Der Italiener Roberto Minervini vermittelt in seinem Dokumentarfilm mittels Porträts mehrerer Afroamerikaner Einblick in schwarze Lebenswelten in Louisiana und den alltäglichen Kampf gegen den Rassismus. – Bei absolut Medien auf DVD erschienen.
Ursprünglich bereiste der in Italien geborene, aber seit 2000 in den USA lebende und arbeitende Roberto Minervini Louisiana, um einen Dokumentarfilm über die Musik der 1930er Jahre zu drehen, doch die omnipräsente Gewalt und die Tötung von Alton Sterling im Juli 2016 durch die Polizei in Baton Rouge ließ ihn seinen Plan ändern. Möglich wurde dieser Schwenk freilich nur dadurch, dass Minervini ohne festgelegtes Drehbuch arbeitet.
Die weiße Bevölkerung spart er in „What You Gonna Do When the World´s on Fire?“ fast komplett aus und fokussiert ganz auf wenigen Afroamerikanern. Da ist einerseits Judy, die ihre Bar zu verlieren droht, da der Hauseigentümer sie loswerden und die Immobilie lukrativer nützen will. Weiters gibt es den 14-jährigen Ronaldo, der seinem neunjährigen Bruder Titus einbläut, ja nicht nach Eintreten der Dunkelheit noch die Straße zu betreten, da nachts regelmäßig Afroamerikaner ermordet werden.
Und drittens gibt es die New Black Panther Party For Self-Defense, die in New Orleans auf den alltäglichen Rassismus aufmerksam macht, mit Demonstrationen und dem Ruf „No justice, no peace“ gegen Polizeigewalt protestiert und im Fall eines enthaupteten Schwarzen selbst zu recherchieren beginnt, da die Polizei untätig bleibt.
In bestechend klaren und scharfen Schwarzweißbildern (Kamera: Diego Romero) folgt Minervini diesen drei Gruppen abwechselnd durch ihren Alltag. Auf jeden Kommentar und Inserts verzichtet er völlig und vertraut ganz auf die begleitende Beobachtung, bei der er seinen Protagonist*innen viel Raum lässt. Nichts Neues deckt der Italiener letztlich auf, vermittelt aber gerade in der Fokussierung auf dem Alltäglichen einen plastischen Eindruck in afroamerikanische Lebenswelten und macht deutlich, welche Probleme und Missstände sich hinter dem Ruf #BlackLivesMatter konkret verstecken.
Nicht nur Polizeigewalt, die gegen Ende bei einer Demonstration der New Black Panther Party auch sichtbar wird, wird hier angesprochen, sondern auch Verlust von Geschäft oder Wohnung durch die grassierende Gentrifizierung oder die Chancenlosigkeit aufgrund mangelnder Bildung. Mit den Kids Ronaldo und Titus, deren Vater im Gefängnis sitzt, scheint aber auch die Gefahr eines Abgleitens in die Kriminalität auf.
Doch daneben werden auch Solidarität, Fürsorge und Lebensfreude sichtbar, wenn die Black Panthers Lebensmittel an Obdachlose verteilen, die Mutter von Ronaldo und Titus sich Sorgen um die Zukunft ihrer Söhne macht und versucht, Ronaldo die Bedeutung einer guten Schulbildung bewusst zu machen, in einem Garten getanzt und in Judys Bar vor deren Schließung noch einmal leidenschaftlich gesungen wird.
Ein Gegenpol zu belehrenden Reportagen mit ihren Außenperspektiven ist dieser Film, denn Minervini, der aus über 200 Stunden Filmmaterial diesen zweistündigen Dokumentarfilm geschnitten hat, enthält sich jeder Position – auch gegenüber der teilweise umstrittenen New Black Panther Party. Er lässt den Zuschauer durch das Nahverhältnis, das er zu seinen Protagonisten aufgebaut hat, in diese Welten eintauchen und die Ängste und Sorgen, aber auch die Wut seiner Protagonist*innen hautnah erfahren. Mit seiner ungefilterten Zeugenschaft bietet dieser Dokumentarfilm Sozialgeschichtsschreibung von unten, bei der die wenigen Porträts viel über die Lage der Afroamerikaner in den USA im Allgemeinen und die gesellschaftliche Kluft in diesem Land aussagen.
An Sprachversionen bietet die bei absolut Medien erschienene DVD die englische Originalfassung, zu der deutsche und englische Untertitel zugeschaltet werden können. Extras gibt es keine.
Trailer zu "What You Gonna Do, When the World´s on Fire?"
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