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  • AutorenbildWalter Gasperi

Moneyboys


In ruhigen Tableaux erzählt C.B. Yi in seinem mit dem Max Ophüls-Preis ausgezeichneten Debüt von einem homosexuellen chinesischen Stricher, der Ächtung der Homosexualität in China und der Sehnsucht nach Liebe. – Ein formal beeindruckender Spielfilm, der mit seinem langsamen Erzählrhythmus aber auch Geduld fordert.


Ansatzlos setzt "Moneyboys" mit dem jungen Fei (Kai Ko) ein. Vom Land ist er in eine namenlos bleibende Stadt gezogen, wo er als "Moneyboy" seine sexuellen Dienste Männern anbietet. Im Geheimen muss er dieser Tätigkeit nachgehen, denn Sexarbeit ist in China verboten. Aber auch Übergriffe sadistischer Kunden muss er fürchten. Trotz Warnung seines Lebensgefährten Xiaolai (Lin "JC" Zhengxi) trifft sich Fei aber mit einem als aggressiv bekannten Mann und wird arg zugerichtet. Als Xiaolai seinen Freund rächen will, wird er schwer verletzt und die Wege der Geliebten trennen sich.


Mit einem Schnitt überspringt C.B. Yi fünf Jahre und lässt den Film in einer anderen Stadt neu einsetzen. Immer noch geht Fei seiner früheren Tätigkeit nach. Erst als er von der Polizei verhaftet wird, will er diese aufgeben und kehrt zu seiner Familie aufs Land zurück.


Dort schlägt ihm aber Verachtung entgegen. Das Geld, das er schickte, nahm man zwar gerne, seine Homosexualität und seine Sexarbeit wird aber verurteilt, da sie die Familienehre beschmutze. Nur seine Schwester und sein Jugendfreund Long (Bai Yufan) zeigen Verständnis und unterstützen ihn. Als er als Verstoßener wieder abreist, folgt ihm bald Long, der sich in ihn verliebt hat.


In langen, ruhigen Einstellungen (Kamera: Jean-Louis Vialard), die an die Filme Tsai Ming-Liangs erinnern, erzählt der als 13-Jähriger aus China nach Österreich emigrierte C.B. Yi seine Geschichte und bietet antidramatisches Kino der Entschleunigung. Zumeist bewahrt die Kamera Distanz, fängt das Geschehen in der Zentralperspektive in Halbtotalen ein. Auf emotionalisierende Schuss-Gegenschuss-Strategie verzichtet Yi, reiht elliptisch Szenen aneinander und versetzt nur in wenigen Momenten mit bewegter Handkamera in die Perspektive Feis.


Von großer Schönheit sind diese sorgfältig komponierten Tableaux und bestechend versteht es der Debütant auch die Breite des Cinemascope-Formats zu nützen. Einfühlsam vermittelt er in diesen langen Einstellungen die Einsamkeit Feis, seine Entfremdung von der Heimat und auch von sich selbst. An Wong Kar-Wai erinnern die in Neonlicht getauchten Bar- und Restaurantszenen, die mit ihren künstlichen Räumen große Melancholie ausstrahlen und die Verlorenheit und Entwurzelung Feis vermitteln.


Ganz im Stricher-Milieu bleibt dieser Film in der Stadt, fokussiert auf wenige Protagonisten und ist doch auch politisch im Blick auf die Ausgrenzung von Homosexuellen in China und auf den Gegensatz zwischen traditioneller und reaktionärer ländlicher Gesellschaft und Großstadt. Acht Jahre hat Yi an "Moneyboys" gearbeitet, ausgiebig im Milieu recherchiert und seine Hauptfigur aus einem Buch mit Interviews mit über 2000 jungen, chinesischen Sexarbeitern entwickelt. Gedreht werden konnte der Film aufgrund des Themas aber nicht in China, sondern im Frühjahr 2019 in Taiwan.


Verlangt "Moneyboys" mit seiner langsamen und distanzierten Erzählweise zunächst viel Geduld, so entwickelt sich gegen Ende doch auch eine bewegende Liebesgeschichte, wenn Yi eindrücklich das Sehnen von Feis Jugendfreund Long vermittelt, Fei aber seinem einstigen Geliebten Xiaolai wieder begegnet und ihn zurückzugewinnen versucht. Gefangen in Zwängen, in Schuldgefühlen und Verdrängung findet er erst am Ende in einem befreienden Tanz in einer Disco, der wiederum Assoziationen an das Finale von Claire Denis' "Beau Travail" weckt, zu sich selbst und kann erstmals lachen.


So entschädigt die emotionale Kraft, die dieses Debüt im Finale entwickelt, einerseits für die Längen, die man zuvor durchstehen musste, andererseits lässt der große Stilwillen und Yis Gespür für visuelle Gestaltung auch gespannt auf weitere Filme dieses Regisseurs warten.


Money Boys Österreich / Frankreich / Belgien / Taiwan 2021 Regie: C. B. Yi mit: Kai Ko, J.C. Lin, Zeng Meihuizi, Bai Yufan, Qiheng Sun, Yan-Ze Lu Länge: 116 min.


Läuft am Dienstag, den 22.2. am Spielboden Dornbirn und am 10.3. im Filmforum Bregenz / Metrokino Bregenz.


Trailer zu "Moneyboys"


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