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  • AutorenbildWalter Gasperi

The Son


Tiefe Traurigkeit erfasst den 17-jährigen Nicholas, Gründe dafür kann der Teenager aber keine nennen. - Nach dem Demenz-Drama "The Father" erzählt Florian Zeller vom Kampf der Eltern um ihren an Depressionen leidenden Sohn: Stark gespielt, aber doch sehr schematisch und ungleich konventioneller als der Vorgängerfilm.


Mit der Verfilmung seines eigenen Stücks "The Father" landete der französische Schriftsteller Florian Zeller 2020 einen Erfolg sowohl bei der Kritik als auch beim Publikum. Mehr noch als die famosen schauspielerischen Leistungen von Anthony Hopkins und Olivia Colman begeisterte, wie Zeller die Verunsicherung des an Demenz leidenden Vaters erfahrbar machte.


Diesem aufregenden Spiel mit den Wahrnehmungsstörungen des Vaters steht bei "The Son", der zusammen mit "The Father" und "Die Mutter" eine Trilogie bildet, eine ungleich konventionellere Erzählweise gegenüber. Gemeinsam ist freilich allen drei Stücken, dass es um Eltern-Kind-Beziehungen und Krankheiten geht. So steht der Demenz des Vaters in "The Father" und der Depression des Sohnes in "The Son" in "Die Mutter" eine Frau gegenüber, die sich allein über ihre Mutterschaft definiert und nach dem Auszug des Sohnes verkümmert.


Im Gegensatz zu "The Father" erzählt Zeller, der wie beim Vorgängerfilm zusammen mit dem Briten Christopher Hampton das Drehbuch schrieb, linear und ohne jegliche Brechungen. Beginnend mit dem Besuch der Mutter (Laura Dern) bei ihrem Ex-Mann Peter (Hugh Jackman) und ihrer Bitte mit dem gemeinsamen 17-jährigen Sohn Nicholas (Zen McGrath) zu reden, da dieser seit einem Monat die Schule schwänze und sich völlig zurückziehe, entwickelt Zeller ein beklemmendes Familiendrama. Ein Umzug von der Mutter zum Vater scheint zwar eine Verbesserung von Nicholas´ Zustand zu bringen, doch bald wird seine Depression schwerer, während die Eltern verzweifelt versuchen, dem Teenager zu helfen.


Im Mittelpunkt steht dabei weniger Nicholas als vielmehr sein Vater, der als erfolgreicher New Yorker Anwalt kurz davor steht ins Wahlkampfteam eines Senators berufen zu werden. Die Erkrankung seines Sohnes lässt ihn aber an der Annahme dieses Jobs zweifeln, denn er will nicht wie einst sein Vater seine Karriere über die Familie stellen.


Der private Druck erhöht sich für Peter durch den Einzug von Nicholas in seine geräumige New Yorker Wohnung, sind er und seine neue Frau Beth (Vanessa Kirby) doch schon vollauf mit ihrem Baby beschäftigt. Die Belastungen der Scheidung werden als mögliche Ursache für die Depression angeschnitten, wenn Nicholas Beth vorwirft, die Ehe des Vaters und die Familie zerstört zu haben.


Doch Ursachenforschung wird erfreulicherweise nicht weiter betrieben. Vielmehr wird die Depression als letztlich nicht erklärbare Macht beschrieben, die aus dem Nichts heraus Nicholas befällt. Während "The Father" versuchte, eine Innenperspektive von Alzheimer zu bieten, bestimmt hier der Blick von außen auf den Teenager den Film.


Wenig greifbar wird so die Depression. Als Auswirkungen werden Schulschwänzen, selbst gewählte Isolation, aber auch Ritzen der Arme geschildert, eine Therapiesitzung nimmt nur sehr wenig Raum ein. Gerade in diesem reduzierten Bild wird aber spürbar, wie wenig Einblick letztlich die Eltern in die Situation ihres Sohnes haben. Erst nach einem dramatischen Zwischenfall werden sie aktiv, glauben aber weiterhin mit ihrer Liebe und Fürsorge Nicholas ausreichend helfen zu können.


Nicht nur die von Beton und Glas bestimmte Bürowelt des Vaters ist in kalte Blau- und Grautöne getaucht, sondern auch in der Wohnung dominieren diese Farben, die eine kühle und bedrückende Atmosphäre evozieren. Gegenpol dazu sind kurze Erinnerungen des Vaters an einen glücklichen Urlaub mit dem sechsjährigen Sohn im Meer um das sonnige Korsika (Inkohärent wirkt hier die Amerikanisierung des französischen Stücks, denn wenig glaubwürdig scheint, dass die New Yorker Familie gerade in Korsika Urlaub machte).


Während freilich der Vater hier mit seinen Bemühungen dem kleinen Nicholas das Schwimmen beibringen konnte, ist er gegenüber der Depression machtlos. Eindrücklich vermittelt ein stark spielender Hugh Jackman die Liebe zum Sohn, sein verzweifeltes Bemühen und seine Ohnmacht, aber auch quälende Schuldgefühle, weil er die Familie wegen seiner neuen Liebe vor einigen Jahren verließ. Eher blass bleibt dagegen Laura Dern als besorgte Mutter, da das Drehbuch ihr einfach zu wenig Platz zugesteht.


Dagegen gelingt dem jungen Zen McGrath eine bewegende Verkörperung von Nicholas. Spürbar wird in seinem Spiel die Verfassung des Teenagers, der sich von der Welt erdrückt fühlt, im Ritzen Erleichterung vom unerklärlichen inneren Schmerz zu finden glaubt und sich selbst seine Traurigkeit und seine Gefühle nie erklären oder begründen kann.


Aber so stark das auch gespielt und so routiniert das inszeniert ist, so ist doch das Schematische in der Figurenzeichnung und im Handlungsaufbau nicht zu übersehen. Keine Überraschung gibt es hier, wie bei "Malen nach Zahlen" spult Zeller ein Programm mit fixen Szenen ab. Nur im Finale bricht er mit einer Szene, die wie eine Reminiszenz an "The Father" wirkt, aus den Konventionen aus. Dennoch sorgen das ebenso bedrückende wie aktuelle Thema und das starke Ensemble dafür, dass dieses Familiendrama über 120 Minuten bewegt und packt.


The Son USA / Frankreich 2022 Regie: Florian Zeller mit: Hugh Jackman, Laura Dern, Vanessa Kirby, Zen McGrath, Anthony Hopkins, William Hope, Gretchen Egolf, Hugh Quarshie Länge: 123 min.


Läuft derzeit in den deutschen und österreichischen Kinos, z.B. im Cinema Dornbirn.


Trailer zu "The Son"



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