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  • AutorenbildWalter Gasperi

Zwingli - Der Reformator


Aus dem genauen Bibelstudium heraus entwickelt der Schweizer Ulrich Zwingli sozialreformerische und seelsorgerische Ideen, die zum Konflikt mit der Amtskirche führen. – Stefan Haupt entwickelt daraus einen zwar konventionellen, inhaltlich aber vielschichtigen und spannenden Historienfilm.


Wie ein Western beginnt dieser Historienfilm, wenn Ulrich Zwingli (Max Simonischek) auf einem Pferdekarren vom Land in die Stadt kommt. „Zürich 1519“ bleibt das einzige Insert, flüssig und rund erzählt Stefan Haupt, beschränkt sich auf die Zeit von 1519 bis zum Tod Zwinglis 1531, spart die Entwicklung des Reformators vor seiner Zürcher Zeit komplett aus.


Das mächtige Großmünster über der Limmat signalisiert schon in der ersten Szene die prägende Rolle und Macht der katholischen Kirche, während mit der jungen Witwe Anna (Sarah Sophia Meyer) auch schon von Anfang an eine Beziehung mit dem Zürcher Reformator vorbereitet wird, aus der bald Liebe und schließlich eine Ehe wird.


Die vor einem Bild mit der Darstellung von Höllenqualen für ihren verstorbenen Mann betende Anna macht sogleich auch bewusst, mit welchen Angst- und Drohbotschaften die Kirche in dieser Zeit ihre Position sichert. Die Forderung eines Priesters eine weitere Totenmesse zu zahlen vermitteln Geldgier und Materialismus der Würdenträger, die gleichzeitig gleichgültig gegenüber der Not der armen Kinder und Bettler auf den Straßen sind.


Frischen Wind bringt hier der humanistisch gebildete Zwingli, der in Zürich eine Stelle als Leutpriester antritt. Er stellt nicht nur der finster drohenden Kirche eine fröhliche und positive mit einem stets barmherzigen und gütigen Gott gegenüber, sondern er liest und deutet das Evangelium schon bei seiner ersten Messe nicht auf Lateinisch, sondern auf Deutsch, damit die Gläubigen den Inhalt auch verstehen. „Sola scriptura“ gilt für ihn, die Dogmen des Papstes ignoriert er, entwickelt aus den Lehren der Bibel sozialreformerische Forderungen.


In der vom weltlichen Großen Rat der Stadt regierten Zürich, mit dessen Bürgermeister Zwingli befreundet ist, findet sich ein günstiger Boden für sein Engagement, denn der Macht der Kirche wird hier von den Bürgern Einhalt geboten. Auch die Bedeutung des neuen Buchdrucks macht Haupt bewusst, können so doch die Predigten Zwinglis, in denen er gegen die Menschenhändler, die Söldner anwerben, und gegen das Fastengebot wettert, rasch verbreitet werden.


Statt eine reiche Kirche fordert er soziales Engagement und engagiert sich deshalb auch für die Auflösung der Klöster, mit deren Schätzen Waisenhaus, Spital, aber auch eine Hochschule, an der Jugendliche studieren können, eingerichtet werden sollen. Bald werden auch aus den Kirchen Bilder und Prunk entfernt und den Spendern zurückgegeben oder verkauft.


Atmosphärisch dicht evoziert Haupt mit sorgfältiger Ausstattung und dunklen Farben die Stimmung der Zeit, die große Kluft zwischen Reich und Arm und die bedrückenden sozialen Verhältnisse. Kompakt und immer historisch abgesichert zeichnet der 58-jährige Schweizer vor diesem Hintergrund die Ereignisse nach, zeichnet differenziert Zwinglis Engagement und kann auch auf die starke Besetzung nicht nur der Hauptrollen mit Max Simonischek und Sarah Sophia Meyer, sondern auch der Nebenrollen vertrauen.


Etwas schwächer fällt die zweite Hälfte des zweistündigen Films aus, in der die äußere Handlung an Gewicht gewinnt. Aber auch hier gelingt es Haupt den Zuschauer zu packen, wenn er zeigt, wie grausam Zwinglis früherer Anhänger Felix Manz ertränkt wird, weil er sich für die Erwachsenentaufe einsetzte, und ein anderer Anhänger Zwinglis im katholischen Kanton Schwyz auf dem Scheiterhaufen verbrannt wird.


An die Stelle der religiösen Reformen tritt hier das realpolitische Denken Zwinglis, wenn er die Hinrichtung von Manz, dessen Forderungen beim Volk keine Mehrheit mehr fanden, stillschweigend hinnimmt, den Großen Rat beim Kampf gegen die anderen katholischen Kantone berät und schließlich auch mit dem Heer in die Schlacht von Kappel zieht.


Sehr konventionell ist das zwar inszeniert und größere Zurückhaltung beim Einsatz von Musik hätte auch nicht geschadet, aber die Geschichte, die sichere Handlungsführung und die insgesamt sehr sorgfältige Machart lassen diese Schwäche doch über weite Strecken vergessen. Ein wirklich großer Film ist „Zwingli“ so insgesamt trotz der für die Schweiz beachtlichen Produktionskosten von sechs Millionen Franken zwar nicht geworden, sehenswert ist er aber allemal.


Läuft ab Freitag in den österreichischen Kinos - z.B.: Cinema Dornbirn, Kino Rio in Feldkirch


Trailer zu "Zwingli - Der Reformator"




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