Mit seinem Charme versucht ein iranischer Asylant dänische Frauen zu erobern und mit einer Heirat sich eine Aufenthaltsgenehmigung zu sichern. Doch das Doppelspiel stürzt ihn sukzessive in eine persönliche Krise. Milad Alamis konzentriertes und packendes Psychodrama wird bei filmingo in der Schweiz und in Liechtenstein zum Streaming angeboten.
Abrupt und schockierend setzt das Spielfilmdebüt des 1982 im Iran geborenen und in Schweden aufgewachsenen Milad Alami ein: Hört man zunächst das Stöhnen eines Paars beim Sex und sieht man anschließend beide entspannt auf dem Bett liegen, so stürzt sich die Frau, während der Mann – der iranische Flüchtling Esmail (Ardalan Esmaili) - sich duscht, in der nächsten Einstellung aus dem Fenster. Erst dann folgt der Titel und schon in der nächsten Szene tollt Esmail bei einem Gartenfest der dänischen Oberschicht mit Kindern herum, doch seine neue Liebschaft fühlt sich von ihm erdrückt und macht Schluss mit ihm.
Während Esmail tagsüber als Umzugshelfer arbeitet und in einem tristen Asylantenheim wohnt, zieht er sich abends seinen schicken Anzug an. In einer eleganten Bar hält er nach Frauen Ausschau, sucht die Heirat mit einer Dänin, die ihm die dauernde Aufenthaltsgenehmigung sichern würde. Doch diese angestrebten Beziehungen zerbrechen immer wieder rasch, bis er die Tochter einer reichen Exil-Iranerin kennenlernt.
Mit großer Konsequenz und Stringenz erzählt Alami. In jeder Szene ist der von Ardalan Esmaili gerade in seiner Zurückhaltung intensiv gespielte Esmail präsent, auf Schritt und Tritt folgt der Film seinen Wegen, erzählt konsequent aus dessen Perspektive. Mit seinem Charme umgarnt Esmail so nicht nur die Frauen, sondern zieht auch den Zuschauer in seinen Bann, gleichzeitig bleibt er eine faszinierend ambivalente Figur, die einerseits die Frauen benutzt, andererseits ihnen freilich auch den Sex bietet, nach dem sie sich sehnen.
Perfekt arbeitet Esmaili auch die Diskrepanz zwischen dem in kaltes Blau und Grau getauchten tristen Alltag seines Protagonisten und den von warmen Gold- und Beigetönen bestimmten edlen Bars heraus, die der Iraner am Abend besucht. Gelingt dem smarten Protagonisten das Changieren zwischen den beiden Milieus und der Rollenwechsel zunächst scheinbar freilich problemlos, so stellen sich zunehmend Risse ein.
Dafür sorgt nicht nur ein Däne, der ihn immer wieder in der Bar anspricht, sondern auch die iranischstämmige Sara, die ihn ins Milieu der iranischen Community einführt. Nicht nur eine traumatische Erfahrung in Dänemark und damit verbundene Schuldgefühle, sondern auch Erinnerungen an sein Leben im Iran, die er bislang scheinbar locker verdrängte, brechen nun zunehmend intensiver auf ihn herein und stürzen ihn in eine Identitätskrise.
Auch dank der bestechenden visuellen Gestaltung, die sich ganz der Handlung unterordnet und sie unterstützt, der präzisen, aber nie aufdringlichen Gegenüberstellung der Milieus sowie dem Wechsel zwischen ruhigen Einstellungen und einer dynamischen Handkamera, die den Zuschauer noch mehr in die Perspektive Esmails versetzt, entwickelt dieses Psychodrama große Intensität.
Alami verurteilt nicht, sondern beschränkt sich darauf nüchtern, aber konzentriert zu schildern. Packend kann er so auch dank des perfekten und schnörkellosen Aufbaus die zunehmende innere Zerrissenheit des Protagonisten herausarbeiten, die auch im Spiel Esmailis spürbar wird.
Nie drängt "The Charmer" dem Zuschauer dabei eine Botschaft auf, sondern bietet zunächst einmal perfektes Storytelling, vermittelt gleichzeitig aber in der kleinen und konkreten Geschichte einen grundsätzlichen und vielschichtigen Einblick in die psychischen Spannungsfelder eines Flüchtlings zwischen Heimatverlust und Leben in der Fremde und zwischen tristem Alltag im fremden Land auf der einen Seite und den Sehnsüchten, die der Luxus der dortigen Wohlstandsgesellschaft weckt.
Streaming von "The Charmer" bei filmingo.ch
Trailer zu "The Charmer"
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