt. Inspiriert vom realen Gefängnislehrer Wolfgang Ribniger erzählt Riahi darin von einem Lehrer, der eine erfahrene Kollegin beim Unterricht im Jugendgefängnis unterstützen und später ersetzen soll.


Große Dichte entwickelt der zu einem großen Teil im stillgelegten Bezirksgericht von Stockerau und dem angeschlossenen Gefängnis gedrehte Film durch die weitgehende Konzentration auf die Haftanstalt. In realistischer Schilderung evoziert Riahi durch die Dominanz von Grau- und Grüntönen sowie die engen Räume und Gänge eine beklemmende Stimmung. Eindringlich zeigt der iranischstämmige Österreicher dabei, wie die Lehrer, die mit ihren unkonventionellen Methoden bei der Gefängnisleitung anecken, bei den Jugendlichen Hoffnung und ein Gefühl von Freiheit wecken können. Unaufdringlich, aber überzeugend wird mit einem Trauma des Protagonisten, das ihn einengt und belastet, der Begriff der Freiheit aber auch auf eine philosophische Ebene transponiert.


Getragen wird das intensive Drama aber von einem großartigen Ensemble, bei dem erfahrene Schauspieler wie Maria Hofstätter, Aleksandar Petrovic oder Andreas Lust perfekt mit den großartig gecasteten und unglaublich authentischen, vor allem migrantischen Jugendlichen zusammenspielen.


Mit dem Preis für den Besten Schauspielnachwuchs 2021 wurde aber Sara Fazilat für ihre Leistung in "Nico" ausgezeichnet. Mit großem Körpereinsatz und Leidenschaft spielt die in Teheran geborene deutsche Schauspielerin in Eline Gehrings Langfilmdebüt eine Krankenpflegerin, die nach einem rassistischen Überfall nie mehr Opfer sein will und ihre Wut im Karate-Training kanalisiert. Gleichzeitig verliert die junge Frau dabei aber zunehmend den Bezug zu sich und zu ihrer Umwelt.


Im Stil der Dardenne-Brüder folgt die Handkamera von Francy Fabritz, die zusammen mit der Regisseurin und Sara Fazilat auch das Drehbuch schrieb, der Protagonistin. In jeder Szene ist sie präsent und eindringlich wird in unscharfen Erinnerungsfetzen auch immer wieder das Nachwirken des Überfalls vermittelt.


Der zweite Preis in dieser Kategorie ging an Jonas Holdenrieder, der in Christian Schäfers "Trübe Wolken" zurückhaltend einen 17-Jährigen spielt, hinter dessen Schüchternheit langsam Abgründe sichtbar werden. Atmosphärisch dicht evoziert Schäfer in kalten Winterbildern das stumpfe und freudlose kleinbürgerliche Leben in einer deutschen Kleinstadt, allerdings schwächt die bedächtige Erzählweise doch die Kraft dieses Mix aus Coming-of-Age-Geschichte und Thriller.


Ein starkes Drama um Trauer, Verlust und Schuld präsentierte Stefanie Klemm mit "Von Fischen und Menschen". Bestechend verankert in der abgeschiedenen Waldlandschaft des Schweizer Jura, erzählt Klemm von einer alleinerziehenden Mutter, die mit einem Mitarbeiter eine Forellenzucht führt, bis beider Leben durch einen tragischen Unfall zutiefst erschüttert wird.


Klemms Debüt besticht nicht nur durch ein dicht gebautes, freilich auch sehr konstruiertes Drehbuch, sondern auch durch das Vertrauen auf starke Bilder und Reduktion des Dialogs. Statt Gefühle und Dramatik aufzubauschen setzt die Schweizerin auf Zurückhaltung und lässt ihren beiden starken HauptdarstellerInnen Sarah Spale und Matthias Britschgi viel Raum, um die Gefühle der Charaktere intensiv zu vermitteln.


Zur Vielfalt des Spielfilm-Wettbewerbs trugt aber auch Hannah Dörrs "Das Massaker von Anröchte" bei, der in den statischen Totalen der Tristesse der Gemeinde Anröchte und dem Blick auf die Figuren Erinnerungen an Christoph Schlingensiefs "Deutschland-Trilogie" ebenso weckt wie an die lakonischen Filme Aki Kaurismäkis. Gleichzeitig werden auch die Muster des Krimis dekonstruiert, wenn ein Kommissar mit seinem Assistenten im Fall eines grotesken Massakers ermitteln soll, dabei aber auf die üblichen Ermittlungsmethoden verzichtet.


Als bester Dokumentarfilm wurde "Stollen" ausgezeichnet. Laura Reichwald porträtiert darin das im Erzgebirge gelegene Bergbaudorf Pöhla und seine Bewohner. Zu überzeugen verstand in dieser Kategorie aber auch "I am the Tigress" des Dornbirners Philipp Fussenegger. Hautnah folgt Fussenegger darin kommentarlos der afroamerikanischen Bodybuilderin Tisha "The Tigress" Thomas durch ihren Alltag und zu Wettkämpfen.


Immer wieder rückt der Film ihren muskulösen Körper, ihren Bizeps und ihre Rückenpartie ins Bild. So stark sich aber "The Tigress" körperlich präsentiert, so viel Selbstbewusstsein im Filmtitel oder in ihren Instagram-Videos, die eingeschnitten sind, zum Ausdruck kommen, so sehr wird doch dahinter auch Sensibilität und Verletzlichkeit spürbar, wenn sie von Mobbing in der Kindheit und finanziellen Nöten erzählt.


Gleichzeitig kann man in der Freundschaft Tishas zu dem 70-jährigen Weißen Edward, der sie quasi coacht und zu den Wettkämpfen begleitet, auch einen Gegenpol zum amerikanischen Rassismus und ein Beispiel für harmonisches Zusammenleben sehen.


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