Zweitland
- Walter Gasperi

- 15. Sept.
- 3 Min. Lesezeit

Verpackt in ein Familiendrama erzählt Michael Kofler vom Anfang der 1960er Jahre in Anschlägen eskalierenden Kampf um die Autonomie Südtirols und von der Gegengewalt der Carabinieri: Ein zupackend inszeniertes und stark gespieltes Langfilmdebüt, das sich jeder Schwarzweißmalerei verweigert.
Inserts informieren über die Abtretung des mehrheitlich deutschsprachigen Südtirols nach dem Ersten Weltkrieg an Italien, an die Italianisierung der Provinz unter Mussolini und den Kampf für die Autonomie Südtirols, der Anfang der 1960er Jahre in Anschlägen von Südtiroler Separatisten eskalierte.
Die politische Ebene spielt nach diesem Einstieg fast nur noch über Radionachrichten in Michael Koflers Langfilmdebüt herein. Vielmehr fokussiert der Südtiroler Regisseur auf den beiden unterschiedlichen Brüdern Paul (Thomas Prenn) und Anton (Laurence Rupp). Während Paul von einem Studium an der Kunstakademie in München träumt, betreibt Anton den von den Eltern übernommenen Bauernhof.
Der Zurückhaltung Pauls gegenüber den zunehmend gewalttätigen Aktionen des Befreiungsausschuss Südtirol steht Antons offenes Engagement gegenüber. Auf Schmieraktionen mit der Forderung "Los von Rom!" folgen in der sogenannten "Feuernacht" vom 11. auf den 12. Juni 1961 Anschläge auf zahlreiche Hochspannungsmasten. Dabei kam auch ein Italiener ums Leben.
Während Anton deswegen nach Nordtirol fliehen muss, wird Pauls bester Freund Hans von den Carabinieri verhaftet und gefoltert. Paul wiederum verzichtet auf die Kunstakademie und kümmert sich mit Antons Frau Anna (Aenne Schwarz) um den Hof, ist aber zunehmend zerrissen zwischen Loyalität gegenüber seinem Bruder und Selbstverwirklichung.
Antons Frau Anna (Aenne Schwarz), die als Boznerin in der dörflichen Gemeinschaft nicht akzeptiert ist, vertritt schließlich mit ihrem Bemühen um eine Aussöhnung und ein harmonisches Zusammenleben der Volksgruppen eine Gegenposition zu ihrem Mann. Statt auf dem Hof zu arbeiten, möchte sie lieber wieder in der Dorfschule unterrichten und dabei einen zweisprachigen Unterricht führen, plädiert aber auch bei einer politischen Versammlung gegen Eskalation und für Versöhnung ….
Von Anfang an ziehen Michael Kofler und Kameramann Felix Wiedemann die Zuschauer:innen mit nah geführter beweglicher Handkamera ins Geschehen hinein. Unmittelbar nimmt man so an einem noch rein sportlichen Ringkampf zwischen Paul und Anton teil, der freilich schon auf folgende Spannungen vorverweist. Nicht nur durch diesen zupackenden Stil entwickelt dieses Drama aber Intensität, sondern auch durch die Verankerung im Milieu und in der Zeit.
Sprachliche Differenzierung mit Südtiroler Dialekt und Italienisch sowie Dreh an authentisch wirkenden Schauplätzen und sorgfältige Ausstattung evozieren in Verbindung mit den von dunklen Farben bestimmten, vorwiegend nahen Einstellungen, bei denen kaum einmal der Himmel sichtbar wird, dicht eine bedrückende Atmosphäre und ein Gefühl der Enge.
Differenziert ist aber auch der Blick auf die unterschiedlichen Positionen. Kofler macht die Motivation der Separatisten nachvollziehbar, verurteilt ihre Gewalt aber ebenso wie die brutalen Verhörmethoden der Carabinieri. Plakativ und holzschnittartig ist in der Verkürzung zwar der Blick auf die Stammtischrunden, in denen die Italiener kategorisch abgelehnt und verunglimpft werden, und auch ein Politiker der Südtiroler Volkspartei bleibt mehr Funktionsträger als differenzierter Charakter, doch auch diese Szenen tragen zum dichten Stimmungs- und Zeitbild bei.
Verpackt in wenige persönliche Schicksale ruft Kofler so in seinem von den starken Hauptdarsteller:innen Thomas Prenn, Laurence Rupp und Aenne Schwarz getragenen Drama fesselnd die politischen Ereignisse der führen 1960er Jahre in Erinnerung. Gleichzeitig ist "Zweitland" in seinem Plädoyer gegen Gewalt und für Kommunikation und Aussöhnung der Volksgruppen in einer Zeit, in der die gesellschaftliche Spaltung und die Radikalisierung aufgrund sozialer und ethnischer Gegensätze zunehmen, auch ein brennend aktueller Film.
Ein Happy End gönnt Kofler seinem Publikum dabei nicht, sondern zeigt bis zum schockierenden Schlussbild eindringlich, wie Gewalt und Gegengewalt sich gegenseitig hochschaukeln. Versöhnlich stimmen erst die Nachspanninserts, die informieren, dass nach der Gewaltspirale in den 1960er Jahren Anfang der 1970er Jahre der Konflikt mit dem Zweiten Autonomiestatut auf diplomatischem Weg beigelegt werden konnte.
Zweitland
Deutschland / Italien / Österreich 2025
Regie: Michael Kofler
mit: Thomas Prenn, Aenne Schwarz, Laurence Rupp, Francesco Acquaroli, Andrea Fuorto
Länge: 112 min.
Läuft derzeit in den österreichischen Kinos. TaSKino Feldkirch im Kino GUK: bis 18.9.
Trailer zu "Zweitland"




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