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  • AutorenbildWalter Gasperi

Sohn der weißen Stute


Wenig bekannt, gleichwohl ein Meisterwerk des Animationsfilms: Bei Bildstörung ist Marcell Jankovics´ 1981 entstandener psychedelischer Rausch aus Farben und Formen mit vielfältigen Extras auf DVD und Blu-ray erschienen.


Den Hunnen, Skythen, Awaren und den anderen nomadischen Völkern hat der Ungar Marcell Jankovics seinen fulminanten Animationsfilm gewidmet. Als Quelle werden ungarische Volksmärchen angegeben, doch angesichts der Universalität von Märchen entdeckt man auch Motive antiker Mythen oder Grimm´scher Märchen.


Von Realismus ist "Sohn der weißen Stute" weit entfernt. Keine klaren Schauplätze werden entworfen, auch die Figuren scheinen immer wieder im Fluss. Befreit von solchen Zwängen entfesselt Jankovics einen Rausch an Farben, Formen und Bewegung.


Typisch für Märchen spielt die Zahl drei ebenso eine zentrale Rolle wie sieben. So haben die drei Frauen der Königssöhne mit ihrer Neugier – ein von der biblischen Eva und vom Pandora-Mythos her bekanntes Motiv - die Welt ins Unglück gestürzt und müssen dafür in der Unterwelt mit je einem Drachen leben. Hoffnung auf Erlösung kommt vom dritten und jüngsten Sohn der weißen Stute.


Aufbrechen darf dieser allerdings erst, wenn er in der Lage ist eine riesige Eiche auszureißen. Außer Frage steht, dass dieser Held, der an Herkules ebenso wie an Theseus erinnert, nicht nur diese Aufgabe bewältigen wird, sondern mit der Hilfe seiner beiden Brüder Steinzerbrösler und Eisenkneter auch in der Unterwelt die drei Drachen besiegen und die Prinzessinnen befreien wird.


Doch nicht die Geschichte ist hier zentral, sondern wie sie Jankovics erzählt. Ständig ist alles im Fluss, ändern sich Formen und Farben, geht das Pferd in einen Menschen über, der eine Drache in einen mit Geschützen gespickten Panzer, der andere in eine Burg mit sieben Türmen. Aber nicht nur die Figuren wandeln sich ständig, sondern auch die Umwelt. Flora und Fauna fließen ineinander, Wolkenformationen sind ebenso im Fluss wie der Sternenhimmel.


Aber auch sexuelle Anspielungen fehlen nicht, bei denen wieder Weibliches auf Männliches trifft von der Vagina bei der Geburt des Helden bis zum phallischen Schwert. Mit Worten beschreiben kann man Jankovics´ zweiten langen Animationsfilm folglich kaum: Man muss ihn schon gesehen haben und eintauchen in diesen 81-minütigen, schier atemlosen Bilderrausch, bei dem es keinen harten Schnitt und keinen Bruch gibt.


An Sprachversionen bieten die bei Bildstörung in einem Mediabook erschienenen zwei DVD bzw. Blu-ray die ungarische Originalfassung, zu der deutsche Untertitel zugeschaltet werden können. Sehr umfangreich sind, wie gewohnt bei diesem Label, die Extras. Neben Trailer zu "Sohn der weißen Stute" und weiteren Titel von Bildstörung und einem Booklet mit einem ausführlichen Text der amerikanischen Filmwissenschaftlerin Jennifer Lynde Barker werden auf einer zweiten DVD/Blu-ray Jankovics ´ im Gegensatz zu "Sohn der weißen Stute" sehr reduzierten und schwarzweißen Kurzfilme "Sisyphus" und "Kampf" angeboten. Dazu kommt ein 30-minütiges Interview mit dem Regisseur sowie eine 98-minütige Dokumentation über das ungarische Filmstudio Pannónia, das in den 1970er und 1980er Jahren zu den größten Animationsstudios der Welt zählte und in dem bis 1991 25 abendfüllende Animationsfilme entstanden.


Trailer zu "Sohn der weißen Stute"


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