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  • AutorenbildWalter Gasperi

Leidenschaftliches Gefühlskino: Pedro Almodóvar

Todo sobre mia madre (Alles über meine Mutter, 1999), (c) Park Circus

Von seinen schrillen Anfängen in den 1980er Jahren hat sich Pedro Almodóvar zum Meister des Melodrams entwickelt und erzählt immer wieder formvollendet und intensiv von Liebe, Lust, Leidenschaft und Schmerz. – Das Kinok St. Gallen widmet dem seit 40 Jahren wichtigsten Regisseur Spaniens im Januar eine Filmreihe.


Wenn man an die Filme von Pedro Almodóvar denkt, fallen einem zuerst wohl die intensiven Farben ein: Leuchtendes Rot, knalliges Gelb und intensives Blau bestimmen von den Vorspannen an seine Filme ebenso wie eine sorgfältige Ausstattung von Möbeln über Kleidungsstücke bis zu Alltagsgegenständen, die durch diese Farben wiederum hohe Präsenz gewinnen.


Spürbar werden schon darin eine Lebensfreude und Lebenslust, die sich bei dem am 28. September 1949 als Sohn von Landarbeitern in der Region La Mancha geborenen und in strengen Klosterschulen aufgezogenen Spanier wohl spätestens mit dem befreienden Ende der repressiven Franco-Ära 1975 entwickelte. In dieser Zeit des Auf- und Umbruchs gehörte der offen seine Homosexualität lebende Almodóvar der "Movida madrilena" an. Er schrieb nicht nur Geschichten für Comics und Fotoromane, sondern war auch Mitbegründer der Punk-Rock-Gruppe "The Black Kiss Dolls", Mitglied der unabhängigen Theatergruppe "Los Goliardos", schrieb erste Drehbücher und drehte erste Super-8-Filme.


Schrill waren seine ersten Spielfilme, bevölkert von exzentrischen Figuren, doch schon hier ist sein Faible für schillernde und starke Frauen und gleichzeitig ein Bruch mit dem machistischen spanischen Männlichkeitsbild sichtbar. Ebenso leidenschaftliche wie zerstörerische Beziehungen, Liebe und Tod sind dabei die zentralen Themen in Filmen wie "Matador" (1986), "La ley del deseo" ("Das Gesetz der Begierde", 1987) und "Mujeres al borde de un ataque de nervios" ("Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs", 1988).


Von diesen Anfängen entwickelte sich Almodóvar in den 1990er Jahren mit "La flor de mi secreto" ("Mein blühendes Geheimnis", 1996), der freien Ruth Rendell-Verfilmung "Carne tremula" ("Live Flesh", 1997) und vor allem "Todo sobre mi madre" ("Alles über meine Mutter", 1999), der unter anderem mit dem Europäischen Filmpreis, einem Golden Globe und dem Oscar für den besten fremdsprachigen Film ausgezeichnet wurde, zum gefeierten Meisterregisseur.


Unübersehbar ist dabei immer wieder die Beeinflussung durch das klassische amerikanische Kino, vor allem durch die Melodramen von Douglas Sirk, aber auch durch die Thriller Alfred Hitchcocks. Schon im Titel ist so "Alles über meine Mutter" als Hommage an Joseph L. Mankiewiczs "All about Eve" angelegt, während er mit "La piel que habito" ("Die Haut in der ich wohne", 2011) Georges Franjus "Les yeux sans visage" ("Augen ohne Gesicht", 1960) seine Reverenz erwies. Gleichzeitig treibt er diese Vorbilder aber weiter, indem an die Stelle der dortigen klassischen Familienkonstellationen weit offenere, meist auch queere Beziehungen treten.


Mindestens im gleichen Maße wie von Kinoerfahrungen und Kinoleidenschaft sind Almodóvars Filme aber auch von seiner Autobiographie beeinflusst. Unübersehbar als sein Alter Ego sind so die Filmregisseure in "La mala educación" ("Schlechte Erziehung", 2004), in dem er auch die eigenen Erfahrungen als Klosterschüler verarbeitet, und "Dolor y Gloria" ("Leid und Herrlichkeit", 2019) angelegt. Für "Dolor y Gloria" hat er dabei sogar seine Wohnung im Studio nachgebaut und private Gemälde als Wandschmuck verwendet.


Mit "Volver" ("Zurückkehren", 2006) kehrte er dagegen mit der La Mancha in die ländliche Gegend seiner Kindheit zurück, während er mit "Sobro todo mi madre" nicht nur allen Müttern, sondern vor allem auch seiner eigenen Mutter, die im Entstehungsjahr des Films starb, seine Reverenz erwies.


Quer durch sein Werk ziehen sich diese schillernden Frauenfiguren, für die er – ebenso wie Antonio Banderas für die männlichen Hauptrollen - über Jahrzehnte auch immer wieder die gleichen Schauspielerinnen gewinnen konnte. Carmen Maura, die schon in seinem punkigen Kinodebüt "Pepi, Luci, Bom y otras chicas del montón" ("Pepi, Luci, Bom und der Rest der Bande", 1980) die Hauptrolle spielte, machte er so mit "Matador", "La ley del deseo" und "Mujeres al borde de un atque de nervios" zum Star und holte sie 20 Jahre später nochmals für "Volver" und auch Penélope Cruz spielte ab "Carne tremula" bis "Madres paralelas" immer wieder in den Filmen dieses Meisterregisseurs. Aber auch die Spuren von Cecilia Roth und Marisa Paredes ziehen sich quer durch sein Oeuvre.


Im Zentrum der Filme steht dabei, wie schon der Name seiner 1985 mit seinem Bruder Agustin gegründeten Produktionsfirma "El Deseo" andeutet, immer wieder die Sehnsucht, das Begehren und das Liebesglück ebenso wie der Schmerz. Nicht zuletzt durch die bestechende Farbdramaturgie und sein Gespür für Ausstattung und Kostüme, aber auch durch die ebenso kunstvolle wie dichte Verschachtelung von Zeitebenen, die viele Filme dieses großen Stilisten bestimmt, entwickeln diese Melodramen dabei eine emotionale Intensität und Kraft, der man sich nicht entziehen kann und die auch bei wiederholtem Sehen mitreißt.


Weitere Informationen und genaue Spieldaten fer Filmreihe im Kinok St. Gallen finden Sie hier.


Trailer zu "Todo sobre mi madre - Alles über meine Mutter"


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