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  • AutorenbildWalter Gasperi

Vier im roten Kreis - Le cercle rouge


Jean-Pierre Melville verbindet einen formvollendeten Gangsterfilm mit fatalistischer Weltsicht. Bei Studiocanal ist das 1970 entstandene Meisterwerk mit vielfältigem Bonus-Material auf DVD und Blu-ray erschienen.


Dass es keinen Ausweg geben wird, alles vorherbestimmt ist, macht schon das dem hinduistischen Mystiker Rama Krishna zugeschriebene Zitat, das dem Film vorangestellt ist, deutlich: "Wenn es vorherbestimmt ist, dass Menschen einander wiedersehen sollen, was auch immer ihnen geschieht, auf welchen Wegen sie auch wandeln, am gegebenen Tag werden sie einander unvermeidlich 'im roten Kreis' begegnen."


Sukzessive führt so Melville in souveräner Parallelmontage die zunächst getrennten Figuren langsam zusammen. Aneinander gekettet sind durch Handschellen zunächst der Verbrecher Vogel (Gian Maria Volonté) und Kommissar Mattei (Andre Bourvil), der Vogel im Nachtzug von Marseille nach Paris überführen soll. Doch Vogel entkommt dem Kommissar durch einen Sprung aus dem Zugfenster.


Gleichzeitig wird in Marseille der Gangster Corey (Alain Delon), der kurz zuvor noch einen Tipp für einen großen Juwelenraub erhalten hat, aus der Haft entlassen. Zufällig versteckt sich der flüchtende Vogel ausgerechnet im Kofferraum von Coreys Wagen. Dieser bekommt dies zwar mit, verrät Vogel aber nicht an die Polizei. Vielmehr schließen beide rasch Freundschaft und bereiten nach Ankunft in Paris den Juwelenraub vor, für den sie als Scharfschützen den Ex-Polizisten Jansen (Yves Montand) als Partner gewinnen. Gleichzeitig sucht Mattei fieberhaft nach Vogel und droht dabei auch dem Nachtclubbesitzer Santi mit Haft, falls er ihm keine Informationen liefert.


Die Handlung ist im Grunde einfach, doch die Inszenierung macht "Vier im roten Kreis" zum Meisterwerk und aus einem klassischen Gangsterfilm eine Meditation über Einsamkeit und Männerfreundschaft, Loyalität und Verrat, Professionalität und die Unausweichlichkeit des Schicksals. So perfekt das Trio den Überfall plant und in einer fulminanten, rund 30-minütigen, dialog- und musiklosen Sequenz ausführt, so perfekt ist die Regie Melvilles.


Der 1973 im Alter von nur 55 Jahren verstorbene Regisseur hält souverän die Fäden in der Hand, entwickelt die Handlung langsam, kühl und nüchtern, aber mit bestechender Konsequenz. Immer wieder folgt er mal in Parallelmontage Kommissar und Gangster, mal führt er zwei Protagonisten zusammen, dann lässt er wieder sie sich entfernen. Wie Billardkugeln – Corey spielt kurz Billard – führt Melville seine Figuren auf einem Kurs von Distanz und Annäherung, bis zur Kollision im tödlichen Finale, bei dem das einzige Mal alle vier Protagonisten aufeinandertreffen.


Die kalte Winterstimmung und die Dominanz von Blaugrau, aber auch das lakonische Spiel von Alain Delon und die Reduktion des Dialogs und der Musik auf ein Minimum tragen wesentlich zur pessimistischen Grundstimmung bei. Leitmotivisch wiederkehrende rote Kreise von einer Ampel über eine Billardkugel bis zu einer Rose rufen das einleitende Zitat immer wieder in Erinnerung.


Privatleben scheint es nicht nur für die Gangster nicht zu geben, sondern auch der Kommissar scheint ein einsames Leben mit seinen drei Siamkatzen zu führen. Frauen kommen nur am Rande als Tänzerinnen oder Bedienung im Nachtclub vor. Auf den Punkt gebracht wird die Weltsicht Melvilles vom Polizeipräsidenten, der erklärt: "Alle Menschen sind schuldig, sie kommen zwar unschuldig zur Welt, aber sie bleiben es nicht."


Auch der Kommissar, der quasi die Kehrseite der Gangster ist, – und natürlich auch der Zuschauer – ist so ein Gefangener in seinem Schicksal. Die Grenzen von Gut und Böse gibt es hier nicht mehr, auch Mattei erscheint nicht als Sieger, sondern vielmehr als Geschlagener. Dass der Polizeipräsident mit dem letzten Satz des Films nochmals die Schuld des Menschen betont, verlängert den Pessimismus und Fatalismus nachdrücklich über das Filmende hinaus.


An Sprachversionen bieten die bei Studiocanal erschienene DVD und Blu-ray die französische Original- und die deutsche Synchronfassung, eine französische Fassung für Hörgeschädigte sowie deutsche und englische Untertitel. Als Extra gibt es ein etwa 40-minütiges deutsch untertiteltes Feature über die Besetzung von "Vier im roten Kreis" und die Regie von Jean-Pierre Melville. Dazu kommen auf einer zweiten DVD / Blu-ray – jeweils deutsch untertitelt - ein 75 minütiger Dokumentarfilm über Melville, Interviews mit dem Regieassistenten Bernard Stora und dem Drehbuchautor und Regisseur José Giovanni sowie eine Einführung in Melvilles Werk von Ginetta Vincendeau.


Trailer zu "Vier im roten Kreis - Le cercle rouge"



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