28 Years Later
- Walter Gasperi
- vor 2 Tagen
- 3 Min. Lesezeit

Danny Boyle und Drehbuchautor Alex Garland mischen in ihrer bildmächtigen und eigenwilligen Fortsetzung des Horrorfilms "28 Days Later" trashigen Zombie-Horror mit einer Coming-of-Age-Geschichte und einer sanften Reflexion über die Sterblichkeit.
Nachdem Danny Boyle (Regie) und Alex Garland (Drehbuch) 2002 im düsteren "28 Days Later" geschildert hatten, wie ein "Wut-Virus, das aus einem Forschungslabor entwich, die englische Gesellschaft zerfallen ließ, und in Juan Carlos Fresnadillos "28 Weeks Later" (2007) jeder Versuch die alte Ordnung wiederherzustellen gescheitert war, ist in "28 Years Later" beinahe ganz England in der Hand der Infizierten.
Wenn die Insel dabei von Europa durch eine von Schiffen kontrollierte Quarantäne abgeschottet ist, ist darin ebenso ein Reflex auf den Brexit zu lesen, wie in der Schilderung der Isolation der Unversehrten gegenüber den Infizierten eine Verarbeitung der Schutzmaßnahmen während der Corona-Pandemie.
Eindrücklich evoziert die Auftaktszene die Brutalität der Infizierten: Während eine Gruppe von Kindern im Fernsehen eine Folge der knallbunten "Teletubbies" ansieht, hört man vom Nebenraum panische Schreie und Kampfgeräusche, bis die mordenden Bestien auch ins Kinderzimmer eindringen und bald Blut auf den Fernseher spritzt. Nur Jamie kann entkommen, doch auch die Kirche bietet keine Sicherheit.
Mit einem Schnitt werden 28 Jahre übersprungen und von der Hauptinsel wechseln Boyle und Garland auf die der Nordostküste Englands vorgelagerte kleine Insel Lindisfarne, die nur bei Ebbe über einen Damm erreichbar ist. Zeit lässt sich der Film für die Schilderung der dort lebenden Gemeinschaft von Unversehrten, die in archaisch-mittelalterliche Strukturen zurückgefallen sind: Die Ressourcen sind knapp, selbst Wasser muss gespart werden. Technische Errungenschaften sind unbekannt, Agrarwirtschaft dominiert und Entspannung sucht man im lokalen Pub. Gekämpft wird mit Pfeil und Bogen und mit einem ständig bewachten hölzernen Wall versucht man jeden Angriff der Infizierten, von denen es inzwischen unterschiedlich schnelle, kräftige und intelligente Spezies gibt, abzuwehren.
Ins Zentrum rücken dabei rasch der zwölfjährige Spike (Alfie Williams) und seine Eltern. Während seine Mutter Isla (Jodie Comer) krank im Bett liegt, bricht sein Vater Jamie (Aaron Taylor-Johnson) mit Spike auf die Hauptinsel auf, um dort im Rahmen einer Mutprobe und eines Initiationsritus Infizierte zu jagen.
Doch Spike sieht dabei auch ein mächtiges Feuer und erfährt, dass dort ein – allgemein als verrückt geltender – Arzt (Ralph Fiennes) lebt. Nach Rückkehr in seine Dorfgemeinschaft, in der niemand der kranken Mutter helfen kann, bricht der Junge mit ihr allein nochmals auf und macht sich auf die Suche nach dem Arzt (Ralph Fiennes).
Eine klassische Coming-of-Age-Geschichte und Heldenreise verbinden Boyle und Garland so mit der Geschichte der großen Liebe eines Sohnes zu seiner Mutter, setzen aber auch überraschende formale und inhaltliche Akzente. Da fällt bei dem zu einem großen Teil mit iPhones 15 Pro Max gedrehten Film zunächst schon einmal das sehr breite 2,76 : 1 Format auf, das die horizontale Ebene betont. Immer wieder werden so die in sattem Grün leuchtenden weiten Wiesen und Wälder ins Bild gerückt. Die prächtige Natur, die die Zivilisation überwuchert, steht freilich in scharfem Kontrast zum brutalen Geschehen, das sich hier abspielt.
In rasenden Schnittfolgen wird die Brutalität der Tötungsszenen, die mit bis zu 20 iPhones aus unterschiedlichen Perspektiven gefilmt wurden, drastisch vermittelt. Gleichzeitig wird die lineare Handlungsentwicklung aber auch mehrfach durch Archivmaterial unterbrochen. Da sieht man nicht nur plötzlich in Schwarzweiß von Rudyard Kiplings Gedicht "Boots" unterlegte Bilder von Soldaten, die sich für den Einsatz im Krieg vorbereiten, sondern auch eine Szene aus einem Mittelalter-Film, in dem ein Heer mit Bogenschützen gegen die Feinde vorgeht.
Viel Sinn machen diese Einsprengsel allerdings kaum, sondern Boyle lässt hier vielmehr seiner Lust an filmischen Spielereien freien Lauf. Spannender ist, wie sich in die blutrünstige und brutale Horrorgeschichte gegen Ende langsam sanfte Töne mischen und "28 Years Later" zu einer Reflexion über den Kreislauf des Lebens wird. Denn der Geburt eines Babys – auch das eine drastische Szene – steht da plötzlich ein "Memento mori!" gegenüber und die Gewissheit, dass man dem Tod nicht entkommen kann, wird mit dem Wunsch verbunden, dass dieser wenigstens sanft und friedlich sein soll.
Fans von klassischem Horrorkino werden sich an diesen Brüchen mit Konventionen des Genres vielleicht stören, aber gerade diese Eigenwilligkeit macht "28 Years Later" zu einem aufregenden Film, der mit seiner Bildmacht und seinem gedanklichen Reichtum nachwirkt und mit der Schlussszene schon den zweiten Teil der geplanten Trilogie vorbereitet.
28 Years Later USA / Großbritannien 2025 Regie: Danny Boyle mit: Ralph Fiennes, Jack O'Connell, Jodie Comer, Aaron Taylor-Johnson, Alfie Williams Länge: 116 min.
Läuft derzeit in den Kinos, z.B. im Cineplexx Lauterach, Kinothek Lustenau und Skino Schaan (O.m.U.)
Trailer zu "28 Years Later"
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